# taz.de -- Justiz: Berliner Lümmel vor Gericht | |
> In Kopenhagen laufen mehrere Verfahren gegen Deutsche, weil sie bei den | |
> Protesten gegen den Klimagipfel im vergangenen Dezember Straftaten vor | |
> allem gegen Polizisten begangen haben sollen. | |
Bild: Protestierende während des Klimagipfels im Dezember in Kopenhagen. | |
Die dänische Regierung glaubte sich gut vorbereitet: "Lümmelpaket" wurde | |
ihre Gesetzesinitiative genannt, mit der sie 2009 im Hinblick auf die | |
erwarteten Proteste gegen den UNO-Klimagipfel die Rechte der Polizei | |
ausweitete und einige Straftatbestände verschärfte. Am Mittwoch saßen nun | |
zwei Deutsche in Kopenhagen wegen damit zusammenhängender Gewaltdelikten | |
vor Gericht: Angriff auf Polizeibeamte beziehungsweise zweifache leichte | |
Körperverletzung ebenfalls an Polizisten. Die konkreten Vorwürfe zeigen, | |
dass die Angeklagten wenn überhaupt tatsächlich eher als "Lümmel" denn als | |
Gewalttäter bezeichnet werden können. | |
Da wäre zum einen der Berliner Christoph L. (siehe taz vom 15. 2.). Er war | |
angeklagt, in zwei Situationen Beamte getreten zu haben, als er mit | |
gefesselten Händen in einem Gefangenenbus saß, in den er im Zuge einer | |
präventiven Massengewahrsamnahme gekommen war. Die Tritte sollen gegen die | |
Oberschenkel gegangen sein, die Betroffenen - die einzigen Zeugen in dem | |
Verfahren - trugen nach eigenen Angaben keine Schmerzen davon. | |
Der Angeklagte stritt die Vorwürfe ab und legte zudem ein Dokument vor, das | |
ihm eine um 20 Prozent verminderte Erwerbsfähigkeit aufgrund einer Arthrose | |
und eines Kreuzbandrisses im rechten Knie bescheinigte. "Ich hätte den | |
Beamten gar nicht so stark treten können, dass er nach vorne fällt", so L. | |
in der Verhandlung. | |
Als Knackpunkt erwies sich laut seines Anwalts Aage Kramp, dass nur einer | |
der Polizisten angab, die gegen ihn gerichteten Tritte gesehen zu haben und | |
somit sicher sagen zu können, von wem sie stammten. So blieb das Gericht in | |
seiner Entscheidung unter dem von der Staatsanwaltschaft geforderten | |
Strafmaß von 50 Tagen Haft. L. erhielt stattdessen 30 Tage auf Bewährung | |
und muss die Prozesskosten tragen. Das beantragte sechsjährige | |
Einreiseverbot wurde ebenfalls abgelehnt. Der Berliner hatte zuvor die | |
Anklage als "Retourkutsche" interpretiert, da er angekündigt hatte, einen | |
Polizisten wegen dessen angeblich brutalen Vorgehens anzuzeigen. | |
Weniger dramatisch verlief der zweite Prozess. Johannes S. aus Frankfurt | |
wurde angeklagt, ebenfalls im Präventivgewahrsam "leichte Körperverletzung" | |
an zwei Polizisten begangen zu haben - und zwar durch nichts anderes als | |
einmaliges Wasserausspucken. Laut seinem Anwalt John Petersen ist das an | |
sich ein ganz normaler Fall, der regelmäßig mit einer 20-tägigen Haftstrafe | |
endet. | |
Zur Verteidigung führte er an, der Angeklagte habe vor der Gewahrsamnahme | |
Pfefferspray ins Gesicht bekommen, und als er das von einem der Beamten | |
gereichte Wasser trank, habe es eine schmerzhafte Reaktion im Mund gegeben, | |
weshalb er das Wasser reflexhaft ausgespuckt habe. Eine Mehrheit des | |
dreiköpfigen Schöffengerichts glaubte aber an Absicht und sprach den | |
Angeklagten schuldig. Es reduzierte jedoch das Strafmaß auf 14 Tage und | |
verrechnete die Strafe zudem mit den sechs Tagen, die er - wie auch der | |
Berliner L. - im Dezember in Untersuchungshaft gesessen hatte. Auch in | |
diesem Fall kam das beantragte Einreiseverbot nicht durch, das als | |
Grundlage eine "Gefahr für die dänische Gesellschaft" haben muss. | |
"Wasserspucken ist keine Gefahr für die Gesellschaft", so Anwalt Petersen | |
in seinem Abschlussplädoyer. | |
In beiden Fällen raten die Anwälte, die Schuldsprüche nicht anzufechten, da | |
in der nächsthöheren Instanz die Schöffen keine Mehrheit mehr haben. "Die | |
hauptamtlichen Richter vertrauen normalerweise voll und ganz der Polizei", | |
erklärt Kramp. "Es sind die Schöffen, die den gesunden Menschenverstand | |
vertreten und auf Unstimmigkeiten hinweisen." | |
In L.s Fall ist davon auszugehen, dass die Vorsitzende Richterin | |
tatsächlich überstimmt wurde. Das hatte es erwiesenermaßen bereits im | |
Januar gegeben, als eine Rostocker Hobbyjournalistin von dem Vorwurf | |
freigesprochen wurde, im Gehen einen Polizisten geschlagen zu haben. Ihre | |
Begleiterin wurde jedoch der "versuchten Gefangenenbefreiung" für schuldig | |
befunden, da sie die von hinten Überrumpelte kurz am Arm festhielt. Hier | |
steht nun die Berufungsverhandlung bevor. | |
Während die meisten der bisherigen Klimaprotestprozesse eher glimpflich | |
ausgingen und die erwähnten Fälle als aufgeblasene Bagatellen (wenn nicht | |
gar erlogen) erscheinen, stehen einige hoch gehängte Verfahren wegen | |
Verschwörungsbildung, Organisation von Straftaten und dergleichen noch an. | |
Derzeit steht erst mal ein weiterer deutscher "Lümmel" vor Gericht. Der | |
Hamburger soll vorgehabt haben, einen bei der Festnahme neben ihm liegenden | |
Stein zu werfen. | |
18 Feb 2010 | |
## AUTOREN | |
Ralf Hutter | |
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