# taz.de -- die wahrheit: Kaviar für Schütze Arsch | |
> Charme-Offensive in der Edelweiß-Kaserne. | |
Die jüngst publik gewordenen rekrutenverachtenden Aufnahme-Rituale in der | |
Mittenwalder Edelweiß-Kaserne haben dem Ansehen der Bundeswehr schweren | |
Schaden zugefügt. Schmutz und Schande, Hohn und Spott haben die perversen | |
Exzesse der tapferen Truppe eingetragen. | |
"Fassungslos und menschlich zutiefst enttäuscht" sei er gewesen, erklärt | |
Sepp Ganghuber, Kommandeur des hier stationierten Bataillons 313 der | |
Gebirgsjäger. Die Führung der Elite-Einheit sah sich deshalb gezwungen, | |
eine umfassende Charme-Offensive einzuläuten. Deshalb weht in Mittenwald | |
nun ein völlig neuer Wind. | |
Zünftig und gemütlich, so mag man es in der Edelweiß-Kaserne. An den Wänden | |
des Offizierscasinos hängen in Öl gemalte Alpenidyllen, da fehlt der | |
Sechzehnender vor blutrotem Sonnenuntergang ebenso wenig wie die brünstig | |
röhrende Sennerin. Rollmops mit Frischhefe fehlt mittlerweile völlig auf | |
der Speisekarte der militärgastronomischen Nachschubbasis. Stattdessen | |
kredenzt der Küchenbulle der urigen Barras-Residenz internationale | |
Feinschmecker-Spezialitäten der Extraklasse. | |
Neue Mitglieder der Truppe werden seit neuestem von den Dienstälteren von | |
früh bis spät bedient und dürfen sich nicht einmal mehr ein normales | |
Butterbrot schmieren. Ein 19-jähriger Rekrut aus Dinslaken beklagt sich: | |
"Den ganzen Tag bekommen wir nur die feinsten Leckerbissen - | |
Gänseleberpastete, Kaviar, kanadischen Wildlachs - es ist die Hölle." | |
Nur wer diese Sonderbehandlung über sich ergehen lässt, kann in der | |
internen Hierarchie aufsteigen und als vollwertiger Angehöriger der Truppe | |
gelten. "Gebirgsjäger sind nun mal ein ganz eigenes Völkchen", meint Sven | |
Hauser vom Soldatenschutzbund amnesty militaria. | |
Der Bundeswehr-Experte berichtet, dass bei dieser Elitetruppe | |
Aufnahmeprüfungen wie etwa das fachgerechte Zerteilen eines Hummers oder | |
das hauchdünne Aufschneiden des Rinds-Carpaccios mittlerweile recht häufig | |
vorkämen. "Wer da nicht mithalten kann, weil er das zu Hause nie gelernt | |
hat, der ist ganz schnell unten durch. Es ist einfach entwürdigend." | |
Allerdings, so Hauser, gebe es immer mehr junge Soldaten, denen die | |
Luxuskost nichts ausmache. | |
Der Garmischer Walter Grub, der selbst bei den Gebirgsjägern war, warnt vor | |
Verharmlosung. "Man muss sich schon fragen, in welchem Milieu solche | |
soldatenunwürdigen Entgleisungen gedeihen können. Bei der Bundeswehr, und | |
speziell beim Gebirgsjägerbataillon 313, fehlt es eindeutig an | |
Menschenführung, Psychologie und Pädagogik." | |
Gropp bezweifelt, dass die neue Linie der Mittenwalder den mündigen Bürger | |
in Uniform zu formen imstande sei. "Diese jungen Leute werden nur in ihrer | |
Verwöhnhaltung bestärkt. So kann man doch keine kämpfende Truppe führen." | |
Für Michael Bergmann, Professor für Neuere Kriegsgeschichte an der | |
Bundeswehr-Universität Neubiberg, beginnt das Problem schon bei der Auswahl | |
der Soldaten. "Wir beobachten bei den Gebirgsjägern einen signifikanten | |
Zugang von adeligen Rekruten, seit Karl-Theodor zu Guttenberg | |
Bundesverteidigungsminister ist. | |
Der Herr Baron leistete seinen Wehrdienst ja auch bei den Gebirgsjägern in | |
Mittenwald ab und ist für diese Gruppe ein großes Vorbild. Wenn nun aber | |
nur die feinen Herrschaften, die mit dem Silberlöffel im Mund zur Welt | |
gekommen sind und mit dem ganz normalen bürgerlichen Leben immer weniger zu | |
tun haben, in die Bundeswehr drängen, dann werden wir eine dramatische | |
Häufung solcher Initiations-Candlelight-Dinners haben." | |
Mathias Wurzelseder, ein 20-jähriger Gebirgsjäger aus Mittenwald, fasst die | |
Lage resigniert zusammen. "Viele von uns wollen mal wieder so richtig | |
saufen und einen draufmachen, so wie es beim Barras seit Menschengedenken | |
üblich war. Aber seitdem es hier wie im Fünf Sterne-Hotel zugeht, ist die | |
Stimmung in der Truppe auf dem Tiefpunkt. Die meisten wollen deshalb nur | |
noch raus hier. Am besten nach Afghanistan, an die Front." Am Hindukusch | |
soll es ja genügend Rollmöpse geben. | |
19 Feb 2010 | |
## AUTOREN | |
Rüdiger Kind | |
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