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# taz.de -- Elfenbeinküste: 429.030 Gründe für Wahlanfechtung
> Nach einem Streit zwischen Justiz und Wahlkommission drohen die ersten
> freien Wahlen wieder einmal zu scheitern. Im Westen des Landes werden
> aufgebrachte Bürger bereits gewalttätig.
Bild: Die Gefahr besteht, dass die Elfenbeinküste wieder im Bürgerkrieg versi…
BERLIN taz | Es geht um 70 CDs mit 429.030 Namen: Einwohner der
Elfenbeinküste, die sich für die kommenden Wahlen registrieren wollen. Darf
die Wahlkommission diese Namen, die weniger als sieben Prozent aller
Wahlberechtigten ausmachen, in die Wahlregister einschreiben? Dieser Streit
droht die ersten freien Wahlen in der Geschichte des Landes, die ein
Jahrzehnt von Bürgerkrieg und Spaltung beenden sollen, zu sprengen.
Umstritten ist, wie so oft, die Nationalität jenes Drittels der 18
Millionen Einwohner der Elfenbeinküste, deren Vorfahren aus anderen
westafrikanischen Ländern stammen. Restriktive Nationalitätengesetze
schlossen diese Menschen nach Ende des Einparteiensystems in den
1990er-Jahren von Wahlen aus. 2002 meuterte deswegen ein Teil des Militärs
gegen den sozialistischen Präsidenten Laurent Gbagbo, der nur dank des
Ausschlusses der Konkurrenz 2000 überhaupt zum Präsidenten gewählt worden
war. Die Meuterer brachten den Norden der Elfenbeinküste unter ihre
Kontrolle. 2007 machte ein Friedensabkommen ihren zivilen Führer Guillaume
Soro zum Premierminister. Er sollte die Nationalitätenfrage lösen und dann
Wahlen organisieren.
So weit die Theorie. In der Praxis ist es schwierig für einen nicht als
Ivorer anerkannten Einwohner der Elfenbeinküste, seine Staatsbürgerschaft
zu beweisen, wenn er keine Papiere hat und wenn ein Jahrzehnt des Krieges
Lücken in amtliche Einwohnerlisten gerissen hat. Fast drei Millionen
unklare Fälle musste die Wahlkommission bearbeiten. Als sie im November
2009 ihre Wählerlisten schloss, hatte sie 5.300.586 Wähler registriert,
dazu kamen 1.033.985, die zwar die Registrierung beantragt, aber noch nicht
ihre Staatsangehörigkeit nachgewiesen hatten. Zu diesem Zeitpunkt waren die
zuletzt für den 29. November 2009 angesetzten Wahlen ohnehin bereits wieder
abgesagt worden.
Präsident Laurent Gbagbo äußerte zunächst vollstes Verständnis für die
Probleme. Nicht einmal seine eigene Mutter habe es ins Wahlregister
geschafft, sagte er im Dezember. Bis Jahresende hatte die Wahlkommission
immerhin ein knappes Drittel der 1.033.985 fehlenden Namen in die Register
aufgenommen.
Dann griff die Wahlkommission zu einem Schnellverfahren: Die noch 429.030
der 1.033.985 strittigen Namen, die noch keinen persönlichen Antrag auf
Prüfung ihrer Situation gestellt hatten, sollten von der Wahlkommission
selbst geprüft und dann im Sammelverfahren ins Wahlregister eingetragen
werden. 70 Wahlkommissionstechniker, jeder mit einer CD mit einigen dieser
429.030 Namen, schwärmten landesweit in die Büros der Wahlkommission aus.
Das rief Gbagbos Hardliner auf den Plan, die fürchten müssen, dass sie die
Wahlen verlieren, wenn ihre Gegner alle mitwählen dürfen. Gestützt vom
Präsidenten selbst, warfen sie der Wahlkommission die "Fälschung" von
429.030 fiktiven Wählern vor. Letzte Woche gab Generalstaatsanwalt Diakité
Mamadou dem Protest statt und verfügte eine Überprüfung des gesamten
Wahlregisters.
Seitdem wachsen die Spannungen. Die zivile Opposition fürchtet den
Wahlausschluss ihrer Anhänger und hat die Order ausgegeben, "wahllose,
parteiliche und illegale Streichungen" aus dem Wahlregister zu verhindern.
In der westivorischen Stadt Man nahmen Demonstranten den Aufruf am letzten
Freitag beim Wort. Sie verjagten alle Sicherheitskräfte, besetzten das
Gerichtsgebäude und nahmen das Wahlregister mit.
Ein Funken reicht, und die Elfenbeinküste versinkt wieder im Bürgerkrieg.
Ein Großteil der früheren Rebellen und Gbagbo-treuen "patriotischen"
Milizen steht bis heute unter Waffen.
8 Feb 2010
## AUTOREN
Dominic Johnson
Dominic Johnson
## TAGS
Schwerpunkt Bürgerschaftswahl Bremen 2023
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