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# taz.de -- Münchener Sicherheitskonferenz: Die Angst vor dem Feigenblatt
> Nächste Woche tagt die Münchener Sicherheitskonferenz. Die Gegner
> streiten: Wollen sie nur Protest oder einen Dialog mit dem Veranstalter?
Bild: Wolfgang Ischinger leitet die Münchener Sicherheitskonferenz.
MÜNCHEN taz | Auf den Tischen stehen Blumentöpfchen, mit gelbem Krepppapier
umwickelt, an der Wand hängt ein Plakat mit einer Friedenstaube. Wolfgang
Ischinger trägt einen cremefarbenen Pullover. Kommendes Wochenende wird er
als Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz wieder die machtpolitischen
Schwergewichte der Welt empfangen: den Nato-Generalsekretär, die
Außenminister von China und Russland, Afghanistans umstrittenen Präsidenten
Hamid Karsai. Jetzt, zehn Tage vor Konferenzbeginn, trifft er sich im
Kellerraum des Kolpinghauses mit seinen Kritikern, der Friedensbewegung.
Zumindest mit jenen Vertretern, die überhaupt mit ihm reden wollen.
Für Friedensaktivisten und Kriegsgegner ist die Sicherheitskonferenz seit
Jahren pure Provokation. Finanziert von der Bundesregierung, gesponsert von
Rüstungskonzernen, abgesichert von tausenden Polizisten, diskutieren
Verteidigungspolitiker und Militärstrategen im edlen Hotel "Bayerischer
Hof" darüber, wie sich die Welt mit militärischen Mitteln sicherer machen
lässt. Kriegsgegner müssen traditionell draußen bleiben.
Darum hat sich über die Jahre eine bunte Protestbewegung gegen die
Konferenz gebildet. Es gibt eine große Demo vom "Aktionsbündnis gegen die
Nato-Sicherheitskonferenz". Der Zusammenschluss aus linken Gruppen und
Gewerkschaften will die Konferenz abschaffen. Und es gibt die
"Friedenskonferenz", eine Gegenveranstaltung.
2004 starteten Friedensaktivisten ein besonders kühnes Unternehmen: die
"Projektgruppe Münchner Sicherheitskonferenz verändern". Sie sucht den
Dialog mit dem Veranstalter, will so die Kriegstagung zu einer "Konferenz
für Frieden in Gerechtigkeit" machen. Gehör fanden sie kaum. Bis Wolfgang
Ischinger 2009 die Sicherheitskonferenz übernahm.
Der erfahrene Botschafter trat an mit dem Versprechen, die Konferenz für
Kritiker zu öffnen. Er hat - davor undenkbar - 2010 zum zweiten Mal einen
Friedensaktivisten als Beobachter in den "Bayerischen Hof" eingeladen und
mit dem Bundestagsabgeordneten Wolfgang Gehrke erstmals einen
Linkspartei-Politiker.
"Ihre Dialogbereitschaft und Ihr neuer Politikstil haben uns ermutigt",
sagt Klaus Mittelmeier von der Projektgruppe "Münchner Sicherheitskonferenz
verändern", als er Ischinger im Kolpinghaus gegenübersitzt. "Ich nehme für
mich in Anspruch, dass wir ohnehin nichts anderes wollen als Frieden", sagt
Ischinger. Mittelmeiers Gruppe hat ihn eingeladen, zum fünften Mal in den
vergangenen Monaten.
An diesem Abend versuchen sie ihm zu erklären, wie Erfahrungen aus dem
zivilen Friedensdienst die Sicherheitskonferenz bereichern könnten. "Ein
außerordentlich wichtiges Thema", sagt Ischinger diplomatisch. Vielleicht
könne man das aufnehmen, in Zukunft irgendwann. Ischinger hört zu,
immerhin.
Mittelmeiers Gruppe muss für ihre Gesprächsbereitschaft viel Kritik
einstecken. "Ich finde es völlig verkehrt, so etwas zu machen", meint zum
Beispiel Claus Schreer vom "Aktionsbündnis gegen die
Nato-Sicherheitskonferenz" und Organisator der Protestdemo. Ischingers
Dialog mit den Friedensaktivisten sei ein "reines Feigenblatt".
Im Kolpinghaus verweist Ischinger auf das Programm der diesjährigen Tagung.
Es gehe um Ressourcensicherung, um atomare Abrüstung. "Wer mir angesichts
dieser Themen vorwirft, ich sei ein Kriegstreiber, der muss zum Arzt", sagt
er.
Im Juli musste die Münchener Attac-Gruppe ein Streitgespräch mit Ischinger
abbrechen. Aktivisten vom linken "Arbeitskreis Internationalismus" hatten
ihn niedergepfiffen. "Wenn man auf Ischingers PR-Taktik eingeht, macht man
sich zum nützlichen Idioten", meint Hans-Georg Eberl vom damals so lauten
Arbeitskreis. Ischinger habe in öffentlichen Äußerungen klargemacht, dass
er für Kriegspolitik stehe.
Man habe keinen Dialog führen wollen, sondern öffentlich streiten, wehrt
sich Hagen Pfaff von Attac, "doch darüber gibt es im Aktionsbündnis einen
gewissen Dissens". Darum hat seine Attac-Gruppe den Demo-Aufruf gegen die
Konferenz 2010 nicht unterzeichnet. Sie demonstriert aber mit. Was wiederum
Demo-Organisator Schreer "unklug und völlig falsch" nennt.
Der Streit unter den Friedensaktivisten scheint den Protesten jedoch nicht
zu schaden. Schreer erwartet 5.000 Demonstranten gegen die Konferenz,
neunzig Gruppen unterstützen den Demo-Aufruf. So viele wie nie.
30 Jan 2010
## AUTOREN
Bernhard Hübner
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