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# taz.de -- Grünen-Politikerin über Fernsehräte: "Wir brauchen mehr Meinungs…
> Die Politiker haben zu viel Einfluss auf das Fernsehen, findet Tabea
> Rößner. Die medienpolitische Sprecherin der Bundestags-Grünen zieht
> deshalb gegen die schwarz-roten Freundeskreise vor Gericht.
Bild: Aktivisten von Campact demonstrierten im Dezember vor der SPD-Zentrale in…
taz: Frau Rößner, Sie sind kaum im Amt, und schon ziehen Sie vor das
Bundesverfassungsgericht. Nicht schlecht für den Anfang - wie hoch wollen
Sie noch hinaus?
Tabea Rößner: Es ist ein Glücksfall, gleich mit einem so spannenden und
wichtigen Thema als neue Bundestagsabgeordnete zu starten. Für den
Zeitpunkt, wann der ZDF-Verwaltungsrat Nikolaus Brender als Chefredakteur
abgesägt hat, kann ich ja nichts. Aber dieser Skandal zeigt doch, wie
wichtig es ist zu klären, ob es beim ZDF verfassungskonform zugeht. Wenn
man sieht, was da für eine Einflussnahme der Politik möglich ist, um die
Vertragsverlängerung eines unabhängigen Journalisten zu verhindern, habe
ich da große Zweifel. Und deshalb gehen wir nach Karlsruhe.
Sie waren bis zur Wahl selbst Journalistin beim ZDF. Spielt das bei Ihrem
Engagement auch eine Rolle?
Natürlich. Ich habe da meinen bisherigen Kolleginnen und Kollegen gegenüber
eine große Verantwortung. Es geht doch um die Glaubwürdigkeit des Senders.
Denn wo ich eine wichtige Personalentscheidung so beeinflussen kann, kann
ich auch Einfluss auf Programminhalte nehmen. Und damit steht das ganze
Konstrukt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks infrage. Schließlich soll
der - wie alle Medien - die Politik kontrollieren und nicht umgekehrt.
Insofern ist es mir aus meiner Perspektive als Journalistin klar ein
besonderes Anliegen. Aber ich weiß gar nicht: Bin ich noch Journalistin -
eigentlich schon, finde ich
Wie passt die Präsenz von Politikern in den Gremien von ARD und ZDF mit der
Staatsferne zusammen? Im ZDF-Fernsehrat sitzt übrigens auch ein Grüner -
Cem Özdemir!
Da müssen Sie noch an Ihrem Verständnis von Gewaltenteilung arbeiten:
Staatsferne heißt für mich jedenfalls Regierungs- und Staatskanzleiferne.
Also: Ministerpräsidenten und Staatssekretäre haben in den Gremien nichts
verloren. Und sie dürfen nicht wie beim ZDF-Fernsehrat über die Auswahl der
Vertreter anderer gesellschaftlicher Gruppen in den Aufsichtsgremien
mitentscheiden. Die Parteien sind dagegen natürlich eine gesellschaftliche
Gruppe, und diese Gruppen sollen in den Gremien ja ausdrücklich vertreten
sein. Wenn das Verfassungsgericht da zu einem anderen Schluss kommen
sollte, halten wir aber natürlich nicht daran fest.
Ist der ZDF-Fernsehrat also ein realistisches Abbild der heutigen
Gesellschaft?
Nein, das ist sehr problematisch. Da sind die Vertriebenen und Opfer des
Stalinismus vertreten, aber kein einziger Migrantenverband. Mann muss
endlich neu darüber diskutieren, welche Gruppen und Verbände bei den
öffentlich-rechtlichen Sendern mitmachen dürfen und ihre Relevanz
überprüfen. Auch das gehört dazu, wenn die Rede davon ist, das ZDF modern
zu machen. Denn ZDF wie ARD gehören den Menschen, die sie nutzen und dafür
Gebühren bezahlen.
Nun ist beim ZDF vor Weihnachten schnell ein neuer Chefredakteur benannt
worden, seitdem ist dort Ruhe erste Bürgerpflicht - wo bleibt denn die
Diskussion?
Natürlich haben zur Weihnachtszeit bestimmte Themen Pause. Aber es bewegt
die Menschen weiter, es gibt mittlerweile sogar Tagungen zu dem Thema. Wenn
diese Debatte jetzt durch die Klage in Karlsruhe weiter befördert wird,
werden sich da auch noch andere gesellschaftliche Gruppen einschalten.
Für eine Klage in Karlsruhe brauchen Sie die Unterstützung von einem
Viertel der Bundestagsabgeordneten. Das heißt, Ihnen fehlen zwölf Stimmen
aus anderen Parteien, die gemeinsam mit Grünen und Linken mitziehen.
Wir sprechen vor allen Dingen mit der SPD und sind da auch ganz
zuversichtlich. Es gibt auch Signale aus Richtung FDP.
Aber der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD, auch
Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrats, hält derzeit still.
Das ist leider die Crux. Beck will die Klage nicht, weil er den Einfluss
der Landesregierungen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk erhalten will.
Seine Reformideen sind aber gegen die unionsregierten Länder wohl nicht
durchsetzbar. Für diesen Fall hat die SPD schon angekündigt, das Verfahren
beim Verfassungsgericht zu unterstützen. Da heißt es jetzt abwarten.
Wie aber geht es in den Gremien weiter: Dort haben fast alle ein Parteibuch
in der Tasche, auch wenn sie offiziell eine gesellschaftliche Organisation
wie das Rote Kreuz vertreten. Wie wollen Sie hinbekommen, dass das in
Zukunft keine Rolle mehr spielt? Ist der Politik denn so viel
Selbstentmachtung zuzutrauen?
Das ist eine gemeine Frage und schwer zu beantworten. Wir brauchen eine
viel größere Meinungsvielfalt in den Gremien. Beim öffentlich-rechtlichen
Rundfunk sind meistens zwei Freundeskreise üblich - einer konservativ, also
eher CDU-nah, der andere "rot" und damit SPD-nah. Denen muss man sich
zuordnen, wenn man überhaupt mitreden will. Und gerade das verhindert, dass
die Vertreter der gesellschaftlichen Gruppen unabhängig entscheiden können.
Die Gremien müssen endlich öffentlich tagen, weil das mehr Transparenz
schafft - und die Nibelungentreue zu Ministerpräsidenten und Parteifreunden
erschwert. Das gibt es schon bei ein paar ARD-Sendern, zum Beispiel dem
Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB).
Die ARD kommt in der Debatte überhaupt ziemlich gut weg. Ist dort in Sachen
Staatsferne also alles paletti?
Das ist von ARD-Anstalt zu ARD-Anstalt unterschiedlich. Wenn es demnächst
aber eine klare Position des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Frage
gibt, dürfte das außer auf das ZDF auch auf einige ARD-Sender Auswirkungen
haben. Und wenn das passiert, hat der Fall Brender wenigstens noch ein
gutes Ende gehabt.
3 Feb 2010
## AUTOREN
Steffen Grimbeg
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