# taz.de -- Erfolgsmensch in der Hansestadt: Der "beste Segelmacher von Hamburg" | |
> Farid Sadeghi floh mit sieben Jahren aus Afghanistan, mit neun ernährte | |
> er seine Familie - und als junger Mann gründete er in Hamburg seine | |
> eigene Segelmacherei. Ohne Hilfen oder Kredite. Seinem alten Traum von | |
> der Mode hängt er immer noch nach. | |
Bild: Immer in Bewegung: Farid Sadeghi hat es geschafft in Deutschland, vom mit… | |
Wer die Glastür der Segelmacherei im Hamburger Stadtteil Bramfeld öffnet, | |
wird gleich von Farid Sadeghis breitem Lächeln eingefangen. "Herzlich | |
Willkommen", begrüßt er uns stolz, mit einer großen Schere in der Hand. Mit | |
schnellen, jugendlichen Bewegungen kommt der kleine Mann auf uns zu. | |
"Vorsicht, nicht auf das Segel treten." Die lange Stoffbahn endet auf einer | |
Nähmaschine. Dahinter sitzt ein Hüne mit schwarzem Zopf. | |
"Das ist Baris Ime, mein Praktikant", stellt Sadeghi den breitschultrigen | |
jungen Mann vor. Er wirkt etwas eingezwängt, doch seine großen Hände führen | |
die Stoffbahn akkurat unter der auf und ab schnellenden Nadel hindurch. | |
Sadeghi wirft einen kritischen Blick auf die frische Naht und klopft dem | |
Praktikanten auf die Schulter. "Wenn die Qualität nicht da ist, kannst du | |
es gleich vergessen", sagt Sadeghi. | |
Überall liegen Stoffrollen, über dem Treppenaufgang hängen Reißverschlüsse | |
und direkt daneben um die 20 Kleider, vom eleganten schwarzen Abendkleid | |
bis zum Blazer mit Leopardenmuster. Dazu Handtaschen. Auf dem Schreibtisch | |
steht eine Spendendose: "Helfen Sie Hilflosen in Afghanistan" steht darauf. | |
Sadeghi ist in Afghanistan geboren. Als in den Achtzigern die Sowjets | |
einmarschierten, flüchtete er mit seinen Schwestern und seiner Mutter in | |
den Iran. | |
Als Siebenjähriger hatte er in der Autowerkstatt seines Onkels gearbeitet, | |
mit neun verdiente er in einer iranischen Werkstatt den Lebensunterhalt für | |
die Familie. Als Dreizehnjähriger besuchte er eine Abendschule, um | |
Schneider zu werden. Noch bevor er 18 wurde beschäftigte er sieben | |
Näherinnen in seiner eigenen Schneiderei. Allerdings durfte er als Afghane | |
im Iran nicht unternehmerisch tätig sein. Sobald seine zwei Schwestern | |
verheiratet waren, ging er nach Deutschland. "Hier kann ich frei arbeiten, | |
nur Mama ist immer noch allein in Iran" sagt Sadeghi, und seine Augen | |
werden ein wenig feucht. | |
Als er in Deutschland ankommt, hilft er zunächst in der Landwirtschaft aus | |
und lernt abends in der Volkshochschule Deutsch. Ein wichtiger Schritt: | |
Ausländische Facharbeiter können ihre Kompetenzen oft mangels | |
Sprachkenntnissen nicht einbringen. Nachdem er einige Jahre in einer | |
Hamburger Näherei gearbeitet hat, heuert Sadeghi bei einem Segelmacher an. | |
"Da kam ich nun", erinnert sich Sadeghi, "der kleine Ausländer aus | |
Afghanistan, und die deutschen Facharbeiter sahen skeptisch zu mir herab". | |
Nach eineinhalb Jahren ist er ihr Vorarbeiter. "Ich war schon immer stark | |
wie eine Birke", sagt er über sich selbst. "Ich rauche nicht, ich trinke | |
nicht. Ich muss immer vorwärts, hinsetzen kann man sich später." Neben der | |
Arbeit macht er heimlich seinen Meister und eröffnet 2006 seine eigene | |
Segelmacherei. Die Auftragsbücher sind voll. Seine Kunden sind meist | |
pensionierte Yachtbesitzer, die sich den Luxus erlauben, sich nicht | |
besonders für Wirtschaftskrisen zu interessieren. | |
Der Traum von der Mode | |
Auf einem weißen, langen Tisch liegt blauer, imprägnierter Stoff, der den | |
Raum mit einem leichten Gummi-Geruch füllt, wie in einem erstmals | |
aufgebauten Zelt. "Das wird ein Verdeck für eine Yacht, der Stoff ist | |
wasserdicht", erklärt Sadeghi. Mit einem Stück Kreide markiert er | |
Aussparungen für die Sichtfenster. "Ich entwerfe für jedes Verdeck mein | |
eigenes Design. Am liebsten mache ich aber immer noch Modedesign." Daher | |
die Frauenkleider. "Wenn man einen Modedesigner mit einem Kfz-Mechaniker | |
verbindet, ergibt das eben einen Segelmacher", sagt Sadeghi. | |
Apropos Mechaniker: Sein Blick fällt auf ein paar Metallstangen. "Das ist | |
das Gerüst für das Verdeck, die Stangen haben alle den gleichen Winkel", | |
sagt Sadeghi und hält sie aneinander. Er habe sie selbst zurechtgebogen, | |
mit einem Werkzeug Marke Eigenbau. "Wollt ihr das mal sehen?" Sekunden | |
später kommt Sadeghi mit einer Art metallenem Bumerang die Treppe vom Lager | |
herauf. "Hier, das ist meine Biegemaschine", präsentiert Sadeghi das Gerät | |
augenzwinkernd. "Damit biege ich die Stangen, mit Muskelkraft." Der | |
Metallwinkel gibt die Form vor. | |
Nachwuchs lernt Manieren | |
"Egzou, mach uns mal einen Tee", ruft Sadeghi seinem Lehrling zu. Das sei | |
das Erste was die jungen Männer bei ihm lernten: "Wie man einen guten | |
Schwarztee macht und anständig mit Kunden spricht." Manchmal rufen Eltern | |
bei ihm an und fragen, wie er ihrem Sprössling so gute Manieren beigebracht | |
habe. Er muss ein guter Lehrer sein: Der Tee ist exzellent. Sadeghi will | |
sein Wissen weitergeben, seit einem Jahr bildet er aus. Das ist etwas | |
Besonderes: Jedes vierte Hamburger Unternehmen bildet aus, aber nur jedes | |
zehnte von Migranten geführte. Sadeghi will Mut machen. | |
"Jeder der eine gute Idee hat, kann ein Unternehmen gründen", sagt Sadeghi, | |
"aber man muss dafür kämpfen". Nur wenige Migranten nutzen Förder- und | |
Beratungsprogramme des Bundes oder von Handelskammern und Organisationen | |
wie Unternehmer ohne Grenzen. "Ich bin vielleicht ein positives Beispiel, | |
aber von einer Blume kommt noch kein Frühling", sagt Sadeghi. Die Banken | |
gaben ihm in der Anfangsphase keinen Kredit. "Dabei wollte ich nur 2.000 | |
Euro." Schließlich brachte er das Geld selbst auf, "und jetzt bin ich der | |
beste Segelmacher in Hamburg". Es klingt nicht überheblich, wenn Sadeghi | |
das sagt. | |
18 Mar 2010 | |
## AUTOREN | |
Joseph Varschen | |
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