# taz.de -- Debatte Weltklima: Miese Großwetterlage | |
> Die Klimaschützer sind seit Kopenhagen in die Defensive geraten. Ein Teil | |
> der Häme, die ihnen jetzt entgegen schlägt, ist durchaus verständlich. | |
Bild: Ein Demonstrant in Kopenhagen mit Klima-Rettungsring. | |
In dieser Woche hätten die Klimaschützer der Welt eigentlich einen Grund | |
zum Feiern gehabt. Vor 15 Jahren, am 16. Februar 2005, trat das | |
Kioto-Protokoll in Kraft, in dem sich die Unterzeichner völkerrechtlich | |
bindend zum Klimaschutz verpflichtet haben. Seitdem wurde viel erreicht. | |
Der Klimaschutz wurde zum Mainstream-Thema, seine Fürsprecher Al Gore und | |
der Klimarat IPCC wurden mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Auch | |
viele Unternehmen haben verstanden, dass sie besser mit ihm wirtschaften | |
als gegen ihn. Und gewiss hat auch die Sorge um das Weltklima dafür | |
gesorgt, dass die USA einen Präsidenten bekommen haben, der sich nicht nur | |
als Büttel der US-Ölindustrie versteht. | |
Doch die Party fiel aus, denn in dieser Woche prägten andere Schlagzeilen | |
die Berichterstattung: Der oberste UN-Klimadiplomat Yvo de Boer wirft nach | |
dem Scheitern des Gipfels von Kopenhagen das Handtuch und wechselt in die | |
Wirtschaft. Der UN-Weltklimarat übt sich noch immer in schlechtem | |
Krisenmanagement und muss sich von Klimaforschern Reformvorschläge gefallen | |
lassen, die im Prinzip auf seine Abschaffung oder Zerschlagung | |
hinauslaufen. | |
Auch dem Chef des wissenschaftlichen Weltklimarats (IPCC), Rajendra | |
Pajauri, wird von immer mehr Forschern der Rücktritt nahegelegt. Und dann | |
räumte der Klimaforscher Phil Jones, dessen E-Mails im November gehackt und | |
als Beleg für dubiose Machenschaften in den Reihen der IPCC-Wissenschaftler | |
benutzt wurden, Fehler bei der Sammlung seiner Daten ein, die ihm als Beleg | |
für die Erderwärmung dienten. | |
Es scheint, als habe der "Climategate" genannte E-Mail-Klau erste Kratzer | |
in den Lack der Klimaforschung geschlagen. Lange Zeit war jede Kritik an | |
ihr abgeperlt: Wer den Klimawandel leugnete, galt als dumm oder von der | |
Öllobby bezahlt. Doch der erste Zweifel, einmal gesät, ermutigte alle | |
Gegner, weiter am Lack zu kratzen. Und sie wurden fündig: Im IPCC-Bericht | |
wurde geschlampt. | |
Nicht dass die zentralen Aussagen der Berichte des Weltklimarats geändert | |
werden müssten. Aber darauf kommt es gar nicht an. Alle, die aus welchen | |
Gründen auch immer auf den IPCC und seinen Vorsitzenden Pachauri | |
eindreschen wollten, hatten jetzt Gelegenheit dazu. Ohnehin hat sich die | |
Großwetterlage geändert. Denn zwischen Climategate und der Debatte über die | |
Fehler des IPCC-Berichts ließen die Staatenlenker mal eben eine | |
Weltklimakonferenz vor die Wand fahren. Die Politik hat versagt, die | |
Wissenschaft anscheinend nicht sauber gearbeitet, und dann herrscht - | |
zumindest in Mitteleuropa - ja noch ein strenger Winter: Kein Argument ist | |
derzeit zu platt, um es nicht den Klimaschützern um die Ohren zu hauen. | |
Ein Teil der Häme und Leidenschaft, mit der gegenwärtig auf die | |
Klimaforscher und -schützer eingedroschen wird, ist durchaus | |
nachvollziehbar. Schließlich fordern sie den Menschen und Unternehmen seit | |
Jahren viel ab. Sie machen den Lebensstil der westlichen Welt für die | |
Misere verantwortlich und begründen dies schlüssig und manchmal allzu | |
moralisch. Da ist von Klimasünden die Rede, apokalyptische Szenarien werden | |
genüsslich ausgemalt, es wird zur Umkehr zu einem einfacheren Lebensstil | |
aufgerufen (inklusive Fleischverzicht) und ein System des Ablasshandels für | |
Vielflieger und Lohas eingerichtet. | |
Hoher moralisches Anspruch | |
Klimaschutz wurde für manche zum Religionsersatz, stiftete Gemeinschaft und | |
Sinn. Und wurde damit natürlich verdächtig für alle, die einem | |
wasserdichten und klar geordneten Weltbild mit hohen moralischen Ansprüchen | |
seit je misstrauen. Auch fühlen sich manche bedroht, die bei der | |
Neueinteilung der Welt in (für das Klima) "Gute" und "Schlechte" um ihre | |
gesellschaftliche Position und ihr Geschäftsmodell fürchten. Das alles | |
erzeugt Abwehr und Aggressionen, die nur darauf gewartet haben, sich | |
endlich einmal zu entladen. | |
Was bedeutet das für die Klimaschützer, die wieder in die Offensive kommen | |
wollen? Es ist Zeit für einen neuen klimapolitischen Realismus. | |
Der setzt nicht mehr auf die Vereinten Nationen und ein globales Abkommen. | |
Das wäre zwar wünschenswert, ist aber spätestens seit Kopenhagen und dem | |
Rücktritt de Boers in weite Ferne gerückt. Gleiches gilt für den globalen | |
Emissionshandel. Besser, als die ganze Welt zum Klimaschützer missionieren | |
zu wollen, ist es, die eigenen Überzeugungen konsequent umzusetzen. Wenn | |
Europa also meint, dass es 30 Prozent weniger Kohlendioxid ausstoßen kann, | |
dann soll Europa das gefälligst tun und nicht auf China und die USA warten. | |
Ob mit einem strengeren Emissionshandel oder gleich einer CO2-Steuer oder | |
einfach niedrigeren Grenzwerten, ist dabei zweitrangig. | |
Nachteile der Energiesparlampe | |
Das Problem der ungleichen Wettbewerbsbedingungen (Inder und Chinesen | |
werden so oder so noch lange billiger produzieren als wir) lässt sich durch | |
Klimazölle zumindest teilweise lösen. Und weil die Rohstoffpreise bald | |
wieder durch die Decke gehen werden, wird Klima- und damit Ressourcenschutz | |
vom vermeintlichen Wettbewerbsnachteil schnell zum Vorteil werden. | |
Aufgeklärter Klimaschutz belästigt den Verbraucher auch nicht mit Debatten | |
über die Vor- und Nachteile von Energiesparlampen oder A++-Kühlschränken. | |
Er sorgt einfach dafür, dass möglichst viel Ökostrom ins Netz kommt und | |
verteuert den klimaschädlichen Kohlestrom. Er ätzt nicht moralinsauer gegen | |
die, die gern mit dem Geländewagen durch die Stadt fahren. Er entwickelt | |
stattdessen die Ökosteuer so weiter, dass diese Leute entsprechend an den | |
Folgekosten beteiligt werden. | |
Ein aufgeklärter Klimaschutz, der sich natürlich auf eine ebenso | |
aufgeklärte und transparente Klimawissenschaft stützt, sollte | |
internationale Allianzen suchen mit all denen, die mitmachen wollen, sei es | |
bilateral, in der G 20 oder sonst wo. Wenn die USA eben zurzeit nur um ein | |
paar Prozent reduzieren wollen, ist das zwar wenig, aber besser als nichts. | |
Möglicherweise ist das berühmte 2-Grad-Ziel so nicht zu erreichen. Aber mit | |
einem klimapolitischen Mikadospiel, bei dem jeder darauf wartet, dass sich | |
der andere bewegt, auch nicht. | |
19 Feb 2010 | |
## AUTOREN | |
Stephan Kosch | |
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