# taz.de -- Verkürzter Ersatzdienst: Zivis sollen freiwillig nachsitzen | |
> Die Sozialverbände bereiten sich auf die vorgezogene Kürzung des | |
> Zivildienstes vor. Lösungen haben sie noch nicht, nur die Gewissheit: Es | |
> wird für sie deutlich teurer. | |
Bild: Zivildienstleistender im Einsatz | |
Mit Sorge blickt die sozialpolitische Sprecherin der SPD, Ülker Radziwill, | |
auf die geplante Verkürzung des Zivildienstes von neun auf sechs Monate. | |
"Dadurch, dass die Zivildienstleistenden drei Monate kürzer arbeiten, | |
werden die Sozialverbände vor große Probleme gestellt", sagt Radziwill. Aus | |
Sicht des Bundes könne sie die Verkürzung zwar nachvollziehen, für den | |
sozialen Sektor bedeute diese aber finanzielle Schwierigkeiten. | |
Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat | |
angekündigt, die Verkürzung des Zivildienstes auf den 1. August | |
vorzuziehen. Auch der Wehrdienst soll entsprechend angepasst werden. | |
In Berlin gibt es laut Senatsverwaltung für Soziales derzeit 2.359 | |
Zivildienstleistende, die in Bereichen wie Altenpflege, Kinder- und | |
Jugendeinrichtungen und Krankenhäusern arbeiten. Den Zivildienst müssen | |
junge Männer leisten, wenn sie für tauglich befunden werden und den | |
Wehrdienst verweigern. Die Einrichtungen, in denen sie arbeiten, suchen | |
händeringend nach Zivis: Mehr als 1.000 Plätze bleiben jedes Jahr | |
unbesetzt. | |
"Die Kürzung der Dienstzeit ist für uns ein großer Verlust", sagt Thomas | |
Gleißner, Sprecher des Caritas-Verbandes. Es werde in der Kürze der Zeit | |
sehr schwierig werden, die jungen Männer auf ihren Einsatz vorzubereiten, | |
vor allem in komplexen Tätigkeiten. Die Caritas beschäftigt in Berlin 225 | |
Zivis und gehört damit zu den größten Trägern. Derzeit überlege man, so | |
Gleißner, wie die wegfallende Arbeitskraft ersetzt werden könne. | |
Die SPD-Politikerin Radziwill fordert deshalb einen Übergangszeitraum, in | |
dem die Sozialverbände Lösungskonzepte entwickeln können. So schlägt sie | |
etwa 1-Euro-Jobber oder ehrenamtliche Mitarbeiter vor, die die Aufgaben der | |
Zivis übernehmen könnten. Außerdem sei das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) | |
eine Alternative zum Zivildienst. | |
Selbst wenn Ersatz gefunden werden sollte, komme auf die Sozialverbände | |
eine schwierige Zeit zu, sagt Christel Buschke von der Diakonie. Entweder | |
leide die Qualität, oder es werde teuer. "Wir hoffen darauf, dass | |
Zivildienstleistende ihren Dienst künftig freiwillig verlängern können", so | |
Buschke. Wirkliche Alternativen zum Zivildienstleistenden gibt es laut | |
Buschke nicht: "Ein Zivi kostet uns 373,03 Euro im Monat plus Geld für Kost | |
und Logis, der Bund bezuschusst uns mit etwa 250 Euro", sagte sie. Das FSJ | |
sei zwar unter Jugendlichen sehr beliebt, für den Träger aber teurer. "Da | |
zahlen wir knapp 600 Euro und der Bund unterstützt uns nicht." Nach einer | |
Umfrage der Diakonie will ein Großteil der Einrichtungen deshalb auf | |
Praktikanten umstellen, berichtet Buschke. | |
Dass wichtige soziale Aufgaben von ungelernten Zivildienstleistenden oder | |
Praktikanten erledigt würde, sei ein Unding, ärgert sich Jasenka | |
Villbrandt, sozialpolitische Sprecherin der Grünen: "Pflege von Alten und | |
Behinderten muss in professionelle Hände gelegt werden." Eine Verkürzung | |
des Zivildienstes sei "halbherzig". "Wir müssen den Dienst abschaffen und | |
Geld in die Hand nehmen, Pflege hat ihren Preis", sagt sie. | |
22 Mar 2010 | |
## AUTOREN | |
Mareike Müller | |
Sebastian Kempkens | |
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