# taz.de -- Montagsinterview Bankchefin Jacqueline Tag: "Frauen müssen ihre Be… | |
> Sie hat sich nie als "besserer Mann" durchsetzen wollen, sondern als Frau | |
> - und sie hat es geschafft: Jacqueline Tag führt die Investitionsbank des | |
> Landes Brandenburg. | |
Bild: "Wer Karriere macht, muss mit Konkurrenz und Widerständen rechnen, das i… | |
taz: Frau Tag, Sie sind im Vorstand einer der 100 größten Banken | |
Deutschlands, und Sie sind eine Frau. Was machen Sie besser als andere | |
Frauen? | |
Jacqueline Tag: Ich bringe eine gesunde Portion Ehrgeiz mit und sicherlich | |
auch ein ausgeprägtes Leistungsverhalten. Ich persönlich stelle an mich und | |
andere einen hohen Anspruch und lege Wert auf einen fairen und offenen | |
Umgang. Und ich hatte sicherlich das Glück, in meiner Laufbahn auf | |
Vorgesetzte zu stoßen, die diese Eigenschaften geschätzt und mir dadurch | |
hohes Vertrauen entgegengebracht haben, wodurch ich mich entwickeln konnte. | |
Dieser Ehrgeiz ist Ihnen anzumerken. Sie vermitteln den Eindruck, dass bei | |
Ihnen Leistung zählt. Vermissen Sie dieses Durchsetzungsvermögen bei | |
anderen Frauen? | |
Nein. Ich denke, wir haben sehr viele qualifizierte Frauen in | |
unterschiedlichen Bereichen, die alle leistungsbereit sind. Vielleicht | |
müssen sich Frauen noch offensiver um Führungspositionen bewerben, auch | |
darum kämpfen. Und sie müssen sich besser selbst vermarkten. Männer sind | |
ausgesprochen konkurrenzorientiert. Wenn es Erfolge zu vermelden gibt, | |
werden diese auch vermeldet. Frauen sind wesentlich bescheidener, aber | |
leider ist dies keine Managertugend. | |
Wie vermarkten sich Männer? | |
Männer sprechen, egal ob sie sich zum Essen treffen oder bei Fachmeetings, | |
über ihre Vorhaben und Erfolge. Sie verkaufen auch Lösungen als Erfolge, | |
die Frauen als selbstverständlich ansehen. Letztere würden eher sagen: Ich | |
habe hier eine Lösung gefunden, gehen wir zur nächsten Thematik. | |
Das müsste doch jeden Chef und jede Chefin freuen - eine effiziente | |
Mitarbeiterin, die sich nicht auf Teilerfolgen ausruht. | |
Das kann sein. Aber Selbstmarketing heißt auch, ich mache auf mich und | |
meine Leistungen aufmerksam. Wenn ich alles nur im stillen Kämmerlein tue, | |
bekommt keiner davon etwas mit. | |
Haben Sie als Vorstand und Frau eine Chance, an diesem Verhalten etwas zu | |
ändern? | |
Wenn ein Mitarbeiter, egal ob Mann oder Frau, eine gute Leistung zeigt, ist | |
es ganz selbstverständlich, dass ich diese würdige. Es geht aber mehr | |
darum, dass der oder die Einzelne seinen beziehungsweise ihren Einsatz | |
kommuniziert, damit die Kollegen und die Führungskräfte auf diese besondere | |
Leistung aufmerksam gemacht werden. | |
Wie wichtig sind Netzwerke? | |
Sie sind generell sehr wichtig, weil dabei Kontakte geknüpft werden. Es ist | |
richtig, dass Netzwerke bei Männern Normalität sind, sie sind gewachsen. | |
Frauen haben Nachholbedarf, wobei weibliche und männliche Netzwerke aus | |
meiner Erfahrung anders funktionieren. Ich würde Frauen empfehlen, sich | |
stärker in Netzwerken zu engagieren - sie können Türen öffnen. | |
Kommen Frauen in traditionelle informelle Netzwerke überhaupt hinein? | |
Es kommt immer auf die Branche und das Unternehmen an. Geschlossene | |
Männernetzwerke funktionieren anders, als es viele Frauen gewohnt sind. Da | |
spielen oft auch Themen eine Rolle, für die Frauen unter Umständen keine | |
Leidenschaft entwickeln könnten. | |
Zum Beispiel? | |
Man tauscht sich über Erfolge aus oder über Hobbys und Sportarten, man will | |
ein Gemeinschaftsgefühl erzeugen. Da fühlen sich Frauen unter Umständen | |
nicht besonders wohl. Ich möchte Frauen auch nicht empfehlen, unbedingt die | |
besseren Männer werden zu wollen. Das wäre der falsche Weg. | |
Ich muss nicht die Bundesliga-Tabelle im Kopf haben, um mich behaupten zu | |
können? | |
Nein. | |
Sollten Frauen bei solchen Gesprächen sagen: Das interessiert mich nicht? | |
Nein, aber ich könnte etwa ein anderes Thema anschneiden, was für meinen | |
Gesprächspartner genauso interessant ist wie zum Beispiel Fußball. | |
Sie hatten ja selbst eine Art Mentorin für Ihren Berufsstart. | |
Das stimmt. Ich bin damals kurz vor Abschluss meines Studiums von einer | |
Frau angesprochen worden, die mich aufgrund ihrer Persönlichkeit und ihrer | |
Fachkompetenz sehr beeindruckt hat, das war die damalige Präsidentin der | |
Bankenaufsicht. Sie hat mich für eine Tätigkeit bei der Bankenaufsicht | |
angeworben. Ich habe an dieser Tätigkeit sehr viel Spaß gehabt. Ich fand es | |
faszinierend, Anfang der 80er-Jahre in so einer männerdominierten Behörde | |
zu arbeiten, die von einer derartig toughen Frau geführt wurde - und dass | |
diese Frau absolut akzeptiert wurde. | |
Was zeichnete diese Frau aus? | |
Sie hat Punkte sehr offen angesprochen, ist direkt auf Leute zugegangen, | |
sie war aber auch eine absolut harte Verhandlungspartnerin. Das heißt, die | |
Männer, mit denen sie ja meistens in Verhandlungen stand, wussten, dass sie | |
im Bedarfsfall kompromisslos agieren konnte. Aber sie hat auch immer die | |
Möglichkeit gesucht, eine tragfähige Lösung zu finden. | |
Sie erwecken den Eindruck, als hätten Sie diese Eigenschaften übernommen - | |
fair, aber hart. Ideal, um sich im Konkurrenzkampf einer männerdominierten | |
Branche durchzusetzen. Wie ging es denn für Sie weiter? | |
Mitte der 80er-Jahre bin ich ins Bundesfinanzministerium gewechselt und | |
hatte dort sehr spannende und anspruchsvolle Aufgaben zu bewältigen, wie | |
zum Beispiel Privatisierung von Kreditinstituten oder die Mitarbeit am | |
Einigungsvertrag. Mit der Wende bin ich angesprochen worden, ob ich als | |
Aufbauhelferin im Land Brandenburg zur Verfügung stehen würde. | |
Hatten Sie im damaligen Westdeutschland das Gefühl, dass Sie wegen Ihres | |
Geschlechts anders behandelt werden? | |
Ich hatte nie das Gefühl, dass ich anders behandelt werde. Wer Karriere | |
macht, muss mit Konkurrenz und Widerständen rechnen, das ist völlig normal. | |
Ich hatte ganz zu Beginn meiner beruflichen Karriere einmal ein nettes | |
Erlebnis gehabt: Als junge Frau von Mitte 20 sollte ich als Vertreterin der | |
Bankenaufsicht an einer Aufsichtsratssitzung einer Bank teilnehmen. Als ich | |
mich angemeldet hatte, waren die Herren der Auffassung, ich wolle | |
sicherlich zu dem parallel laufenden Damenprogramm. | |
Wie haben Sie reagiert? | |
Ich war zunächst konsterniert, dann aber eher amüsiert als wütend. Das | |
Missverständnis war den Herren sehr peinlich. Mir ist seinerzeit klar | |
geworden, wie weit unsere Gesellschaft von einer Gleichberechtigung in der | |
beruflichen Sphäre noch entfernt war. Und allzu viel hat sich leider noch | |
nicht geändert. | |
Erstaunlich professionell, wo Sie doch damals erst am Anfang Ihrer Laufbahn | |
standen! Sie hätten ja auch emotional reagieren können. Die Männerwelt | |
haben Sie mit Ihrem Verhalten sicher beeindruckt. | |
Interessanterweise ist meine Karriere sowohl von Frauen als auch von | |
Männern gefördert worden. Ich glaube auch, dass der Mentalitätswandel in | |
Sachen beruflicher Gleichberechtigung schneller voranschreiten wird. Die | |
jungen Frauen von heute haben ein anderes Selbstverständnis; sie tragen | |
dieses Selbstverständnis in ihre Familie hinein. | |
Das heißt, erfolgreiche Väter müssen akzeptieren, dass Frauen ein anderes | |
Karriereverständnis haben? | |
Väter lernen innerhalb der Familie, auf welche Probleme Frauen noch heute | |
stoßen. Ich denke, das bewirkt einen Umdenkprozess, der Erfolg haben wird. | |
Aber wenn Kinder da sind, ist es in der Regel die Frau, die Teilzeit | |
arbeitet. | |
Das ist richtig. Es entspricht noch oft dem traditionellen | |
Rollenverständnis. Aber es ist heute schon möglich, Familie und Karriere | |
unter einen Hut zu bringen. Natürlich muss man Kompromisse eingehen. Ich | |
weiß, wovon ich rede - ich habe selbst Familie und eine Tochter im | |
Teenageralter. Ich sehe sehr genau, dass es eines gewissen | |
Organisationstalents bedarf, alles unter einen Hut zu bringen. Diese | |
Mehrfachbelastung haben meistens die Frauen - auch Frauen in | |
Führungspositionen legen das Frausein nicht ab, haben am Familienleben | |
teil. Sie haben aber zunehmend emanzipierte Männer, die ein berufliches | |
Fortkommen von Frauen unterstützen. | |
Wie halten Sie es in Ihrem Unternehmen mit der Frauenförderung? | |
Wir haben einen Frauenanteil von mehr als zwei Dritteln. Das ist an und für | |
sich im Bankenwesen nichts Ungewöhnliches. Worauf wir aber stolz sind, ist, | |
dass 50 Prozent unserer Führungskräfte weiblich sind, bis hin in den | |
Vorstand. | |
Ging das einfach so? | |
Bei uns haben sich die Frauen wirklich über ihre Qualifikation | |
durchgesetzt; wir haben keine spezielle Frauenförderung betrieben. Aber die | |
Bank gibt es ja auch erst seit 1992, und einer der wesentlichen Gründe für | |
die hohe Frauenquote ist sicherlich, dass das Unternehmen aus dem Stand | |
aufgebaut wurde und jeder die Chance hatte, sich entsprechend seiner | |
Leistung einzubringen. | |
Bei anderen Banken gibt es doch auch qualifizierte Frauen! | |
Deren Qualifikation wird sicher auch erkannt. Aber ältere Unternehmen haben | |
andere Hierarchien und ein wesentlich ausgeprägteres Konkurrenzverhalten. | |
Wir gehen hier sehr fair miteinander um. Bei uns zählt die Leistung und | |
nicht das Geschlecht. | |
Wie äußert sich das? | |
Ich merke das in Konfliktsituationen, bei fachlichen Fragen: Die Lösung | |
steht im Vordergrund, nicht Grabenkämpfe. Und wenn das bei einem | |
Mitarbeiter einmal nicht so ist, wird das in einem Gespräch thematisiert. | |
Kennen Sie alle persönlich? | |
Wir haben etwa 500 Mitarbeiter. Ich muss gestehen, ich kenne nicht alle | |
persönlich. | |
Persönliche Kontakte? | |
Meine Tür steht offen. Grundsätzlich. Ich trenne aber Berufsleben und | |
Privatleben. Ich bin auch kein Freund vom Duzen. Das ist nicht mein Stil. | |
Wie hat denn in Ihrem Privatleben der Abgleich von Karriere und Familie | |
geklappt? | |
Für meinen Mann und mich war es selbstverständlich, dass wir versuchen, uns | |
bei der Betreuung des Kindes abzuwechseln. Natürlich waren wir darauf | |
angewiesen, dass wir eine gute externe Betreuung hatten. Aber es gab bei | |
uns nie die Diskussion, dass ich als Frau zurückzustecken hätte, weil wir | |
ein Kind bekommen. Und als ich beruflich weiter Karriere gemacht habe, war | |
mein Mann durchaus bereit, mich zu unterstützen und im familiären Bereich | |
zu entlasten. | |
War das für Sie normal? | |
Ja. Die Rollentradition, wonach die Frau zu Hause bleibt und der Mann das | |
Geld verdient, hat sich überlebt. Mein Mann teilt diese zeitgemäße | |
Denkweise. | |
Wo liegt der Reiz, 60 Stunden pro Woche zu arbeiten? | |
Meine Tätigkeit ist herausfordernd und sehr interessant, ich empfinde sie | |
nicht als belastend. Ich kann mich mit meinen Aufgaben identifizieren, | |
Ziele vorgeben, wichtige Entwicklungen anstoßen und strategische | |
Entscheidungen treffen. | |
Wie sieht das Ihre Tochter? | |
Meine Tochter weiß, dass mein Arbeitstag lang ist, und sie nimmt wahr, dass | |
ich eine Tätigkeit ausübe, die noch nicht die Normalität für Frauen | |
darstellt. Das ist ihr durchaus bewusst. Sie weiß aber auch, dass die | |
verbleibende Zeit der Familie gehört. | |
Würden Sie eine Quote befürworten, wenn diese Ihrer Tochter | |
gleichberechtigte Karrierechancen öffnet? | |
Wir leben in einer Gesellschaft, in der Frauen die gleichen beruflichen | |
Aufstiegschancen haben müssten wie Männer. Und wenn dies nicht als | |
selbstverständlich angesehen wird, müssen gegebenenfalls Maßnahmen | |
ergriffen werden, um dieses Grundrecht durchzusetzen. Ich bin keine | |
Verfechterin einer Quote. Aber wenn es trotz Lippenbekenntnissen und | |
Selbstverpflichtungen in der Wirtschaft keine Fortschritte bei der | |
Besetzung von Führungspositionen mit Frauen gibt, ist es meiner Meinung | |
nach durchaus legitim, dass Quoten eingeführt und durchgesetzt werden. | |
7 Mar 2010 | |
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