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# taz.de -- Galápagos: Arche Noah im Pazifik
> Mit dem Verhaltensforscher Professor Eibl-Eibesfeldt auf Darwins Spuren
Bild: Meerechse beim Sonnenbad auf der Insel Espanola, Galapagos
Ich möchte, dass du für ein Jahr ins Galápagos-Archipel reist, dort gibt es
viel zu erforschen, fahr mit dem Taucher Hans Hass. Mit deiner Frau habe
ich schon gesprochen, sie ist einverstanden." Einem so einmaligen Angebot
seines Doktorvaters Konrad Lorenz habe er nicht widerstehen können, obwohl
seine Frau damals mit ihrem ersten Kind schwanger gewesen sei, berichtet
der heute 81-jährige Eibl-Eibesfeldt uns 37 Kreuzfahrern. Genauso wenig
kann er widerstehen, wenn er heutzutage, fast 60 Jahre später, ein- bis
zweimal jährlich dazu eingeladen wird, als fachkundiger Begleiter kleine
Touristengruppen auf ihrer Reise zu den Galápagos-Inseln begleiten zu
dürfen. Denn Universalgelehrte wie er sind eine aussterbende Spezies.
Ein Segen, dass er 1953 lossegelte - für die Wissenschaft, für Galápagos
und nicht zuletzt für uns. Sein Wirken und seine bis heute wiederkehrende
Präsenz auf Galápagos hatten maßgeblichen Anteil an der Etablierung des
dortigen Nationalparks. Eibl-Eibesfeldt begegnet uns heute als ein
charismatischer Universalgelehrter zum Anfassen. Während seiner
allabendlichen Kurzvorträge gewinnt man Einblick in das Balzverhalten von
Meerechsen, die Entwicklung der verschiedenen Darwinfinken und das
Brutverhalten der heimischen Vögel. Das gleicht durchaus dem der Menschen.
Wenn auch seine Überzeugung, die Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung
der Tiere ließen sich auf Menschen übertragen, teilweise kritisiert wurden,
so sind seine Präsentationen und die vielen spontanen Einzelgespräche doch
ein Genuss für jeden Mitreisenden. Er steht in der Nachfolge jenes Charles
Darwin, der als studierter Theologe vor 150 Jahren mit seinem Buch "The
Origin of Species" den Grundstein der Evolutionstheorie legte, damit das
Selbstbild des Menschen als Gottes Meisterwerk zerstörte, aber dennoch den
Glauben an Gott als Kraft hinter dem evolutionären Regelwerk nie verlor.
Als "Vorgärten der Hölle" bezeichnete Darwin verständlicherweise dieses
fast nur aus schwarzem Lavagestein, sehr karger Vegetation und aus der
Vorzeit anmutender Tierwelt bestehende Archipel. Bereits 1838 entwarf
Darwin seine Theorie der Anpassung an den Lebensraum durch Variation und
natürliche Selektion und erklärte so die evolutive Entwicklung aller
Organismen.
Und diese einzigartige Anpassung sehen wir hier: flugunfähige Kormorane auf
Fernandina, die ihre Stummelflügel zum Trocknen ausbreiten. Warum fliegen,
wenn das Meer vor der Haustür vor Nahrung überquillt und man 40 m tief
tauchen kann? Die Schnauzen der Meerechsen, deren schwarze Körper sich kaum
vom Lavagestein abheben, sind mit Salz verkrustet. Da die Inseln arm an
Süßwasser sind, hat sich das Atemwegssystem dieser Echsen zu einer
Meerwasser-Entsalzungsanlage entwickelt. Regelmäßig prusten die Reptilien
gut hör- und sichtbar Salz hinaus.
Nach den Ehrfurcht einflößenden riesigen Landschildkröten auf Santa Cruz
benannten die spanischen Eroberer einst die ganze Inselgruppe. Ihr Panzer
ist vorne wie ein Sattel (span. galápagos) nach oben gebogen, um ihnen das
Fressen von Blättern höher gewachsener Sträucher zu ermöglichen. Viele
dieser Tiere hier sind endemisch. Die 1.000-km-Entfernung vom nächsten
Festland ermöglichte der Fauna und Flora auf den Galápagos-Inseln ihre
einzigartige Entwicklung.
"Ist diese Pflanze, ist dieses Tier hier endemisch?," ist während der Reise
eine immer wiederkehrende Frage an unsere Reiseleiter. Als wir sie
bezüglich eines großen Schwarms kleiner Fliegen an Eibl-Eibesfeldt stellen,
schaut er sich zunächst den Schwarm und ihre Flugformation genau an, zögert
dann aber nicht lange und fängt mit seinem Hut eine Fliege. Wir helfen ihm,
sie in einem vorsorglich im Rucksack mitgebrachten Glasgefäß zu verstauen,
weil er dieser Frage zu Hause nachgehen wird. Ein anderes Mal wird der
sonst so ruhige und Zufriedenheit ausstrahlende Forscher erstaunlich
ungemütlich: Zwei männliche Meeresechsen haben sich aus einiger Entfernung
wahrgenommen, ein Revierkampf steht offensichtlich kurz bevor. "Können wir
denn jetzt einmal ganz in Ruhe beobachten, wie sich diese Situation
aufbaut", wird einer unserer Mitreisenden von ihm plötzlich schroff
angefahren. Dieser hatte gerade gedankenverloren zwischen den Tieren
durchgehen wollen. Für uns ist es dadurch mit der Beobachtung leider
vorbei, wahrscheinlich wird der Kampf erst beginnen, wenn die lauten
Menschen wieder weg sind.
Kreuzfahrt im Rhythmus der Natur. Hier am Äquator geht um die Sonne um 6
Uhr auf, um 18 Uhr versinkt sie zumeist in Form eines spektakulären
Sonnenuntergangs. Wer eine Kreuzfahrt à la Clubschiff erwartet, wird
enttäuscht sein. Animateur ist auf Galápagos die Natur in ihrer unendlichen
Vielfalt. Nach dem Frühstück um 7 Uhr beginnt um 8 Uhr bereits der erste
Landgang. Vor dem Mittagessen darf noch geschnorchelt werden, bevor am
Nachmittag ein ähnliches Besichtigungsprogramm startet.
Nach Sundowner vor stiller Naturkulisse und den Vorträgen von
Eibl-Eibesfeldt lebt das Abendprogramm ohne Garderobenzwang vom geselligen
Austausch über Erlebtes oder am nächsten Tag zu Erwartendes. Ein
Aktivurlaub der besonderen Art, ein sehr intensives Naturerlebnis, das
lange nachwirken wird und bei den meisten Reisenden die Erkenntnis wecken
dürfte, dass auch wir Menschen nur ein Teil dieses fragilen, einzigartigen
Ganzen sind - und mit ihm untergehen, wenn wir es nicht bewahren.
11 Feb 2010
## AUTOREN
Uwe Junker
## TAGS
Reiseland Ecuador
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