Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ermittlungen in sozialen Netzwerken: Die Polizei, dein Facebook-Fre…
> Die Polizei entdeckt soziale Netzwerke: Plattformen wie Facebook seien
> "wahre Fundgruben", schreiben zwei Dozenten in einer
> Polizei-Fachzeitschrift – und geben Kollegen Tipps.
Bild: Verhaftungen dank Facebook und Co. sind längst keine graue Theorie mehr.
BERLIN taz | Giwar Hajabi ist offenbar untergetaucht. Der als Xatar bekannt
gewordene Gangster-Rapper wird beschuldigt, an einem millionenschweren
Überfall auf einen Goldtransporter beteiligt gewesen zu sein. Verhaften
oder verhören konnte ihn die Polizei bislang jedoch nicht, er war weder
zuhause noch bei Freunden auffindbar. Eine Zeitung will vor kurzem ein
Lebenszeichen von Xatar entdeckt haben: eine Statusmeldung bei Facebook.
Eine Spur, die nach Moskau führt - auch die Fahnder der zuständigen
Polizeidirektion Ludwigsburg.
Soziale Netzwerk wie Facebook, StudiVZ oder Wer-kennt-wen sind in den
vergangenen Jahren immer beliebter geworden. Dank persönlicher Profilseite,
Gästebuch, Fotogalerien und Nachrichtenversand erlauben sie, sich
unkompliziert mit Freunden und Bekannten zu vernetzten. Nach eigenen
Angaben sind bei Facebook weltweit rund 400 Millionen Nutzer aktiv, alleine
in Deutschland sollen es siebeneinhalb Millionen sein. Die zu Holtzbrinck
gehörende VZ-Gruppe geht von insgesamt mehr als 16 Millionen Nutzern bei
StudiVZ, MeinVZ und SchülerVZ aus.
Mittlerweile widmen sich auch deutsche Ermittler systematisch diesem
Phänomen. Denn zu "allgemeinen Ermittlungs- und Fahndungszwecken" seien die
viel genutzten Plattformen "wahre Fundgruben", schreiben zum Beispiel die
rheinland-pfälzischen Polizei-Dozenten Axel Henrichs und Jörg Wilhelm in
der Ausgabe 01/2010 der Fachzeitschrift "Kriminalistik". Hauptvorteil: "Die
virtuellen Persönlichkeiten sind einer statistischen Auswertbarkeit
zugänglich."
Der Artikel der beiden Experten liest sich regelrecht wie eine
Gebrauchsanweisung. Sie weisen ihre Kollegen etwa darauf hin, dass eine
Profilseite Hinweise auf Hobbys und Vorlieben, etwa für Waffen, liefern
könne. Auch das Sammeln von Fotos oder Videos als Beweismittel oder zur
Personenidentifizierung wird vorgeschlagen. Daneben könnten Angaben zu
geplanten Konzert- oder Partybesuchen etwa zu "präventionspolizeilichen
Maßnahmen" genutzt werden. Also, um solche Vorhaben zu verhindern.
Verhaftungen dank StudiVZ und Co. sind längst keine graue Theorie mehr. Im
Herbst fischten zum Beispiel amerikanische Ermittler einen 26-Jährigen aus
dem Facebook-Netz, der mehrere Banken um insgesamt 200.000 Dollar betrogen
haben soll. Auf der Flucht vor der US-Justiz hatte er sich nach Mexiko
abgesetzt, allerdings per Statusmeldungen seine Lebensumstände im Badeort
Cancun kundgetan: "Es ist wie das Leben im Paradies." Dass er diese
Meldungen nur seinen "Freunden" zugänglich gemacht hatte, nützte ihm
nichts: Einer davon war ein früherer Mitarbeiter der US-Justizbehörden -
und verpfiff ihn.
"Es gibt keinen Grund, warum Ermittler nicht aus dieser Quelle schöpfen
sollten", sagte Interpol-Generalsekretär vor eineinhalb Jahren einer
südafrikanischen Zeitung. Auch die höchsten deutschen Richter sehen
grundsätzlich keine Bedenken, wenn Polizeibeamte in anmeldepflichtigen
sozialen Netzwerken ermitteln: In seinem Urteil zur so genannten
Online-Durchsuchung befand das Bundesverfassungsgericht, dass nur explizit
geschützte Daten nicht einfach so durchsucht und gesammelt werden dürfen.
Also etwa, wenn nur Freunde Statusmeldungen, Gästebucheinträgen oder Fotos
einsehen dürfen. Ansonsten haben die Fahnder freie Fahrt.
Trotzdem ist auch diese Art von Privatsphäre trügerisch. "Nachrichten
innerhalb von sozialen Netzwerken zum Beispiel sind rechtlich schlechter
geschützt als etwa Emails oder Telefonanrufe", sagt Matthias Bäcker, Dozent
für öffentliches Recht an der Uni Mannheim. Denn Emails und Telefonate
unterliegen dem Telekommunikationsgesetz, also dem Fernmeldegeheimnis.
Soziale Netzwerke dagegen werden als Internetseiten eingestuft und fallen
unter das Telemediengesetz, das weniger Schutz der Privatsphäre bietet.
Einen polizeilichen Zugriff auf solche Daten hält Bäcker in der Praxis für
leicht durchsetzbar.
Pikant dabei: Immer wieder werden Betreiber von sozialen Netzwerken für
fragwürdigen Umgang mit Nutzerdaten kritisiert. Ende 2009 etwa wollte sich
Facebook mit Änderungen der allgemeinen Geschäftsbedingungen unbegrenzte
Rechte selbst an gelöschten Daten sichern. Deutsche Datenschützer wie der
schleswig-holsteinische Landesdatenschutzbeauftragte Thilo Weichert gehen
sogar davon aus, dass viele Regelungen des amerikanischen
Facebook-Betreibers nicht europäischen Bestimmungen entsprechen. Neuerdings
ist dort beispielsweise das Profilbild grundsätzlich öffentlich, und auch
Nutzer mit verwechselbaren Namen sollen eindeutig identifizierbar sein.
Aus Sicht der Polizei-Dozenten Henrichs und Wilhelm handelt es sich dennoch
um anzapfbare "Datenbestände": Sie empfehlen deren Abgleich mit den
Datenbanken von Polizei, Kraftfahrtamt und Einwohnermeldeamt. Auf diese
Weise könne man nicht nur Aufenthaltsorte oder Alibis von Verdächtigen
überpüfen, sondern auch benutzte Kraftfahrzeuge sowie berufliche und
private Kontakte feststellen. Obendrein seien gesammelte Informationen
benutzbar, um Vernehmungen und Undercover-Einsätze umfassend vorzubereiten.
Auch im Fall des Rappers und mutmaßĺichen Goldräubers Xatar ermittelt die
Polizei bei Facebook & Co. Es wäre äußerst unüblich, wenn die Fahnder
solchen Hinweisen nicht nachgehen würden, teilte die Polizeidirektion
Ludwigsburg mit. Bislang war die Suche nach Xatar und drei weiteren
Verdächtigen nicht erfolgreich. Doch man ermittle weiter in alle
Richtungen, so eine Sprecherin: "Da gehören solche Dinge wie
Facebook-Einträge natürlich auch dazu."
22 Feb 2010
## AUTOREN
Thomas Schmid
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.