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# taz.de -- Kino-Drama "Invictus": Weltmeisterliche Aussöhnung
> In seinem Rugby-Drama "Invictus" zeichnet Clint Eastwood als Regisseur
> ein Porträt Nelson Mandelas als Versöhner wie als Manipulator.
Bild: Wie blöde für den korrekten südafrikanischen Akzent gebüffelt: Morgan…
Die Geschichte ist so erstaunlich wie wahr. Das alles andere als hoch
gehandelte südafrikanische Rugby-Team gewann bald nach der
Wettbewerbs-Wiederzulassung nach dem Ende der Apartheid beinahe wundersam
die Weltmeisterschaft im eigenen Land. Im Finale besiegten die im Vorfeld
nicht gerade springlebendigen "Springboks" das weltbeste Team, die All
Blacks aus Neuseeland, das allerdings - vom Film verschwiegen - von einer
seltsamen Lebensmittelvergiftung geschwächt war. Dies trug sich zu im Jahr
1995, und Clint Eastwoods neuester Film "Invictus" erzählt vom Anteil, den
Nelson Mandela an diesem Triumph hatte. Und davon auch, im Gegenzug, wie
viel dieser Sieg zur Aussöhnung zwischen einstigen Unterdrückern und
Unterdrückten beitrug.
Nur Mandela, auch das stimmt, war es zu verdanken, dass das Rugby-Team
seinen Spitznamen Springboks behielt. Der ANC hatte die Umbenennung zu
"Protea" schon beschlossen, als Mandela intervenierte. Er hielt es für
einen riesigen Fehler, der weißen Minderheit im Land nach der Macht auch
noch die Symbole und Gegenstände der Identifikation zu rauben. Vielmehr
strebte er danach, das Nationalteam zum Symbol der Versöhnung zu machen,
auch für die zuvor an Rugby herzlich desinteressierten Schwarzen. Erwartbar
wie alles an "Invictus" ist das Resultat: Mandelas Plan ging wunderbar auf.
Eastwoods Film zeichnet den südafrikanischen Präsidenten als großen
Versöhner, aber auch als clever kalkulierenden Manipulator einer
gespaltenen Volksseele. Und er zeigt, vielleicht noch interessanter, dass
das eine zum anderen nicht im Widerspruch stehen muss. Zum Instrument
seiner Manipulation wählt Nelson Mandela den (natürlich) weißen Kapitän der
Rugby-Mannschaft François Pienaar, der dem von der eigenen Familie mit
Misstrauen oder gar Hass betrachteten Präsidenten buchstäblich und
metaphorisch die Hand reicht. Wenn beziehungsweise falls man darüber
hinwegkommt, dass Morgan Freeman und Matt Damon wie die Blöden für ihren
korrekten südafrikanischen Akzent gebüffelt haben müssen, kann das auch
härtere Zuschauerherzen durchaus erweichen.
Wie man überhaupt den ganzen Film mit gleich guten Gründen von zwei Seiten
betrachten kann. Der erbauliche, Mandela-fromme Grundzug der ganzen
Geschichte ist nicht zu leugnen. Nicht Analyse, Differenzierung, sondern
Komplexitätsreduktion und Schlichtheit zeichnen Eastwoods Film aus. Wer
mag, kann andererseits aber bewundern, wie wenig plump das Ergebnis dennoch
gerät. Am eindrücklichsten in der Schlusssequenz: Rund zwanzig Minuten lang
sieht man das große Rugby-Finale. Nicht das Spiel selbst jedoch
interessiert Eastwood in erster Linie daran. Eigenhändig näht er vielmehr
in Inszenierung und Schnitt wie mit Nadel und Faden die zerrissene Nation
wieder zusammen: Zugleich ganz konventionell und hinreißend flüssig
geschnitten ist die Montage aus Spielszenen und Impressionen von Mandela
sowie weißen und schwarzen und schwarz und weiß gemischten Zuschauer- und
Zuhörergruppen.
Es ist diese Form von Klassizismus, für die Eastwood geliebt wird - oder
auch nicht. Er ist nie raffiniert, immer direkt. Er spielt nicht an,
sondern spricht in Bild und Ton aus, was er meint. Manchmal auch
überdeutlich. Wenn er Herzen rühren will, rührt er sie mit klassischen
Hollywood-Mitteln. Im Manipulator Mandela porträtiert er, so gesehen, auch
sich selbst. Es gibt Formen der Verführung, wäre die These, mit denen man
die Verführten nicht von ihren Wünschen entfernt, sondern ihnen klarmachen
kann, dass sie das Gute in Wahrheit selbst wollen. Das ist die Form der
Manipulation, die "Inspiration" heißt. Wer darin nur Falschheit sieht, wird
"Invictus" nicht mögen.
17 Feb 2010
## AUTOREN
Ekkehard Knörer
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