# taz.de -- Jugendschutz im Netz: Internet-Zwangsfilter für Australien | |
> In Australien soll demnächst ein Zwangsfilter eingeführt werden, der | |
> Internet-Inhalte ohne Jugendschutzrating blocken soll. In Deutschland | |
> könnte bald ähnliches drohen. | |
Bild: Das Thema Jugendschutzfilter kommt in Deutschland mit der Novelle des Jug… | |
An der Aussage des australischen Ministers für Kommunikation und digitale | |
Wirtschaft war auf den ersten Blick erst einmal wenig zu kritisieren. | |
"Alles was im echten Leben, also in Büchern, auf DVDs oder am Kiosk | |
verboten ist, ist nun auch im Netz verboten", sagte Stephen Conroy, der | |
selbst persönlich laut eigenen Angaben im Internet bislang nur "geringe | |
Fußspuren" hinterlassen hat, kürzlich in einem viel beachteten | |
[1][Interview] mit einem heimischen Fernsehsender. | |
Das Problem dabei: Der neue Internet-Zwangsfilter, der in den nächsten | |
Monaten auf dem Subkontinent aktiviert werden soll, blockt im Sinne des | |
Jugendschutzes offiziell alles, was kein Jugendschutzrating erhält. Und das | |
ist in dem Land deutlich mehr als etwa Gewaltsex, Kinderpornografie oder | |
Sodomie. Potenziell betroffen wäre auch eine Seite, die sich mit illegaler | |
Graffiti beschäftigt oder mit der Selbsttötung von Schwerstkranken - | |
schließlich ist beides in Australien verboten. Selbst YouTube müsste | |
einzelne Videos blocken. Da setze er ganz auf die Mithilfe von Google, so | |
der Minister: Der Internet-Riese helfe ja auch der chinesischen Regierung | |
mit großen Blocklisten. | |
Conroy, wendet bei dem bereits seit mehreren Jahren heiß debattierten | |
Zwangsfilterprojekt eine interessante Strategie an: Die Regierung überlässt | |
die Auswahl der zu blockenden Seiten einer externen Ratinginstitution, die | |
formal unabhängig arbeitet. Einwände, das System sei Zensur, lässt er nicht | |
gelten - auch nicht die Tatsache, dass eine der frühen schwarzen Listen, | |
die im Internet aufgetaucht war, zahlreiche Fehler enthielt und unter | |
anderem die Website einer Einzelhandelsberatungsfirma blockierte, weil die | |
das "böse" Wort "Teens" in der Internet-Adresse hatte ("canteens.com.au"). | |
Selbst politikerkritische Angebote landeten auf dem Index. | |
Der Zensurstreit führte in den letzten Wochen zu einer Welle von | |
Hackerangriffen auf Websites der Regierung - die Netzgruppierung | |
"Anonymous", bekannt von ihren Aktionen gegen die Scientology-Sekte, führte | |
"virtuelle Demonstrationen" durch, indem sie die australischen | |
Staats-Angebote mit Anfragen überflutete. Auf Seiten der Internet-Industrie | |
wenden sich nun auch international bekannte Firmen gegen das Projekt, | |
dessen technische Umsetzung den australischen Providern obliegt. Von Google | |
hieß es, man werde nicht freiwillig mit den Zensoren zusammenarbeiten. Die | |
durch das Filtersystem geblockten Bereiche gingen weit über das hinaus, was | |
bei YouTube jetzt schon verboten sei und gefährdeten damit die Demokratie. | |
Der Filter sei "einfach zu breit angelegt", so der australische | |
Google-Cheflobbyist gegenüber der Tageszeitung Sydney Morning Herald. | |
Das Thema zwangsweise Jugendschutzfilter kommt unterdessen auch in | |
Deutschland wieder aufs Tablett. Hier steht demnächst die Novelle des | |
Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) an. In einem ersten Entwurf zur | |
geplanten Gesetzesnovelle finden sich laut dem Arbeitskreis Zensur, der zu | |
den Speerspitzen der Anti-"Zensursula"-Bewegung im vergangenen Jahr | |
gehörte, einige Klopfer. Diese gingen sogar über das inzwischen von allen | |
Parteien abgelehnte Internetsperren-Projekt von Ursula von der Leyen weit | |
hinaus, das Bundespräsident Horst Köhler überraschenderweise in dieser | |
Woche doch absegnete, aber gekippt werden soll. | |
Die verantwortliche Kommission für Jugendmedienschutz, ein Organ der | |
Landesmedienanstalten, sei "viel gefährlicher, als es Zensursula je war", | |
schreibt AK Zensur-Aktivist Alvar Freude. Vorgesehen ist unter anderem, | |
dass Internet-Seiten nach Altersgruppen klassifiziert werden müssen und | |
Internet-Provider für Inhalte ihrer Kunden erstmals mithaften. Noch ist | |
unklar, welche Chancen die Novellierung des JMStV in ihrer jetzigen Form | |
hat, müssten doch alle Bundesländer zustimmen - zudem stemmen sich auch | |
[2][diverse Netzfirmen] dagegen. Noch liegt der Entwurf aber [3][auf dem | |
Tisch]. | |
Gefiltert wird indes nicht nur von Staaten. Suchmaschinen gehen inzwischen | |
dazu über, standardmäßig so genannte Jugendschutzsettings zu aktivieren. | |
Das gilt etwa für Googles Bildersuche oder Yahoos iPhone-Suchmaschine. Der | |
große Unterschied: All diese Technologien lassen sich von Erwachsenen auch | |
wieder abschalten und sind nicht zwangsweise aktiv. | |
18 Feb 2010 | |
## LINKS | |
[1] http://www.youtube.com/watch?v=zv2Cr1h2KLQ | |
[2] http://blog.1und1.de/2010/01/22/das_ende_der_freien_kommunikation_im_intern… | |
[3] http://ak-zensur.de/ | |
## AUTOREN | |
Ben Schwan | |
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