# taz.de -- Kommentar Belgiens Burka-Verbotsplan: Doppeltes Gefängnis | |
> Das belgische Parlament diskutiert derzeit ein Gesetz, das Frauen die | |
> vollständige Verschleierung verbieten soll. Der Europäische Gerichtshof | |
> für Menschenrechte dürfte es stoppen. | |
Wie immer, wenn es um Einschränkungen für Muslime geht, werden in der | |
öffentlichen Debatte gerne die Rechte der Frauen bemüht. Das belgische | |
Parlament diskutiert derzeit ein Gesetz, das Frauen die vollständige | |
Verschleierung verbieten soll - damit wäre Belgien das erste Land in Europa | |
mit einem Burka-Verbot. | |
Und die Argumentationsmuster der Befürworter klingen bekannt: Frauen, die | |
eine Burka tragen, sollen nicht mehr Bus und Bahn fahren dürfen, damit sie | |
freier sind. Die Burkaträgerin wird also im Namen der Freiheit dazu | |
verdonnert, im Haus zu bleiben. Und wenn die Frau sich dieser | |
Zwangsbefreiung widersetzt, soll sie nicht nur mit einer Geldstrafe büßen, | |
sondern sogar in Gefängnis gehen. Bis zu sieben Tage Haft drohen renitenten | |
Burka-Trägerinnen, wenn gegen die angeblichen Befreiungsrichtlinien | |
verstossen wird. | |
Wenn es um Einschränkungen für Muslime geht, darf auch ein zweites Argument | |
in der Debatte nicht fehlen. Ihr Gesetz schütze vor Terrorismus, ein Verbot | |
der Vollverschleierung diene der Sicherheit, argumentieren Belgiens | |
Burka-Bekämpfer weiter. Solch unsinnige Behauptungen dokumentieren, welche | |
Ressentiments in Wirklichkeit hinter dem Vorhaben stecken. Denn warum, | |
bitteschön, sollten dann Rollkoffer, Rucksäcke, Cowboystiefel und große | |
Hüte erlaubt bleiben? Wer solche Gegenstände dabei hat, dürfte weiter Bus | |
fahren. Das ist absurd in Zeiten hochentwickelter Plastiksprengstoffe, von | |
denen schon kleine Mengen in einem Absatz tödlichen Schaden anrichten | |
können. | |
Noch abwegiger ist das Argument, das im Mittelpunkt der Diskussion in | |
Belgien steht: Man könne nicht zulassen, dass manche das Recht in Anspruch | |
nehmen, andere anzuschauen, ohne selbst gesehen zu werden. Was ist das denn | |
für ein Verständnis von Gerechtigkeit und Gleichheit? Kann man es denn | |
zulassen, dass manche Menschen nackte Beine sehen dürfen, ohne selbst einen | |
Minirock tragen zu wollen? Was ist mit hautengen Jeans, deren Hauptanliegen | |
es zu sein scheint, vor allem die Mächtigkeit des Mannseins zu | |
verdeutlichen, was mit offenem Haar und freizügigem Dekolletee? | |
Natürlich muss man die Burka als Symbol patriarchalischer Unterdrückung | |
scharf kritisieren. Natürlich ist es geboten, Musliminnen zu unterstützen, | |
wenn sie das Recht auf freie Partnerwahl, einen freien Körper und einen | |
freien Geist einfordern. Und es ist eine solidarische Verpflichtung, diese | |
Freiheiten gegen Fundamentalisten jeglicher Coleur zu verteidigen. | |
Aber im Mittelpunkt all dieser Bemühungen muss eben die Freiheit der | |
einzelnen Frau stehen. Das zu akzeptieren mag gerade in der Burka-Frage | |
besonders schwer fallen. Aber diesen Widerspruch gilt es wie beim | |
Kopftuchstreit auszuhalten. | |
Es gibt viele Gründe anzunehmen, dass Frauen die Burka nicht freiwillig | |
tragen. Genau deshalb aber bedeutet ein Verbot im öffentlichen Raum | |
letztlich einen Hausarrest für Frauen, denen die Burka aufgezwungen wird. | |
Denn sie könnten ihr Haus überhaupt nicht mehr verlassen. | |
Anders gesagt: Der Staat fügt mit einem solchen Gesetz dem Gefängnis aus | |
Stoff ein zweites Gefängnis hinzu. Wenn das unter vermeintlichen | |
Freiheitsbestrebungen geschieht, ist das nicht nur verlogen, sondern | |
menschenverachtend. Es ist davon auszugehen, dass der Europäische | |
Gerichtshof für Menschenrechte das ähnlich sieht – und spätestens dort das | |
absurde Bestreben der Belgier gestoppt wird. | |
1 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Ines Pohl | |
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