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# taz.de -- die wahrheit: Ein teurer Spaß
> Wissenschaft: Hypothetische Austauschteilchen und Brotkrumen.
Bild: Der Unglücksvogel konnte glücklicherweise entkommen.
Der weltgrößte Teilchenbeschleuniger LHC hat einen neuen Weltrekord
aufgestellt, jubelte jüngst die Presseabteilung des Renntunnelprojekts
Cern. Unterirdisch kreisten zwei Protonenstrahlen mit einer Energie von je
1,18 Tera-Elektronenvolt in dem 27 Kilometer langen Ringtunnel aufeinander
los. Nicht ganz so schnell ging es mit der Wiederinbetriebnahme nach der
zweieinhalb Monate langen "Winterpause", wie man die unfreiwillige
Unterbrechung des Betriebs beschönigend nannte.
Im November wurde der Betrieb nämlich durch ein kleines Brotteilchen
entschleunigt, das ein Vogel auf eine oberirdische Stromleitung hatte
fallen lassen, was einen Kurzschluss zur Folge hatte. Der Brotunfall toppte
noch die ominöse Verstopfung des Reaktors durch zwei Bierflaschen im Jahre
96, die ihn fünf Tage außer Gefecht setzte. Im gleichen Jahr hatte der
Direktor des Projekts, Kurt "das Brot" Hübner, getönt, dass bei Cern "keine
Butterbrotphysik betrieben würde". Offenbar war das dem Unglücksvogel nicht
bekannt, als er sein Stück Brot fallen ließ. Erfreulicherweise soll dieser
trotzdem unbeschadet entkommen sein.
Bereits vorher war der Milliardenmeiler bereits wegen eines anderen Unfalls
14 Monate außer Betrieb gewesen. Denn er heißt ja nicht umsonst Large
Hadron Collider, denn irgendwas kollidiert und kollabiert in seinem Innern
ständig. Eigentlich sollten es ja nur die schnellen Atomkerne oder Protonen
sein, die aufeinander geschossen werden, damit endlich die geheimnisvollen
Higgs-Teilchen nachgewiesen werden, die durch das Protonenspektakel
angelockt werden sollen. Die Higgs-Teilchen hat noch keines Menschen Auge
je erblickt, und sie werden auch wolkig als "hypothetische
Austauschteilchen" bezeichnet, um Vages wissenschaftlich klingen zu lassen.
Leider ist der Teilchenaustausch im Cern-Reaktor nicht so preiswert wie ein
Schüleraustausch. Der Reaktor selbst kostete schon mal 3 Milliarden. Dazu
müssen 3.400 (!) Mitarbeiter bezahlt werden, zu denen noch 8.000
Gastwissenschaftler stoßen. Das Budget von 1,1 Milliarden Fränkli lässt
ahnen, dass das gefürchtete schwarze Loch nicht erst beim Zusammenstoß der
Protonen entsteht, sondern bereits durch den Milliardenmeiler
materialisiert vor uns steht. Da fragt man sich dann, was die 3.400
Mitarbeiter mit ihren 8.000 Gästen eigentlich machen, wenn der
Pannenreaktor nicht läuft. Sollte unser besorgter Außenminister hier nicht
mal den Finger in die Wunde legen, denn der Reaktor steht im ohnehin
verdächtigen Schweizer Ausland, das doch eher in sein Ressort fällt als
unsere einheimischen Hartz-Vierer.
Doch der Weltrekordjubel der Wissenschaftler wurde nicht von Westerwelle,
sondern von Xiohang Quan, einer chinesischen Studentin unterbrochen. Sie
hatte einen Kalkulationsfehler in der Hardware des LHC gefunden, durch den
Daten doppelt aufgezeichnet werden. Anschließend vergisst die Hardware
diese wieder zu halbieren und am Ende steht dann ein Weltrekord, der in
Wirklichkeit vielleicht nur ein Kantonsrekord ist.
Wie wird es weitergehen bei Cern? Die zigtausend Wissenschaftler können für
2011 schon mal einen längeren Urlaub anmelden. Denn dann muss er für etwa
ein Jahr geschlossen werden, weil sich Experten bei einem guten Bier und
einer schönen Brotzeit um Konstruktions- und Sicherheitsfragen kümmern
wollen. Das gilt allerdings nur für den Fall, dass nicht schon vorher ein
Vogel Brotkrumen auf die Oberleitung des Reaktors fallen lässt.
25 Mar 2010
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