# taz.de -- Kommentar Schulreform: Das zitternde Klassenzimmer | |
> Die Hamburger sollten bei ihrer Schulreform auf keinen Fall einen | |
> Kompromiss schließen – sonst endet alles in einem großen Chaos. | |
In Hamburg werden sie weiter über Schule verhandeln – und das ist auch gut | |
so. Das Bürgertum und der Senat sollten alle Versuche ausloten, eine gute | |
Reform der Grundschulen auf den Weg zu bringen – und einen jahrelangen | |
Schulkampf zu vermeiden. | |
Aber eines sollte auf keinen Fall passieren: einen sogenannten Kompromiss | |
schließen, der ein Viertel der Grundschulen in der Hansestadt auf sechs | |
Jahre umbaut – und den Rest bei vier Jahren Laufzeit belässt. Bitte, die | |
sechsjährige Grundschule ganz oder gar nicht. Denn das Angebot der | |
Initiative "Wir wollen lernen" ist ein vergiftetes. | |
In Berlin können alle betrachten, was herauskommt, wenn nur ein Teil der | |
Schüler sechs Jahre gemeinsam lernt. Schon am Ende der dritten Klasse | |
beginnt ein ätzender Schulkampf mitten im Klassenzimmer – der Eltern und | |
Kinder zerreißt. Da wird wie auf dem Basar gefeilscht, ob Noten sein müssen | |
oder nicht. Da bereitet ein Teil der Eltern seine Kinder auf die Flucht auf | |
Gymnasien vor. Da fragen Kinder ihre Eltern unter Tränen, warum Mareike und | |
Leo denn die Schule wechseln. Da setzt, wenn mehr als fünf Kinder gehen, | |
eine regelrechte Stampede Richtung Gymnasium ein. Grundschulklassen werden | |
durcheinandergewürfelt. Kurz: Zitternde Klassenzimmer – und das ist das | |
Letzte, was man beim Lernen brauchen kann. | |
Dieses tägliche Schulchaos ist es, was der "Wir wollen lernen"-Zampano | |
Walter Scheuerl mit seinem Kompromiss erreichen wird. Die Hamburger mögen | |
klug genug sein, diesen Weg nicht zu gehen. Und es sind eben die Hamburger, | |
die Bürger, die diese Fragen entscheiden sollten – und kein Hinterzimmer, | |
gefüllt mit einem Anwalt und Regierenden. Die Frage der grundlegenden und | |
notwendigen Modernisierung von Schule muss die Bevölkerung schon selbst | |
beantworten – so oder so. | |
3 Feb 2010 | |
## AUTOREN | |
Christian Füller | |
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