Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Blinde Wintersportlerin Bentele: Königin der Nische
> Die blinde Verena Bentele sammelt auch in Vancouver eifrig Goldmedaillen.
> Die streitbare Athletin ist zur Botschafterin der deutschen
> Behindertensportler gereift.
Bild: "Stehauf-Weiblein": Verena Bentele.
Wer sich dem Arbeitsfeld von Verena Bentele nähert, käme nie auf die Idee,
sie als Amateurin zu bezeichnen. Auf ihrer Internetseite stellt sie sich
als Athletin vor, aber auch als Unternehmerin. Unter der Rubrik Seminare
teilt sie mit: "Als erfolgreiche Profi-Sportlerin kenne ich die Tipps und
Tricks zur Selbstmotivation und Motivation anderer. Diese Erfahrungen gebe
ich seit mehreren Jahren an Unternehmen und Einrichtungen weiter." Die
Wintersportlerin Bentele blickt über ihre Loipe hinaus. Auf Athleten wie
Bentele ist der Deutsche Behindertensportverband (DBS) besonders stolz.
Der DBS ist nicht verwöhnt mit Botschaftern, die gehört werden, nicht
einmal während der Paralympischen Winterspiele. "Verena Bentele ist durch
ihren Erfolg und durch ihre Einstellung ein großes Vorbild für junge
Athleten, aber auch für Menschen außerhalb des Sports", sagt Karl Quade,
Chef de Mission des deutschen Teams. Die vollkommen blinde Bentele vom PSV
München siegte am Montagabend im Langlauf über fünfzehn Kilometer im freien
Stil. Es war ihre zweites Gold in Kanada, nachdem sie am Samstag im
Biathlon das Verfolgungsrennen gewonnen hatte. Die 28-Jährige hat nun neun
Wettbewerbe bei Paralympics gewonnen. In der Sportbewegung einer Minderheit
genügen diese Erfolge für ein paar Schlagzeilen. Acht Sponsoren, wie sie
Bentele auf ihrem Portal angibt, lassen sich damit jedoch nicht dauerhaft
bezirzen.
Es muss mehr dahinter stecken, dass Verena Bentele zur bekanntesten
deutschen Behindertensportlerin der Wintersparte geworden ist, zur Königin
einer Nische. Da ist zum Beispiel die Geschichte ihrer Rückkehr: Anfang
2009 stürzte sie im Training einen Abhang hinunter. Ihr Begleitläufer, der
wenige Meter voraus läuft und Kommandos vorgibt, schickte sie in die
falsche Richtung. Bentele zog sich einen Kreuzbandriss zu, erlitt innere
Verletzungen, eine Niere ist funktionsunfähig. Ihre Karriere stand auf dem
Spiel.
Doch wenn es eine Eigenschaft gibt, die Verena Bentele transportieren
möchte, dann ist es ihre Beharrlichkeit. Sie bezeichnet sich als
"Stehauf-Weiblein". Wieder einmal begab sie sich auf die Suche nach einem
Begleitläufer, in Thomas Friedrich fand sie einen idealen Partner. Sie
trainierten hart, spielten sich ein. Er half ihr, die Angst zu überwinden,
gemeinsam gewannen sie den Weltcup in Langlauf und Biathlon, gemeinsam
wurden sie in Whistler gefeiert. Ein Symbol, das dem DBS in seiner
Lobbyarbeit gefallen dürfte: Nichtbehinderte und Behinderte leisten Großes.
"Sie ist offen und diskutiert auf angenehme Art", sagt Karl Quade.
"Persönlichkeiten wie sie wachsen in eine Vorbildrolle hinein."
Bentele hat Tiefen erlebt, die ihre Höhen interessanter erscheinen lassen.
Sie weiß, wie sie sich beim Verband Gehör verschafft, notfalls mit Kritik
an Strukturen. In Whistler hinterfragte sie die Prämienverteilung der
Deutschen Sporthilfe. 4.500 Euro erhalten deutsche Sieger bei den
Paralympics, olympische Goldmedaillen wurden mit 15.000 Euro entlohnt.
Bentele kennt den richtigen Zeitpunkt, um offensiv zu werden: "Wir wollen
gleich behandelt werden, ebenso wie alle behinderten Menschen in der
Gesellschaft."
Bentele studiert Literaturwissenschaft in München, ihre Magisterarbeit
thematisiert "Die Gestaltung von Büchern in Hörbuchfassung". Sie kann sich
ausdrücken, als Berufswunsch hat sie einmal angegeben, Rhetorikkurse für
Leistungssportler halten zu wollen. Es ist ein Angriff auf die Inflation
der Floskeln und keine Überraschung, dass das Internationale Paralympische
Komitee (IPC) sie als eine ihrer Botschafterinnen gekürt hat. Ob sie ihre
Laufbahn ohne Begleitläufer Friedrich fortsetzt, der nach den Paralymics
aufhört? Auszuschließen ist es nicht. Bentele macht nicht den Eindruck,
alle ihre Ziele erreicht zu haben.
17 Mar 2010
## AUTOREN
Ronny Blaschke
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.