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# taz.de -- die wahrheit: Die Körper der Anderen
> Die Fluggesellschaft Easyjet wirbt mit den Slogan: "Wir lieben Fliegen."
> …
… Das soll witzig sein, doppeldeutig gar, denn eine durch das Bild
surrende, überdimensionale Stubenfliege, nicht gerade der Sympathieträger
unter den Haustieren, unterstreicht diese Behauptung. Als kürzlich die
Megakatastrophe namens Winter über uns hereinbrach, ließ die Spitzenfirma
hunderte ihrer Kunden ohne Information und Verpflegung über Tage auf dem
Flughafen Berlin-Schönefeld schmoren. Die Presse wirkte nur mäßig empört.
Man kennt das doch von der Billig-Airline, deren Name den Billig-Kalauer
zum Billig-Tourismus lieferte: "Easyjetset".
Unvergesslich unser Kurztrip gen Italien im vergangenen Herbst: Easyjet
bringt es fertig, 150 eingecheckte Passagiere in einem Raum zu internieren,
gegen den das Besucherzimmer in einer Haftanstalt urgemütlich wirkt.
Sitzplätze und frische Luft gibt es keine, ebenso wenig wie die Auskunft,
warum es nicht losgeht. Und es geht nicht los …
Nach nur vierzig Minuten werden wir auf einen strammen Marsch über das
Rollfeld geschickt. Der platinblond gefärbte Steward empfängt uns an der
hinteren Gangway mit süßlichem Odeur und ebensolchem Grinsen. Ich stelle
fest, dass wir offenbar ein Flugzeug für Zwerge gebucht haben. Obwohl
normal gewachsen, habe ich ernste Schwierigkeiten, meine Knie unterhalb der
Kinnpartie unterzubringen. Irgendwann sind alle Passagiere in die Sitze
geschraubt und hoffen, dass es los- und dann schnell vorbeigehen möge. Wir
beugen uns im trüben Licht über unsere Zeitungen oder ersehnen etwas
Schlaf.
Nur haben wir die Rechnung ohne unseren Steward gemacht. "Dingedong", tönt
Blondis Stimme durchs Mikrofon: "Haben sie spröde Lippen, schuppige Haare,
faltige Haut?" Das Publikum wirkt irritiert. "Gut aussehen und sich gut
fühlen kann so einfach sein", jallert Bubi weiter. "Kaufen sie hier an Bord
exklusive Produkte für ihre persönliche Schönheit."
Und während ich noch nachdenke, ob es auch eine unpersönliche Schönheit
gibt, trötet es, nun eine Oktave höher: "Gerne nehmen wir ihre Kreditkarte.
Lassen sie es endlich mal wieder so richtig krachen!" Niemand der
Passagiere zeigt eine Reaktion. Vielleicht, weil "es krachen zu lassen" in
einem Flugzeug nicht die glücklichste Wortwahl ist?
Für einen Moment herrscht völlige Stille. Unser Steward schiebt
eingeschnappt sein Wägelchen vor sich her. Womöglich entschließt sich einer
der anwesenden Alkoholiker zu einer Rasierwasserprobe? Leider kann man das
Zeug nicht mehr wie früher aus der Flasche trinken. Dann gibt Pudellocke
alles: "Ihr Körper ist doch ihr Kapital!", mahnt er, als hätte er eine
Maschine voller Playboy-Häschen vor sich. "Es gibt nichts, was sich nicht
verbessern ließe!" Die Stille bekommt etwas Eisernes. Das Verkaufsgenie
gibt endlich auf.
Vermutlich wird dieser verdiente Mitarbeiter bald nicht mehr im Flugzeug
eingesetzt. Mit seinem unerbittlichen Blick, seiner gnadenlosen Penetranz
und seiner umfassenden Körperliebe winkt ihm am Nacktscanner eine große
Zukunft.
9 Feb 2010
## AUTOREN
Ulrike Stöhring
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