| # taz.de -- Hype um Schweinegrippe: "Es stinkt nach Einfluss der Industrie" | |
| > Der SPD-Politiker Wodarg hat im Europarat eine Anhörung zum Hype um die | |
| > Schweinegrippe erreicht. Er will wissen, warum Regierungen überreagierten | |
| > und die Pharmaindustrie Milliarden verdiente. | |
| Bild: Bei starker Pharmabrise kann die Schutzmaske schon mal verrutschen. | |
| Herr Wodarg, Sie haben zur Schweinegrippe-Impfung eine Anhörung im | |
| Europarat angestoßen. Wird die öffentlich? | |
| Wolfgang Wodarg: Ja, zuerst hat sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) | |
| gesträubt - jetzt sagt sie, sie wolle das natürlich öffentlich machen. | |
| Wer wird gehört? | |
| Vertreter der WHO sowie der Pharmaindustrie. Der Epidemiologe Professor | |
| Ulrich Keil und ich nehmen als Experten teil. | |
| Auf welche Fragen wollen Sie Antwort? | |
| Wir wollen verstehen, wie es dazu kam, dass die WHO plötzlich die Schwelle | |
| zur Ausrufung einer Pandemie so herabgesetzt hat, dass eine ganz normale | |
| Grippewelle zum Alarm führen konnte. Und wir wollen wissen, wie das mit | |
| Verträgen zwischen Regierungen und Pharmaindustrie zusammenhing, die in | |
| Kraft treten mussten, sobald die WHO eine Pandemie ausruft. Weltweit ist so | |
| Impfstoff für rund 20 Milliarden US-Dollar verkauft worden. | |
| Haben Sie eine Vermutung? | |
| Es stinkt danach, dass die Industrie Einfluss auf die WHO genommen hat. | |
| Dass es sich um einen echten Fehlalarm handelt - dafür gibt es | |
| wissenschaftliche Belege. Schon 2005, 2006 war es bei der Vogelgrippe | |
| ähnlich - die wurde nie von Mensch zu Mensch übertragen. Jetzt erleben wir, | |
| dass die Schweinegrippe weit weniger Schaden anrichtet als jede normale | |
| Grippewelle. | |
| Gibt es überhaupt die Gefahr dieser schweren Grippe-Pandemien? | |
| Schwere tödliche Ausbrüche begrenzen sich eher selbst. Sie breiten sich | |
| nicht so leicht aus, weil ihre Opfer darniederliegen und die Infektion | |
| nicht in Büro, Schule oder U-Bahn streuen können. Die Gefahr ist so | |
| theoretisch, so unwahrscheinlich, dass wir andere Risiken hätten, auf die | |
| wir die Kraft unseres Gesundheitssystems eher konzentrieren sollten. Und | |
| bedenken Sie: Selbst die Ausbreitung schwerer und tödlicher | |
| Viruserkrankungen wie SARS und Ebola konnten ohne Impfstoff eingedämmt | |
| werden. | |
| Was macht Regierungen anfällig für den Grippe-Hype? | |
| Genau das wollen wir untersuchen. Viele nationale Institute, die | |
| Regierungen beraten, haben offenbar nach der Pfeife der Leute getanzt, die | |
| in der WHO das Sagen haben. Es sind bestimmte Virologen, die seit Jahren | |
| die Grippe-Gefahr beschwören. Wir fragen uns, ob es eine langfristige | |
| Strategie gab, ob die Institute gemeinsame Sache mit der Industrie gemacht | |
| haben. Oder ob sie sich nur in den Vordergrund spielen wollten. Profitiert | |
| haben auch sie: Sie sind wichtig geworden, haben neue Stellen und Geld | |
| bekommen. | |
| Könnte es nicht sein, dass Regierungen zu anfällig für Wachstums- und | |
| Arbeitsplatzversprechen der Pharmaindustrie sind? | |
| Das mag ein Faktor sein. Aber eine wichtige Rolle scheint die | |
| wissenschaftliche Politikberatung zu spielen. | |
| Müsste sich auch der Bundestag kritischer mit der H1N1-Impfung | |
| auseinandersetzen? | |
| Natürlich. Ich habe kein Vertrauen mehr in unser Robert-Koch-Institut und | |
| das Paul-Ehrlich-Institut. Wir müssen klären, wie es kommt, dass auch sie | |
| Grippe-Gefahren verkündet haben, für die es keine Evidenz gab. | |
| Sie saßen lang im Gesundheitsausschuss - wird da so etwas diskutiert? | |
| Ich habe das versucht. In den Instituten und vom Ministerium wurde ich | |
| höflich abgepuffert. | |
| Viele Weichen für die Pandemie-Vorsorge sind unter Regierungen mit | |
| SPD-Beteiligung gestellt worden... | |
| Ja, das entsetzt mich. | |
| War Ihre Partei zu blauäugig? | |
| Man muss unterscheiden zwischen der Partei und bürokratischen Apparaten. | |
| Aber klar: Ministerin und Staatssekretäre tragen Verantwortung. Die hätten | |
| besser auf Kritiker wie mich hören sollen, dann hätten sie viel Geld | |
| gespart. | |
| 25 Jan 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Katja Schmidt | |
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