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# taz.de -- die wahrheit: Der Grüezi-Krieg
> Die Eskalation im Steuerstreit ist erreicht: Die Schweiz erklärt der
> Bundesrepublik Deutschland den Krieg.
Bild: Der Einmarsch der Schweizer Truppen sollte schnell und ohne Gegenwehr erf…
Mittwoch, 3. Februar 2010, 4.30 Uhr. Als der BKA-Beamte Reiner Wehmeyer das
Klopfen an der Stahltür hörte, ahnte er noch nicht, dass er im Zentrum
eines historischen Ereignisses stand. Hier unten, zehn Meter unter dem
Berliner Tiergarten, hielt er Wache am Verbindungstunnel zwischen dem
Bundeskanzleramt und der Schweizer Botschaft, die als einzige diplomatische
Vertretung im Berliner Regierungsviertel angesiedelt war. Ursprünglich war
der Tunnel angelegt worden, damit sich die Kanzlerin im Notfall bei einem
Aufstand auf exterritoriales Gebiet flüchten konnte, um in der Schweizer
Botschaft Asyl zu beantragen.
Wehmeyer öffnete die stählerne Tür. Es war zwar früh am Morgen, aber er war
vorgewarnt, dass die Schweizer ihre jährliche Nachtübung abhalten wollten,
ob der Tunnel auch im Dunkeln frei zugänglich sei. Und nun waren sie da:
"Grüezi. Wir sinds, die Schweizer", rief der Anführer der 20-köpfigen
Spezialeinheit der Schweizer Armee, die den Sicherheitsbeamten
überwältigte. Später gab Wehmeyer die Worte zu Protokoll, so dass der erste
helvetische Angriffsfeldzug als "Der Grüezi-Krieg" in die Geschichtsbücher
eingehen sollte.
Etwa zur gleichen Zeit am Mittwochmorgen wurden Angela Merkel und ihr Mann
Joachim Sauer in ihrer Wohnung Am Kupfergraben von einem Schweizer
Sondereinsatzkommando überwältigt und ins Kanzleramt verbracht. Die
deutsche Machtzentrale war nun endgültig in Schweizer Hand, und auch die
übrigen Aktionen liefen planmäßig ab. So nahm die Schweizer Garde im
Vatikan vorsichtshalber den deutschen Papst Benedikt XVI. in "Schutzhaft",
bevor er sich zugunsten seiner Landsleute in den Konflikt einmischen
konnte.
Spätestens seit der Schweizer Verteidigungsminister Ueli Maurer am Rande
des Weltwirtschaftsforums in Davos die Deutschen gewarnt hatte, das heilige
Schweizer Bankgeheimnis durch den Ankauf von verbrecherisch erlangten Daten
zu verletzen, hätte das politische Berlin aufhorchen müssen. Doch der
Bundesnachrichtendienst in Pullach versagte wieder einmal und schlug
Warnungen über die sich anbahnenden Bedrohungen aus dem Süden in den Wind.
So blieb dem Geheimdienst auch verborgen, dass die Schweizer am 31. Januar
kurzfristig eine heimliche Volksabstimmung angesetzt hatten, in der die
Eidgenossen darüber entschieden, ob der historisch einmalige Ernstfall
eintreten sollte. Seit 163 Jahren hatte die Schweiz keinen Krieg mehr
geführt, doch nicht umsonst war die Schweizer Armee hochgerüstet. Jeder
wehrpflichtige Bürger hatte zu Hause sein Sturmgewehr, und das wollte er
nun einsetzen gegen den großen Nachbarn, der sich anschickte, den
Schweizern das zu nehmen, was ihnen das Liebste ist: Geld. Mit 98 Prozent
Ja-Stimmen war das Ergebnis der Volksabstimmung überwältigend. Am
Mittwochmittag um Punkt zwölf Uhr erklärte die Schweiz Deutschland
offiziell den Krieg.
Dass im Rahmen des Nato-Vertrags keiner der Verbündeten Deutschland
beistand, muss wohl dem Verhandlungsgeschick der Schweizer angerechnet
werden, die den übrigen Nationen vermutlich aus Furcht vor Überdehnung der
Front einen Zugriff auf die Daten ihrer Steuerflüchtlinge zusagten. Und
auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte vor dem UN-Sicherheitsrat,
der erstaunlicherweise in Genf tagte, die Schweizer Invasion nur
halbherzig.
Der Einmarsch der Schweizer Truppen sollte schnell und ohne Gegenwehr
erfolgen. Zuvor hatte die Schweizer Luftwaffe das Lagezentrum der
Bundeswehr in Potsdam mit einem gezielten Luftschlag außer Gefecht gesetzt.
Dabei kam es auch zu den einzigen militärischen Opfern - getötet wurden ein
Offizier vom Dienst und ausgerechnet der mittlerweile legendäre Oberst
Klein, der für das Desaster von Kundus verantwortlich war und nicht
schlafen konnte, weshalb er den OvD mit Kriegsanekdoten aus Afghanistan
langweilte.
Mit Schweizer Präzision besetzte die Armee von Süden her Stadt um Stadt.
Als in Frankfurt am Main das Hochhaus der Europäischen Zentralbank kampflos
erobert war, trat die Schweizer Bundespräsidentin Doris Leuthard vor die
Fernsehkameras und verkündete das Ende der Kampfhandlungen: "Eidgenossen,
Deutschland ist befreit!", erklärte Leuthard und kündigte die sofortige
Umsetzung Schweizer Steuerrechts auf dem Territorium der ehemaligen
Bundesrepublik Deutschland an, die künftig "Kanton Schwaben" heißen sollte.
Selbstverständlich würden nun bereits vorhandene Minarette geschleift,
sagte die Bundespräsidentin, die abschließend den unblutigen
Eroberungsfeldzug der Schweizer Armee in höchsten Tönen lobte.
Dass die Ereignisse doch nicht ganz gewaltlos abliefen, zeigt allerdings
der Fall des einzigen zivilen Opfers des Grüezi-Kriegs. Die Schweizer Armee
wollte unbedingt den ehemaligen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück
ergreifen, der als schärfster Kritiker aller Steueroasen den
deutsch-schweizerischen Streit losgetreten hatte. Als die Soldaten sein
Haus in Bonn-Bad Godesberg stürmten, konnte Steinbrück wieder einmal sein
loses Mundwerk nicht halten und beschimpfte die Eindringlinge als
"Alpendeppen". Ein Hauptmann, dem das zu viel wurde, stopfte dem
Sozialdemokraten mit den Worten "Salü, du Sack!" einen Riegel Toblerone aus
seinem Notproviant in den Schlund. Peer Steinbrück erstickte qualvoll an
dem Schweizer Süßwarenerzeugnis.
5 Feb 2010
## AUTOREN
Michael Ringel
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