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# taz.de -- Argentinische Militärdiktatur: Mordprozess nach 30 Jahren
> In Buneos Aires steht ein ehemaliger Lagerkommandant vor Gericht. Die
> Bundesrepublik klagt mit. Unter den Opfern ist auch die 1977 ermordete
> Elisabeth Käsemann.
Bild: Steht bereits unter Hausarrest: der frühere Junta-Chef Jorge Rafael Vide…
Über 30 Jahre später kommt Deutschland seiner Fürsorgepflicht gegenüber
einer von der argentinischen Militärdiktatur ermordeten deutschen
Staatsangehörigen nach. Heute beginnt in Buenos Aires der Prozess wegen
Menschenrechtsverbrechen gegen acht ehemalige Militärangehörige, die
während der letzten Militärdiktatur 1976 bis 1983 in dem geheimen
Gefangenenlager "El Vesubio" tätig waren. Festgehalten wurde dort auch die
am 24. Mai 1977 ermordete Elisabeth Käsemann.
Unter den Angeklagten ist der heute über 70-jährige frühere Lagerkommandant
Pedro Durán Sáenz. Den Beschuldigten wird mehrfacher Mord und gewaltsame
Entführung in über 100 Fällen vorgeworfen, darunter auch der Mord an der
30-jährigen Deutschen Elisabeth Käsemann. Gegen Pedro Durán Sáenz tritt die
Bundesrepublik Deutschland als Nebenklägerin auf. Die deutschen Behörden
machen damit von einer Besonderheit des argentinischen Rechtssystems
Gebrauch, die Staaten als Nebenkläger zulässt.
Elisabeth Käsemann war nach ihrem Studium nach Argentinien gegangen und
hatte sich dort in den linken Bewegungen engagiert. Nach dem Militärputsch
1976 schloss sie sich dem Widerstand an und ging in den Untergrund. Am 8.
oder 9. März 1977 wurde sie gemeinsam mit einer Kampfgefährtin in Buenos
Aires verhaftet und zunächst in das Lager "Campo Palermo", später nach "El
Vesubio" gebracht. Nach wochenlanger Folterhaft wurde sie am 24. Mai 1977
in dem Lager von den Militärs ermordet.
Die argentinische Regierung behauptete, in der Nähe der Ortschaft Monte
Grande, wo Käsemann und weitere 15 Personen tot aufgefunden worden waren,
habe ein Feuergefecht zwischen Militärs und Guerilla stattgefunden. Dies
wurde wegen eines Fußballspieles zwischen Argentinien und Deutschland
jedoch erst am 6. Juni 1977 offiziell bekannt gegeben.
Spätere gerichtsmedizinische Untersuchungen in Deutschland belegten, dass
Elisabeth Käsemann mit Schüssen aus unmittelbarer Nähe in den Nacken und
Rücken ermordet worden war. Ihre Familie, vor allem ihr Vater, der Tübinger
Theologieprofessor Ernst Käsemann, hatten sich vergeblich bei der damaligen
Bundesregierung um ein größeres Engagement für Elisabeth Käsemann
eingesetzt.
Um den Leichnam zu bekommen, musste die Familie schließlich 22.000 Dollar
an die Militärs zahlen. Elisabeth Käsemann wurde im Juni 1977 in Tübingen
beigesetzt. Die Tübinger Staatsanwaltschaft stellte ein damals
eingeleitetes Strafverfahren 1980 ohne nennenswerte Ermittlungen ein.
Der Mord an Elisabeth Käsemann hatte in Deutschland heftige Kritik
ausgelöst. Der deutschen Botschaft in Buenos Aires, dem Auswärtigen Amt
unter dem damaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher und der
sozialliberalen Regierung von Helmut Schmidt insgesamt wurde vorgeworfen,
nicht alles getan zu haben, um das Leben von Elisabeth Käsemann zu retten.
Dass die Möglichkeit bestand, beweisen die Fälle einer französischen und
einer US-amerikanischen Staatsbürgerin: Die beiden jungen Frauen kamen auf
das Betreiben ihrer Botschaften wieder frei.
In einem späteren Verfahren gegen den früheren Junta-Chef Jorge Rafael
Videla soll der Mord an Elisabeth Käsemann ebenfalls verhandelt werden.
Auch gegen den heute 84-jährigen unter Hausarrest stehenden Videla wird die
Bundesrepublik als Nebenklägerin auftreten. Die deutschen
Auslieferungsanträge für Sáenz und Videla waren von Argentinien mit dem
Hinweis auf die eingeleiteten Verfahren abgelehnt worden.
Diese wurden möglich, nachdem im August 2003 das Parlament die
Amnestieregelungen aufgehoben hatte, die auf Druck der Militärs 1986 und
1987 beschlossen wurden und ihnen weitgehende Straflosigkeit für den
staatlichen Terror garantierten. Der Oberste Gerichtshof hatte die
Annullierung der Amnestiegesetze im Juni 2005 bestätigt.
Der Berliner Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck, Sprecher der deutschen Koalition
gegen Straflosigkeit, begrüßte gegenüber der taz, dass sich "die
Bundesrepublik Deutschland als bisher einziges europäisches Land einem
derartigen Verfahren als Nebenklägerin angeschlossen hat und mit einem
eigenen Rechtsanwalt in dem Verfahren vertreten ist".
Allerdings solle man, so Kaleck, den mangelnden Einsatz der damaligen
Regierung Schmidt/Genscher ebenso wenig vergessen wie die Einstellung des
Verfahrens durch die Tübinger Justiz im Jahre 1980. Der Regierung Schmidt
wurde vorgeworfen, sich nicht für Käsemann eingesetzt zu haben
26 Feb 2010
## AUTOREN
Jürgen Vogt
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