# taz.de -- Fischerei in Not: Ein Fischer ohne Fang | |
> Der lange harte Winter hat die Fischer an der Ostsee am Ausfahren | |
> gehindert. Und nun beginnt auch schon die Schonzeit für den Dorsch. Ein | |
> Besuch bei Flensburgs letztem Berufsfischer. | |
Bild: "Eigentlich können wir einpacken": Frank Steinbusch fürchtet um die Zuk… | |
Es ist eng auf Frank Steinbuschs "Lady", gerade einmal neun Meter ist sie | |
lang. Wie in einer Werkzeugkammer liegen überall Metallteile und Werkzeuge | |
auf dem Fischerboot verstreut. Fässer mit Netzen und Bojen stehen herum. | |
Frank Steinbuschs Boot ist abfahrtbereit. Der Mann, der für sich in | |
Anspruch nimmt, Flensburgs letzter Berufsfischer zu sein, könnte loslegen | |
und das will er auch. Doch er kann nicht. | |
Die See ernährt ihn nicht | |
Fische hat Frank Steinbusch, 48, graumeliertes Haar, Dreitagebart, seit | |
langem nicht mehr gefangen. "Eigentlich können wir einpacken", ist mit das | |
Erste, was er sagt. Dabei lacht er kurz und laut auf. Das tut er immer, | |
wenn er über Schicksalsschläge spricht. Als er erzählt, was alles | |
schiefgelaufen ist, sieht er auf die stürmische See, die ihm eigentlich ein | |
angenehmes Leben finanzieren soll, doch momentan nicht einmal genug | |
liefert, um seine laufende Kosten zu decken. | |
"Im Dezember habe ich mir das Boot gekauft, doch dann fror alles zu und ich | |
konnte nicht rausfahren", sagt Steinbusch. Mit diesem Problem ist er nicht | |
allein. Durch den harten Winter wurden viele Boote in der Ostsee | |
unfreiwillig stillgelegt. Viele Fischer stehen nach dem fast vier Monate | |
andauernden Fangausfall vor dem finanziellen Ruin. | |
Hoffnung Langballigau | |
Steinbuschs Schiff, das er über einem Kredit finanziert hat, hing von | |
Dezember bis Februar im Flensburger Hafen fest, dann begann die Bank den | |
geringen Geldeingang auf seinem Konto zu bemängeln. In einer gewagten | |
Aktion fuhr Steinbusch einem Eisbrecher hinterher und erreichte den kleinen | |
Hafen von Langballigau kurz vor der dänischen Grenze. Die Aktion hatte sich | |
gelohnt, die Förde hier war eisfrei. Hier konnte der Stellnetzfischer seine | |
Strecken auslegen. Es sollte nun losgehen, es musste nun auch losgehen. | |
Steinbusch fuhr raus, legte seine Netze aus und ging abends schlafen. Am | |
nächsten Tag wollte er endlich den ersten großen Fang des Jahres einholen. | |
Das war sein Plan. Er ging nicht auf. Keinen einzigen Fisch konnte er am | |
nächsten Tag an Bord holen, stattdessen musste er mit ansehen, wie seine | |
Netze und Befestigungen kreuz und quer durch die Förde schwammen. | |
In der Nacht waren große Eisschollen aus der Flensburger Bucht gebrochen | |
und durch die Förde getrieben. Dabei hatten sie alle Netze mit sich | |
gerissen, die Befestigungen zerbrachen oder wurden versenkt. Statt des | |
großen Fangs hatte Steinbusch ein Minus von 21.000 Euro gemacht. | |
Eine Familie von Seeleuten | |
"Vielleicht hätte ich von der Fischerei die Finger lassen sollen", sagt | |
Steinbusch und lacht wieder kurz auf. Doch für den im Ruhrpott geborenen | |
Mann, der mit 16 zum ersten Mal zur See fuhr, hat es nie eine Alternative | |
zum Meer gegeben. Sein Vater und sein Urgroßvater waren schon Seeleute, | |
eine Frau oder Kinder hat er nicht. "Ich bin mit dem Meer verheiratet", | |
sagt er. "Auf See zu sein ist für mich Urlaub, Beruf und Ausgleich | |
zugleich." Viele Jahre war er in der Frachtschifffahrt tätig, hat die ganze | |
Welt bereist. Wenn er davon erzählt, entspannt sich sein Gesicht und er | |
grinst. Dann guckt er auf die sich kräuselnde See. "Erst das Eis und jetzt | |
die für diese Jahreszeit typischen Stürme. Das ist katastrophal", sagt | |
Steinbusch, nimmt einen Zug an seiner Zigarette - und lacht. | |
Die dritte Katastrophe nach dem eisigen Winter und den Stürmen droht | |
Steinbusch und den anderen Ostseefischern nun Anfang April. Dann nämlich | |
beginnt die von der EU verordnete Schonzeit für Dorsche. "Das ist mein | |
Hauptfisch", sagt der Steinbusch. Erst fünf Kilo hat er davon gefangen. | |
Gegen das Verbot hat sich bereits Widerstand geregt. Neben den Fischern und | |
den Fischereiverbänden spricht sich auch dasschleswig-holsteinische | |
Fischereiministerin für eine kurzfristige Aussetzung des Fangverbots aus. | |
Es ist nicht so, dass Frank Steinbusch nichts von Naturschutz hielte, im | |
Gegenteil. Gern und viel schimpft er über die Schleppnetzfischer, die den | |
ganzen Meeresgrund umpflügten. "Wie auf Äckern sieht es da unten aus", sagt | |
er. Im Fernsehen habe er das gesehen. Steinbusch weiß auch um die | |
Gefährdung, die seine Stellnetze für Tümmler und andere Tiere darstellen. | |
Ein Delfin im Netz | |
Vor acht Jahren hatte er selbst einen Delfin im Netz, der dann an Land | |
seziert wurde. Als aus dem Bauch des Säugetiers ein Junges rausrutschte, | |
rang Steinbusch um seine Fassung. "Da habe ich ernsthaft überlegt, alles | |
hinzuschmeißen", sagt er. Doch seitdem habe er keine Delfine mehr im Netz | |
gehabt. | |
Er schluckt. Dann fängt er sich wieder. "Das Zeitfenster zum Dorschfischen | |
ist eh kurz, in diesem Jahr jedoch extrem", sagt er. "Wenn das Verbot | |
kommt, dann ist es wohl endgültig vorbei." Diesmal lacht er nicht. Er guckt | |
auf die stürmische See - und schüttelt den Kopf. | |
21 Mar 2010 | |
## AUTOREN | |
Benjamin Knaack | |
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