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# taz.de -- ÖKOLOGIE: Vom Winde vertrieben
> Auf der Luneplate ist Bremens neues Naturschutzgebiet schon wieder
> bedroht. Hier soll ein Hafen entstehen, in dem Offshore-Windräder
> montiert und verschifft werden.
Bild: Die Zukunft der Luneplate sieht wohl anders aus.
Die Stille trügt. Die Gleichförmigkeit auch. Bis zum Horizont erstreckt
sich fahl das steppenförmige Grasland auf der Luneplate, kaum ein Strauch,
kaum ein Baum trübt hier das Bild. Nur ganz am Ende des noch
schneebedeckten Deiches, über den jetzt scharf der kalte Wind pfeift, wo
die Bussarde kreisen, Schwärme von Nonnengänsen fliegen, ganz hinten also,
da kündigt sie sich schon an. Die Zukunft. Grau. Mächtig. Es sind die Kräne
der Hafenanlagen.
Diese Woche schon könnte sich entscheiden, wo der neue Hafen für die
Offshore-Windanlagen gebaut wird. Und alles spricht dafür, dass er hierher,
mitten auf die Luneplate kommt, in den Blexer Bogen, südwestlich von
Bremerhaven, gegenüber von Nordenham.
Dass er kommen wird, steht außer Frage. Die Rede ist von Wachstumsraten von
25 Prozent im Jahr, von jährlich 500 bis 800 Offshore-Windenergieanlagen in
ganz Europa, von zusätzlich 2.500 Megawatt in jedem Jahr ab 2014. All diese
150 Meter hohen Windräder müssen irgendwo fertig zusammengebaut werden,
bevor sie dann auf See installiert werden. Dafür braucht es Anlagen, die
mehrere hundert Meter lang und immens tief sind, mehrere tausend Tonnen
tragen, seetauglich sind.
Zum Beispiel in Emden, in Cuxhaven - und in Bremerhaven. 240 Anlagen sollen
auf der Luneplate pro Jahr verladen werden können, die Baukosten dazu
werden auf 200 Millionen Euro geschätzt. Sie sollen rein privat finanziert
werden. Mehrere hundert Arbeitsplätze könnten entstehen. Zwölf Standorte
wurden geprüft. Logistische und ökonomische Gründe sprächen für die
Luneplate, heißt es aus dem Wirtschaftsressort.
Früher sollte hier mal eine Teststrecke für Mercedes gebaut werden, und,
noch viel früher, ein Holz-, ein Fischereihafen. Derzeit ist die Luneplate
in erster Linie EU-Vogelschutzgebiet. Die eingedeichte Weserinsel, mehr als
1.000 Fußballfelder groß, gehört Bremen erst seit diesem Jahr. 30 Millionen
Euro haben sie Niedersachsen dafür bezahlt - weil sie eine "ökologische
Ausgleichsfläche" für den Containerterminal CT 4 in Bremerhaven brauchten,
die momentan längste Stromkaje der Welt.
Heute wandert hier noch Landschaftsplaner Thomas Wieland von der
städtischen Hafengesellschaft Bremenports entlang, schwärmt von seinem so
"wertvollen", fast 1.000 Hektar großen Naturschutzgebiet, von Zehntausenden
Gänsen, von all den Lebensräumen, die man der Umwelt "zurückgegeben" habe.
Und berichtet von zweistelligen Millionensummen, die der Staat dafür
investiert hat. Als die Rede auf das neue Offshore-Terminal kommt, wird er
still. Nein, dazu wolle er nichts sagen.
Dafür der Ornithologe Lutz Achilles, der noch hofft, dass sich das
Seeadlerpärchen, was immer wieder gesichtet wird, hier ansiedelt. Der stolz
von 20, 25 Kiebitzpaaren erzählt, die auf der Luneplate brüten, von
Säbelschnäblern und Krickenten, von Alpenstrandläufern und Brachvögeln, von
Brutgebieten "von nationaler Bedeutung", von rapide steigenden Zahlen an
Vögeln, die hier rasten. Welche "Störwirkung" die neue Hafenanlage da
entfalten werde, sei "schwer zu prognostizieren", sagt er. In offiziellen
Papieren ist von "erheblichen Eingriffen in bestehende Naturschutzgebiete"
die Rede.
Doch Achilles mag nicht als Wirtschaftsfeind gelten, und er arbeitet ja
unter anderem auch im Auftrag von Bremenports: "Das ist eine große Chance
für Bremerhaven." Und schließlich würden dafür ja andernorts wiederum neue
"ökologische Ausgleichsflächen" nötig.
Wo, ist unklar. Bremen hat diese Flächen nicht, sagt Heidrun Nolte vom NABU
Bremen. Für sie sind die Pläne der Windkraftbranche eine "Katastrophe", der
Standort Luneplate die "schlimmste aller Varianten". Acht andere Standorten
fänden die Zustimmung der Naturschützer. Schon haben der NABU ebenso wie
der BUND und der Gesamtverband Natur- und Umweltschutz Unterweser
Verbandsklage vor dem Europäischen Gerichtshof angekündigt. Jahrelange
Auseinandersetzungen drohen. Die Naturschützer wollen "alle Möglichkeiten
ausschöpfen". Ob Nolte glaubt, die Luneplate - so wie sie jetzt ist -
retten zu können? "Schaun mer mal." Es klingt nicht sehr hoffnungsvoll.
24 Jan 2010
## AUTOREN
Jan Zier
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