# taz.de -- Erwarteter Käßmann-Nachfolger: Der Mann im Schatten | |
> Nach dem Rücktritt Margot Käßmanns als EKD-Vorsitzende steht ein | |
> Nachfolger schon bereit. Doch ihr Stellvertreter Nikolaus Schneider | |
> dürfte ein Mann des Übergangs bleiben. | |
Bild: Mehr als ein Übergangskandidat wird er wohl nicht sein: Nikolaus Schneid… | |
Schon am Dienstag morgen die Gerüchte in Kirchenkreisen: Margot Käßmann, | |
die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), wolle | |
wegen ihrer Alkoholfahrt in Hannover zurücktreten. Dann am Nachmittag die | |
Entwarnung: Nein, sie habe sich, auch von anderen Oberen ihrer Kirche, | |
überzeugen lassen, es nicht zu tun. | |
Dann das Votum des EKD-Rates, einstimmig oder einmütig am Dienstagabend | |
eingeholt per Telefonkonferenz: Wir stehen hinter dir. Auf der ganz | |
regulären Ratssitzung Ende dieser Woche sollte lediglich noch einmal | |
darüber geredet werden, der Verbleib im Amt festgezurrt und sauber | |
begründet werden. | |
Aber ein Satz in der EKD-Presseerklärung zu dem Fall ließ dann doch | |
aufhorchen. Da stand: "In ungeteiltem Vertrauen überlässt der Rat seiner | |
Vorsitzenden die Entscheidung über den Weg, der dann gemeinsam | |
eingeschlagen werden soll." | |
Man wollte ihr die Entscheidung überlassen. Und die hat die 51-jährige | |
Bischöfin der Hannoverschen Landeskirche, der größten Deutschlands, nun | |
getroffen - ein Rücktritt von beiden Ämtern, obwohl dies, abgesehen von | |
ganz wenigen Stimmen am äußersten rechten Rand des deutschen | |
Protestantismus, niemand gefordert hatte, auch die meisten Medien blieben | |
sehr zurückhaltend. | |
Hört man sich in der EKD um, ist fast überall nur Entsetzen, Bedauern und | |
Unverständnis zu hören: Ist das wirklich nötig? Noch am Mittwoch sprang ihr | |
der Generalsekretär des Zentralkomitees der Katholiken, Stefan Vesper bei. | |
Umsonst. | |
Nun herrscht eine kurze Zeit der Schockstarre - doch der Apparat der EKD, | |
verantwortlich für 25 Millionen Protestanten in der Bundesrepublik, blickt | |
schon nach vorn. Als Nachfolger, mindestens bis zur regulären Synode der | |
EKD im Herbst, ist nur Nikolaus Schneider im Gespräch. Der Präses, also der | |
Bischof, der Evangelischen Kirche im Rheinland ist ihr Vize im | |
EKD-Ratsvorsitz. | |
Der 62-Jährige, geboren in Duisburg, kommt aus einer klassischen | |
Arbeiterfamilie, sein Vater war Stahlarbeiter. Ordiniert 1976, machte er | |
Karriere in der Kirchenhierarchie; im Jahr 2003 wurde er zum Nachfolger von | |
Manfred Kock als Präses der Rheinischen Landeskirche gewählt, immerhin: | |
Kock war auch schon mal EKD-Ratsvorsitzender - auch er ein bodenständiger, | |
jovialer Typ wie Schneider. | |
Aufsehen erregte Schneider durch viele gute Predigten, etwa beim | |
Evangelischen Kirchentag in Köln, den seine Landeskirche gut managte. Immer | |
wieder machte er auch publizistisch von sich reden. Mit seiner Frau hat er | |
ein Buch geschrieben über den Krebstod seiner jüngsten Tochter Meike - auch | |
auf der Synode der EKD im Oktober vergangenen Jahr, als Käßmann gewählt | |
wurde, erwähnte er diesen Schicksalsschlag. | |
Kirchenpolitisch gehört Nikolaus Schneider zum Mainstream seiner Kirche. | |
Aufhorchen ließen seine Stellungnahmen zu einer theologischen Debatte, die | |
vergangenes Jahr lief. Es ging um die Frage, ob Gott für die Sünden der | |
Menschen gestorben sei, wie die Theologen es früher gern sagten. Dazu | |
erklärte Schneider: "Gott braucht kein Sühneopfer, denn er muss nicht | |
besänftigt werden." Dafür wurde er von Konservativen angegriffen. | |
Schneider ist standhaft geblieben. Er wird nicht so schillernd wie Käßmann | |
agieren, das ist zu erwarten. Mehr als ein Übergangskandidat wird Schneider | |
wohl nicht sein. Er wird im Schatten Käßmanns stehen. | |
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, | |
bedauerte Käßmanns Rücktritt. "In meinen Gebeten denke ich an sie", sagte | |
er und betonte, Käßmann habe sich "bedrängt" gefühlt. | |
24 Feb 2010 | |
## AUTOREN | |
Philipp Gessler | |
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