# taz.de -- Ausstellung über Behindertensport: Anlauf nehmen für die Paralymp… | |
> Keiner der 20 deutschen Athleten bei den Spielen in Vancouver kommt aus | |
> Berlin. Doch Interesse an Wintersport besteht auch hier, wie eine | |
> Ausstellung zeigt. | |
Bild: Einbeiniger Skifahrer bei den Paralympics 2010 in Vancouver | |
Das Gebäude fällt auf. Die Hauptstadtrepräsentanz der Medizintechnikfirma | |
Otto Bock hat ihren Platz gegenüber dem Potsdamer Platz gefunden. Und wer | |
in die dritte Etage geht, der hat von hier einen schönen Blick bis zum | |
Reichstag. Doch jetzt, zu den 10. Winter-Paralympics in Vancouver, sollen | |
die Besucher möglichst lange im Erdgeschoss verweilen. Hier ist die | |
Sonderausstellung "Entdecke, was uns bewegt" untergebracht. "Sie möchte | |
Einblicke in die Geschichte der Paralympischen Spiele geben", erklärt | |
Alexandra Grossmann, wissenschaftliche Koordinatorin des Hauses. | |
Das Berliner Unternehmen Otto Bock, weltweit bekannt für seine Prothesen, | |
ist eng mit der Historie dieses Sportereignisses verbunden. Auf einem der | |
sechs Themensegel, die die Ausstellung im Foyer zieren, erklärt der | |
unterschenkelamputierte Topathlet Heinrich Popow: "Durch den Sport fühle | |
ich mich auch in meinem Alltagsleben nicht behindert." Dass er den | |
Hochleistungssport so erfolgreich ausüben kann, hat etwas mit seiner | |
Hightech-Karbonprothese zu tun. Dass die aus dem Haus des 1919 in in | |
Kreuzberg gegründeten Unternehmens Otto Bock stammt, bedarf kaum der | |
Erwähnung. | |
Gleich links neben dem Eingang steht ein riesiger Flachbildschirm. Davor | |
sind weiße Sitzwürfel positioniert. Zeitversetzt lassen sich hier die | |
Sportwettkämpfe aus Vancouver anschauen. Mehr als 98.000 Besucher hat das | |
im Juni 2009 eröffnete und einer Muskelfaser nachempfundene Gebäude als | |
Gäste empfangen, "und gerade die Ausstellung über die Paralympics kommt | |
sehr gut an", freut sich Alexandra Grossmann. | |
Die Technikleistungsshow des Sports wurde am 1. März eröffnet und ist noch | |
bis Monatsende zu sehen. Das Zentrum bildet ein Sledge-Schlitten. Den | |
braucht man, um die Sportart Sledge-Hockey auszuüben, eine spektakuläre | |
Form des Eishockeys, nur im Sitzen eben. "Viele Spanier und Italiener | |
besuchen unsere Ausstellung, aber auch Berliner Bürger" haben die | |
Organisatoren ausgemacht. | |
Doch warum fehlt gerade der Berliner Behindertensportverband in dieser | |
Ausstellung? "Wir hatten großes Interesse gehabt und unsere Hilfe | |
angeboten. Aber wir wurden nicht gefragt und auch nicht zur Eröffnung | |
eingeladen", erklärt Klaas Brose, Geschäftsführer des Berliner | |
Behindertensportverbandes. "Es wäre doch sinnvoll, wenn wir gerade an einem | |
solchen Ort vertreten wären. Dann könnten wir den Besuchern sofort sagen, | |
wo sie die hier präsentierten Sportarten ausüben können", so der | |
Sportfunktionär. Alexandra Grossmann räumt ein, "dass unser Unternehmen im | |
Vorfeld der Ausstellung nicht mit dem Berliner Behindertensportverband | |
geredet hat". Dafür aber mit dem Deutschen Behindertensportverband. Der | |
jedoch habe sich nicht so eng an das Unternehmen binden wollen, erklärt | |
Grossmann. | |
Klaas Brose vom Behindertensportverband Berlin ärgert sich über die | |
verpasste Chance. "Wir wollen doch weg von dem Image eines | |
Sommersportverbandes", sagt der Geschäftsführer. Von den 20 in Vancouver | |
vertretenen deutschen Sportlern stammt kein einziger aus Berlin. 176 | |
Behindertensportvereine gibt es in der Stadt, in denen rund 23.000 Menschen | |
Sport treiben. Doch wer Wintersport ausüben will, der muss weit reisen | |
"Wenn wir mal eine Anfrage haben, vermitteln wir die gern weiter. Nach | |
Bayern oder nach Thüringen", erklärt Brose. | |
Jetzt möchte der Berliner Behindertensportverband zwei Wintersportarten | |
etablieren. Dass alpiner und nordischer Skisport in dieser Stadt keine | |
Chance haben, "liegt in der Natur der Sache", schätzt Brose die klimatische | |
wie topografische Lage Berlins wohl richtig ein. Curling und Sledge-Hockey | |
jedoch könnten passen. Dafür benötigt man nur eine Eishalle. | |
Für Sledge-Hockey jedoch sind die Anforderungen an die Sportstätte | |
komplexer als man denkt. Am Beispiel der am Glockenturm neben dem Berliner | |
Olympiastadion geplanten Eissporthalle erläutert das Brose recht | |
anschaulich: "Für die Planer gilt die Halle als barrierefrei. Acht | |
Zuschauerplätze für Rollstuhlfahrer werden da gern als Beweis aufgeführt. | |
Das ist natürlich viel zu wenig", so Brose. Denn wer Seldege-Hockey spielt | |
und auf dem Schlitten sitzt, der springt nicht mal eben über die Bande auf | |
das spiegelglatte Spielfeld. "Die Spieler brauchen behindertengerechte | |
Zuwege, um mit ihrem Sitzschlitten auf und vom Eis zu kommen." | |
Zudem sitzen die Athleten nicht auf einer Bank, sondern "drei Etagen | |
tiefer", wie er es ausdrückt. Deshalb müsse die Bande transparent sein, | |
weil die Spieler sonst nichts sehen, so Brose. Diese besonderen | |
Baumaßnahmen kosten zusätzliches Geld, und Brose ist skeptisch, "ob bei der | |
derzeitigen Rotstiftpolitik des Senats dafür Mittel bereitgestellt werden". | |
Seinen Optimismus will er sich dennoch nicht nehmen lassen, und er ist sich | |
ganz sicher: "Bei den Winter-Paralympics 2018 werden erstmalig Berliner | |
Sportler an den Start gehen". | |
15 Mar 2010 | |
## AUTOREN | |
Torsten Haselbauer | |
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