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# taz.de -- Prozess gegen SS-Mörder Boere: Von wegen nur Befehlsempfänger
> SS-Mörder Heinrich Boere ist offenbar tiefer in die NS-Maschinerie
> verstrickt gewesen als zugegeben. Perfide: Er ließ sich verstecken - und
> denunzierte dann die Helfer.
Bild: "Die hab ich weggemacht": Heinrich Boere.
AACHEN taz Man hatte neue Anträge der Verteidigung erwartet, das Verfahren
gegen den SS-Täter Heinrich Boere einzustellen oder das anberaumte Plädoyer
der Staatsanwaltschaft hinauszuzögern. Stattdessen trumpfte am Donnerstag
vor dem Aachener Landgericht die Nebenklage auf: Nach Recherchen in
niederländischen Archiven habe Boere bei vielerlei anderen Taten als den
drei bislang bekannten Morden mitgewirkt. Vor allem bei hinterhältigen
Spionagetätigkeiten "lieferte er mindestens sieben weitere Menschen ans
Messer", sagte ein Nebenkläger.
Boere ist bislang angeklagt, im Sommer 1944 in den besetzten Niederlanden
als Mitglied im SS-Sonderkommando Feldmeijer drei Fememorde an Zivilisten
begangen zu haben. Diese Taten hat der 88-Jährige auch mehrfach zugegeben
("die hab ich weggemacht"). Der womöglich letzte deutsche NS-Angeklagte
beruft sich allerdings auf Befehlsnotstand und seine Mitläuferrolle.
"Mit engagierter Hilfe niederländischer Freunde haben wir lange gesucht",
sagte nachher einer der Nebenkläger. Gefunden haben sie in Maastrichter
Archiven viele Dokumente, etwa die Razzia in einem Bauernhof. Dort hatte
sich Heinrich Boere "mit krimineller Energie" undercover als vermeintlicher
Flüchtling vor den deutschen Besatzern verstecken lassen - und die Helfer
danach denunziert. Über 50 Personen wurden verhaftet, viele landeten im KZ.
Sieben Opfer verstarben dort. Boeres Behauptungen, er habe bis Anfang 1944
schwer verletzt in Lazaretten verbracht, erweist sich somit als Lüge. "Ein
eifriger und engagierter Nationalsozialist, heimtückisch und widerwärtig",
so die Nebenklage - von wegen "bloßer Befehlsempfänger".
Nach seinen Taten wurde Boere zudem, so die neuen Quellen, befördert, bekam
für einen Mord aktenkundig ein halbes Monatsgehalt als Kopfprämie und wurde
"Leiter des Sturms der Germanischen SS Maastricht". Boere verfolgte die
neuen Anschuldigungen gestern regungslos.
Die Nebenklage hat Strafanzeige wegen Mordes in sieben weiteren Fällen
gestellt. Ob die neuen Erkenntnisse auch in den Prozess als Beweismittel
aufgenommen werden, entscheidet sich beim nächsten Termin. Ob Heinrich
Boere indes ins Gefängnis muss, hängt von seinem Gesundheitszustand ab. "Um
mindestens 15 Jahre abzusitzen", so ein Anklagevertreter, "müsste er an die
105 werden, und so alt", verglich er mit einem anderen
Deutsch-Niederländer, "wird außer Johannes Heesters ja kaum jemand."
29 Jan 2010
## AUTOREN
Bernd Müllender
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