Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Henri-Nannen-Preis: Die Herren der Listen
> Der Henri-Nannen-Preis ist auf dem besten Wege, sich selbst lächerlich zu
> machen. Mit fadenscheinigen Begründungen reichten Jury-Mitglieder
> Beiträge aus den eigenen Blättern nach.
Bild: Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo reichte einen Beitrag nach.
Der Henri-Nannen-Preis gehört unstrittig zu den wichtigsten deutschen
Journalistenpreisen, beschert den PreisträgerInnen Renommee und den
ausgezeichneten Titeln und ihren Verlagen Prestige. Also will ihn jeder
haben.
Besonders umkämpft sind auch 2010 wieder die "Königsdisziplinen" Reportage
und Investigative Recherche. Und wie schon 2009 wird bei letzterer
Kategorie kräftig gemauschelt. Da nominieren prominente Jury-Mitglieder,
die im Nebenberuf Chefredakteure sind, flugs ein paar Artikel aus dem
eigenen Stall nach – so geschehen bei Georg Mascolo (Spiegel, 2 Beiträge)
und Giovanni di Lorenzo (Zeit, 1 Beitrag).
So etwas tritt zwar die Kompetenz der so genannten Vorjury mit Füßen, die
die eigentliche Arbeit verrichtet und aus Hunderten eingereichter Artikel
die Shortlist destilliert. Ist aber laut Preis-Satzung wohl noch okay, wenn
auch schlechter Stil.
Doch jetzt hat am Montag die Vorjury Investigation ihrerseits eine
merkwürdige Volte vollzogen: Sie bittet, "nun doch den Beitrag" von Jan
Meyer und Julian Reichelt "Die Wahrheit über den Luft-Angriff in
Afghanistan" aus der Bild-Zeitung vom 26. November 2009 "zu
berücksichtigen", schrieb Jury-Sekretär Peter Sandmeyer per Rundmail an
alle Mitglieder der Hauptjury sowie an alle Vorjuroren. Es geht um den
Feldjäger-Bericht nach dem Bomber-Einsatz auf die nahe Kundus gekaperten
Tanklaster, mit dem das Blatt groß aufgemachte.
Hatte die Vorjury Investigation – Kuno Haberbusch (NDR), Karl-Günther Barth
(Hamburger Abendblatt) und Michael Seufert (ehem. Stern) nicht eben diesen
Beitrag vor gut zwei Wochen bei einer gemeinsamen Sitzung engagiert
abmoderiert, weil keine überzeugende eigene Rechercheleistung zu erkennen
sei, wie Teilnehmer berichten? Und hatte es nicht schon bei einem ganz
anderen Medienpreis, den Journalisten des Jahres vom Medium-Magazin eine
kleine Kontroverse in genau der Sache gegeben?
Dort hatte Mitte Januar die Süddeutsche Zeitung für ihre
Kundus-Berichterstattung und die Aufdeckung, dass nicht die Tanklaster,
sondern die ranghohen Taliban das Ziel der Operation waren, einen Preis
bekommen. Bild war ausdrücklich leer ausgegangen, was Bild-Chefredakteur
Kai Diekmann mit Hohn und Spott quittierte.
Doch nun steht der Bild-Beitrag auf der so von zunächst sechs auf üppige
zehn Einträge angewachsene Shortlist, aus der die Jury am Mittwoch die drei
Nominierungen herausfischt. Begründung, laut Sandmeyer-Mail: Die
Bild-Autoren hätten bei der Einreichung im so genannten Making-Of, das die
Entstehung des Beitrags dokumentiert, zunächst nur sehr allgemeine Angaben
gemacht, so dass die Vorjury die Recherche-Leistung nicht habe erkennen
können. Nun sei aber ein „umfassendes Making-Of nachgereicht“ worden, dass
umfängliche Recherchen auch vor Ort in Afghanistan beschreibe.
Nachrecherche nennt man das wohl.
Doch Fragen bleiben. Klären lässt sich das Ganze wohl erst bei der
endgültigen Preisentscheidung Anfang Mai.
Warum man nicht einfach wie bei Spiegel und Zeit den Beitrag einfach per
Ordre de Mufti nachnominiert hat, kann indes einfach beantwortet werden: In
der Henri-Nannen-Jury sitzen zwar so illustre Persönlichkeiten wie der nach
eigenen Angaben von der Süddeutschen Zeitung verfolgte Helmut Markwort
(Focus) – aber dummerweise niemand von Springer.
2 Mar 2010
## AUTOREN
Steffen Grimberg
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.