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# taz.de -- Referendum über Pleite-Entschädigungen: Isländer wollen nicht b�…
> Vier Milliarden Euro wollte Islands Regierung an Großbritannien und die
> Niederlande zahlen - wegen der Pleite einer Bank. Die Isländer lehnten
> den Plan jetzt mit großer Mehrheit ab.
Bild: Am Tag der Abstimmung: Teilnehmer des Protests gegen die Entschädigungsz…
STOCKHOLM taz | "Icesave my ass!" Olaf Ragnarson hatte sich vorsichtshalber
noch ein Plakat umgehängt, um keinen Zweifel darüber aufkommen zu lassen,
wie er beim Referendum abstimmen würde. So wie er demonstrierten am Samstag
93 Prozent der Isländer, dass ihnen das eigene Hinterteil am nächsten ist.
Und lehnten in einer Volksabstimmung das vom Parlament bereits
verabschiedete Gesetz ab, mit dem sich Island verpflichten wollte, vier
Milliarden Euro an die Staatskassen Großbritanniens und der Niederlande zu
zahlen.
Es geht um die Schulden, die die isländische Privatbank Landsbanki bei
ihren Auslandsgeschäften in diesen Ländern aufgehäuft hatte, als sie im
Herbst 2008 durch eine Verstaatlichung gerettet werden musste. 343.000
britische und holländische Anleger hatte die Landsbanki-Internettochter
Icesave mit rekordhohen Zinssätzen angelockt, ihr ihr Geld anzuvertrauen.
Als sich ihre Guthaben in Luft auflösten, wurden die Sparer von ihren
Regierungen im Rahmen der dortigen Einlagegarantiegesetze kompensiert.
Dieses Geld wollen Großbritannien und die Niederlande zurück.
Vier Milliarden Euro entsprechen beinahe der Hälfte des isländischen
Bruttosozialprodukts. Und das ist nur eine weitere Last, welche auf die
isländische Bevölkerung zukommt - zusätzlich zu den Schulden der anderen
Banken und der Rückzahlung der von EU und Internationalem Währungsfonds
gewährten Kredite, die das Land vor eineinhalb Jahren vor einem
Staatsbankrott gerettet hatten.
Die Regierung, die die einstigen Staatsbanken an politische Gefolgsleute
verhökert hatte, fegten die Isländer schon vor einem Jahr weg. Mit ihrer
"Kochtopfrevolution": wochenlangen Massendemonstrationen, rythmischem
Kochtopfschlagen und einer Dauerbelagerung des Parlaments. Der daraufhin
neu gewählten rot-rot-grünen Regierung blieb die Aufgabe der
Schuldenverhandlungen mit Den Haag und London. Und sie ließ sich dabei auf
viel zu große Zugeständnisse ein, lautet die Kritik nicht nur der
politischen Opposition, sondern auch aus den eigenen Reihen.
Ungeklärt ist schon die Frage, ob es für die britischen und holländischen
Forderungen überhaupt eine rechtliche Grundlage gibt. Allenfalls
60-prozentige Erfolgsaussichten für den Fall einer Klage vor einem
internationalen Gericht räumt Michael Waibel vom Zentrum für
internationales Recht an der Londoner Universität Cambridge den Forderungen
ein. Eine Regelung gibt es weder im nationalen noch im EU-Recht - das über
das EWR-Abkommen für das zum europäischen Wirtschaftsraum gehörende
Efta-Land Island gilt.
Eine moralische Verpflichtung für die Übernahme eines "fairen Anteils" an
diesen Schulden bejahen laut Umfragen immerhin 80 Prozent der Isländer. Für
nicht fair halten sie jedenfalls die Wucherzinsen von 5,5 Prozent und eine
von der Wirtschaftsleistung unabhängige Ratenregelung, wie sie die
britische und niederländische Regierung durchdrücken wollten.
"Wer soll für Icesave zahlen? Bist es du?", fragte auf T-Shirts und
Plakaten die InDefence-Bewegung, die mit einer Unterschriftensammlung die
jetzige Volksabstimmung ausgelöst hatte. Und diese Frage ist mit dem
Referendum nicht beantwortet. Es werde nun weiterverhandelt werden,
kündigte die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Jóhanna Sigurdardóttir
an. Ob daraus in den kommenden Monaten viel wird, ist fraglich. Sowohl in
den Niederlanden als auch in Großbritannien stehen Neuwahlen an. Vor allem
der britische Premier Gordon Brown hat großes innenpolitisches Prestige in
eine harte Haltung gegenüber Island gesetzt und gilt als Hindernis für eine
Kompromisslösung.
Dabei hatte das isländische Parlament im vergangenen Sommer ein Gesetz zur
Icesave-Schuldenrückzahlung verabschiedet, das Staatspräsident Grimsson
auch ordnungsgemäß in Kraft gesetzt hatte. Darin erklärt sich Island zu
einem von der Entwicklung des Wirtschaftswachstums abhängigen
Abzahlungstakt bereit, möchte aber als Schlussdatum das Jahr 2024
festgeschrieben haben. Sogar 5,55 Prozent Zinsen werden angeboten. Doch
dieses Angebot haben London und Den Haag als unzureichend abgelehnt.
7 Mar 2010
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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