| # taz.de -- Debatte Integration: Auf die Moscheen bauen | |
| > Die Islamkonferenz von Thomas de Maizière hat keine Zukunft. Besser wäre | |
| > es, mit den Moscheevereinen in den Bundesländern zu reden. | |
| Die Islamkonferenz gilt als wichtiges Instrument zur Integration der | |
| Muslime in Deutschland. Ex-Innenminister Wolfgang Schäuble kommt das | |
| Verdienst zu, das Thema auf die bundespolitische Agenda gesetzt zu haben, | |
| indem er sie ins Leben rief. Die zweite Runde der Islamkonferenz hätte sich | |
| jetzt konkret der Lösung jener Fragen widmen können, die in den Jahren | |
| zuvor aufgeworfen wurden. Stattdessen wird jetzt wieder über | |
| Grundsätzliches gestritten: Wer repräsentiert die Muslime in Deutschland? | |
| Und wer hat das Recht, für sie zu sprechen? | |
| Als Innenminister Thomas de Maizière Anfang März die Auswahl seiner neuen | |
| Gesprächspartner vorstellte, argumentierte er wie gehabt: Da die nationalen | |
| Moscheeverbände nur rund ein Viertel der vier Millionen Muslime | |
| repräsentieren würden, seien sie nicht berechtigt, als alleiniger | |
| Ansprechpartner mit dem Staat in Dialog zu treten. Aus diesem Grund berief | |
| er neben dreien der vier großen islamischen Verbände, die sich im | |
| Koordinationsrat der Muslime (KRM) zusammengeschlossen haben, zwei weitere | |
| Verbände und zehn Einzelpersonen, welche die restlichen drei Millionen | |
| Muslime repräsentieren sollen. | |
| Fast schon zum Dogma erhoben wurde die Forderung, die Runde solle möglichst | |
| alle Muslime in Deutschland repräsentieren. Sie ist längst zum Kernproblem | |
| der Islamkonferenz geworden. Dabei sprechen mindestens drei gute Gründe | |
| dagegen. | |
| Erstens kennt das Religionsverfassungsrecht das Kriterium der | |
| Repräsentativität überhaupt nicht. Denn um als Religionsgemeinschaft | |
| anerkannt zu werden, spielt es keine Rolle, ob man alle oder auch nur eine | |
| Mehrheit der Angehörigen einer Religion vertritt. Vielmehr besteht das | |
| Wesen einer Religionsgemeinschaft darin, zur Erfüllung aller Aufgaben | |
| beizutragen, die das religiöse Bekenntnis an die Gläubigen stellt. Diese | |
| Aufgaben werden in Deutschland von den Moscheen und den Vereinen, die sie | |
| tragen, erfüllt. Dort finden die wöchentlichen Freitagsgebete und Feste | |
| statt, dort wird der Fastenmonat Ramadan begangen, dort wird religiöse | |
| Bildung und Seelsorge angeboten. Eine Anerkennung von muslimischen | |
| Religionsgemeinschaften kann daher nur über die Moscheen erfolgen, denn sie | |
| sind die Zentren des religiösen Lebens. | |
| Zweitens drückt der Staat mit seiner Forderung nach "Repräsentativität" | |
| jedem, der aus einem muslimischen Land stammt, das Etikett "Muslim" auf. | |
| Nur indem er die Religion auf diese Weise "ethnisiert", kommt er überhaupt | |
| zu der Zahl von vier Millionen Muslimen, und nur aus diesem Grund forderte | |
| Wolfgang Schäuble im Bundestag einmal, auch die nichtreligiösen Muslime | |
| müssten in einer Religionsgemeinschaft vertreten sein. Das klingt nicht nur | |
| paradox, das ist es auch. Wer hofft, auf diesem Wege zu einer Art "Islam | |
| light" zu kommen, der stellt das, was eine Religionsgemeinschaft ausmacht, | |
| auf den Kopf. | |
| Drittens wird mit der Zusammensetzung der Islamkonferenz ein künstlicher | |
| Gegensatz aufgemacht zwischen jenen Muslimen, die sich unter dem Dach des | |
| Koordinationsrats zusammengetan haben, und dem Rest, der angeblich nicht | |
| organisiert ist. Doch es gibt hierzulande hunderte von Moscheen, | |
| muslimischen Frauen-, Studenten- und Jugendorganisationen, die nicht im | |
| Koordinationsrat vertreten sind und denen auch kein Platz am Tisch der | |
| Islamkonferenz eingeräumt wird. Ihnen sollte größeres Augenmerk gewidmet | |
| werden. | |
| Statt die Islamkonferenz ziellos fortzusetzen und die Ressourcen auf | |
| muslimischer Seite zu verheizen, sollte der Dialog zwischen Staat und | |
| Muslimen in den Bundesländern ausgebaut und fortgesetzt werden. Dabei muss | |
| eine Tür für verbandsunabhängige Moscheen geöffnet werden. Die Debatte | |
| sollte sich um die Frage drehen: Wie schafft man es, möglichst viele der | |
| etwa 2.500 Moscheen und Moscheevereine in Deutschland unter ein föderal | |
| ausgerichtetes Dach zu bringen? Diese Religionsgemeinschaften könnten den | |
| Bundesländern bei der Einführung von islamischem Religionsunterricht oder | |
| bei einer Ausbildung von Imamen an den staatlichen Universitäten als | |
| Kooperationspartner zur Seite stehen. | |
| Leider bietet die Islamkonferenz in ihrer aktuellen Form keine | |
| Perspektiven, um hier Lösungen zu finden. Auch die vier großen muslimischen | |
| Verbände des Koordinationsrats, die mehr als die Hälfte der deutschen | |
| Moscheen vertreten, haben es bisher versäumt, eine Antwort auf diese Frage | |
| zu liefern. In Niedersachsen und Hamburg, wo die Landesregierungen bereits | |
| erfolgreich mit Moscheelandesverbänden (Schuras) zusammenarbeiten, gibt es | |
| dafür gute Ansätze. Die Zusammenarbeit zwischen solchen | |
| Moscheelandesverbänden und dem Koordinationsrat der Muslime gehört | |
| ausgebaut. Dafür muss zugleich der politische Einfluss aus dem Ausland - | |
| vor allem aus der Türkei - zurückgedrängt werden. | |
| Die zentrale religionspolitische Herausforderung lautet: Wie gestaltet man | |
| die Moscheenlandschaft in Deutschland einheitlicher und transparenter, | |
| damit es in absehbarer Zeit zu verbindlichen Absprachen mit dem Staat | |
| kommen kann. Dabei sollte man die innermuslimische Vielfalt nicht | |
| unterschätzen. Die zuständigen Landesregierungen sollten sich darauf | |
| einstellen, dass sie es am Ende möglicherweise mit zwei oder drei | |
| Moscheeverbänden zu tun haben, mit denen sie Vereinbarungen treffen. | |
| Die Politik als Moderator | |
| Die Bundesregierung könnte diese Gespräche koordinieren. Dabei sollte sie | |
| sich allerdings nur mit Leuten an einen Tisch setzen, die durch eine | |
| Moschee oder einen religiösen Verband dazu legitimiert sind. Dazu gehören | |
| die vier großen Verbände, die im Koordinationsrat vertreten sind. Dabei | |
| sollten aber auch die Moscheelandesverbände, regionale Moscheeräte und | |
| zumindest die großen unabhängigen Moscheen mit einbezogen werden. | |
| Die Politik ist hier als Moderator gefragt. Das Argument, der | |
| weltanschaulich neutrale Staat dürfe sich hier nicht einmischen, kann dabei | |
| nicht ziehen. Denn der Staat mischt jetzt schon kräftig mit, wie die | |
| Islamkonferenz zeigt. Es kommt also nicht darauf an, ob er das tut - | |
| sondern auf das Wie. | |
| 22 Mar 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Mounir Azzaoui | |
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