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# taz.de -- Räumungen in Ostjerusalem: Der Protest wird breiter
> Ein israelisches Gericht erlaubt Demos im Ostjerusalemer Viertel Scheich
> Dscharrah gegen die Räumung palästinensischer Familien. Für die ist die
> juristische Lage kompliziert.
Bild: Schriftsteller David Grossman geht zur Demo gegen die Räumungen: "Manchm…
Immer mehr gemäßigte israelische Kräfte schließen sich dem wöchentlichen
Protest gegen die Vertreibung palästinensischer Familien aus Ostjerusalem
an. "Manchmal ist es unmöglich zu schweigen", begründete der Schriftsteller
David Grossman am vergangenen Freitag sein Kommen.
In dem palästinensischen Viertel Scheich Dscharrah, in dem im vergangenem
August mehrere Häuser von Siedlern besetzt wurden, waren die jüngsten
Proteste immer gewaltsamer geworden. 25 linke Aktivisten hatten das
vorvergangene Wochenende hinter Gittern verbringen müssen, bis ein Gericht
über die Legitimität der Protestveranstaltung entschied.
"Es kommen immer mehr Akademiker und Meretz-Politiker", meint Sahar Vardi,
Aktivistin der "Anarchisten gegen die Mauer". Damit werde die Veranstaltung
weniger "von den extremen Linken bestimmt". Am vergangenen Freitag blieb es
auch dann noch ruhig, als der rechtsextreme Itamar Ben-Gvir mit rund 15
Aktivisten aus dem national-religiösen Lager auftauchte und sich mit
riesigen Israelflaggen im Abstand von kaum 50 Metern postierte.
Der Konflikt der beiden Lager macht sich an drei Häusern fest, die
symbolisch für die von den Siedlern angestrebte Judaisierung der Stadt
stehen. Auf gerichtliche Anweisung wurden im Frühjahr 2009 und Anfang
August mehrere Familie zu nachtschlafender Zeit von Polizisten aus ihren
Wohnungen vertrieben. Die Sicherheitskräfte räumten die Wohnungen und
warfen die Möbel auf Müllhalden, um Platz für die Siedler zu machen.
"Die Siedler und die Rechte vergehen sich mithilfe der Regierung an den
Palästinensern", schimpfte Grossman, der fürchtet, dass damit ein
Friedensabkommen immer schwieriger wird. Die Art, wie die Siedler die
Kontrolle über Ostjerusalem übernehmen würden, sei eine einzige
"Frechheit".
Für die Familien, die zunächst auf Matratzen unter freiem Himmel und in
Zelten lebten, bevor sie im Winter in Mietwohnungen zogen, kam die Räumung
nicht überraschend. Schon ein Jahr zuvor hatte das Bezirksgericht von
Jerusalem entschieden, dass den Palästinensern kein Anspruch auf die Häuser
zusteht. Die Evakuierung war damit eine Frage der Zeit. Das umstrittene
Gebiet von 18.000 Quadratmetern befand sich bis zur Staatsgründung 1948 in
jüdischem Besitz. Nach dem Krieg von 1967 übernahm die jordanische
Regierung die Verwaltung, die dort mithilfe der UNO Häuser für
palästinensische Flüchtlinge errichten ließ.
Maher Hannun kam 1956 zusammen mit 27 weiteren Flüchtlingsfamilien nach
Scheich Dscharrah, bis er im vergangenen Sommer zum zweiten Mal vertrieben
wurde. Wenige Jahre nach dem Sechstagekrieg, in dessen Verlauf das
umstrittene Gebiet an Israel fiel, erreichte die Flüchtlinge eine
Aufforderung, künftig Miete zu zahlen. Die neuen Eigentümer traten in Form
zweier Komitees auf: das "Sefardische Gemeinde-Komitee" und das
"Knesset-Israel-Komitee". Hannun weigerte sich, Miete zu zahlen, ließ sich
aber schließlich doch auf eine Einigung ein, die ihnen uneingeschränktes
Mietrecht einräumen sollte. Damit erkannte er indirekt die von den Komitees
beanspruchten Besitzverhältnisse an.
"Es geht hier nicht um legal oder illegal und nicht darum, wer die
Grundstücke besitzt", kommentierte Jerusalems Vizebürgermeister Pepe Allalo
(Meretz). "Dies ist ein arabisches Wohnviertel, deshalb sollten hier nur
Palästinenser leben." Die Ansiedlung von Juden sei eine reine Provokation.
Informationen der linken Organisation "Ir Amim" zufolge planen die aus dem
Ausland finanzierten Siedler in Scheich Dscharrah den Neubau von 200
Wohneinheiten für Juden.
Sollte der Prozess fortgesetzt werden, den jüdischen Anspruch auf
Grundstücke rückwirkend anzuerkennen und die Familien, die über Jahrzehnte
in den Häusern gewohnt haben, zu vertreiben, könnte das politische
Konsequenzen haben. Zwar gäbe es für Palästinenser keine rechtliche
Möglichkeit, Grundstücksansprüche aus den Jahren vor 1948 geltend zu
machen, sagt Orly Noy, Sprecherin von "Ir Amim", dennoch könnte eine
kollektive Petition, auch wenn sie nur symbolisch wäre, Israel "in eine
peinliche Lage sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Bühne
bringen".
31 Jan 2010
## AUTOREN
Susanne Knaul
Susanne Knaul
## TAGS
Itamar Ben-Gvir
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