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# taz.de -- Hamburg schafft nur ein Unentschieden: Guerrero schmeißt hin
> Nach einem schwachen 0:0 gegen Hannover brennen beim HSV-Spieler Guerrero
> die Sicherungen durch und Hannovers Spieler träumen davon, ohne Sturm die
> Klasse zu halten.
Bild: Hannovers Torwart Florian Fromlowitz (li) war zufrieden mit dem Resultat,…
HAMBURG taz | Paolo Guerrero hatte die Nase voll. Bei seiner Einwechslung
hatten die Fans gepfiffen, weil sie den Weltstar Ruud van Nistelrooy weiter
auf dem Platz sehen wollten. Und das, nachdem Guerrero sich sieben Monate
geschunden hatte, um nach doppeltem Kreuzbandriss endlich wieder Fußball zu
spielen. Sein erstes Heimspiel. Zehn Minuten vor Schluss bringt Hannovers
Sergio Pinto irgendwie den Fuß zwischen Guerreros Spann und den Ball und
vereitelt damit die zweite gute Torchance der Hamburger in einem
erschütternd schwachen Spiel.
Guerrero hätte zum umjubelten Matchwinner werden können. Und dann dieser
Ausraster nach dem Abpfiff: Offensichtlich von unzufriedenen zahlenden
Kunden bepöbelt, lässt er sich von Mitspieler Joris Mathijsen zeigen, wer
das Wort geführt hat, und wirft ihm aus wenigen Metern Entfernung mit
Schmackes eine gefüllte Wasserflasche ins Gesicht. Der Mann hat sie nicht
kommen sehen, schwingt zurück wie ein Boxer, der einen Treffer kassiert –
und pöbelt weiter. Guerrero und Mathijsen sind außer sich, müssen
weggeschoben werden, damit es nicht noch weiter geht.
Die Szene ist symptomatisch in mehrerlei Hinsicht: Sie zeigt, dass es nicht
stimmt beim HSV. Die Mannschaft ist nicht nur sportlich abgestürzt, nach
nur zwei Siegen aus den letzten elf Bundesligaspielen ist auch die Stimmung
auf dem Nullpunkt. Mittelfeldspieler Eljero Elia beschwerte sich
öffentlich, der HSV habe eine dringende Knöcheloperation erst mit
Verzögerung genehmigt. Der ehrgeizige van Nistelrooy soll in der Pause des
Europa-League-Spiels beim PSV Eindhoven Youngster Tunay Torun gewürgt haben
und zeigt überdeutlich, wie stocksauer er ist, wenn Trainer Bruno Labbadia
es wagt, ihn auszuwechseln. Und der ist ohnehin angezählt, spätestens seit
HSV-Boss Bernd Hoffmann vor einer Woche sagte, Labbadia werde sicher auch
in der kommenden Saison HSV-Trainer sein - „Stand jetzt.“
Aber auch zwischen Mannschaft und Publikum tun sich Gräben auf. Verteidiger
Dennis Aogo, der mit einem Knaller ans Lattenkreuz die andere Hamburger
Torchance hatte, sagte nach dem Spiel, gegen derart defensiv spielende
Gegner wie Hannover brauche man viel Geduld – und die Unterstützung der
Fans. „Und die hat uns heute gefehlt.“ Tatsächlich hatten die Zuschauer
schon vor der Pause begonnen, die eigene Mannschaft auszupfeifen, nach 75
Minuten hieß es: „Wir woll'n euch kämpfen seh'n!“
Bei Guerreros Attacke war ein Großteil des Publikums schon verschwunden.
Torwart Frank Rost brachte später Verständnis für den Flaschenwurf auf. Die
Spieler würden ständig beworfen und beleidigt. Da müsse man damit rechnen,
„dass auch mal was zurück kommt“. Auch Trainer Bruno Labbadia gab zu
bedenken, schon seit geraumer Zeit würden im Umgang zwischen Fans und
Spielern permanent Grenzen überschritten. Guerrero habe sich durch die
Beleidigungen von der Tribüne tief in seinem Stolz verletzt gefühlt. „Der
Umgang mit Südamerikanern ist da anders, die sind extrem stolz“, suchte er
nach einer Erklärung für Guerreros Verhalten, „auch Afrikaner sind so.“
Vermutlich eher unfreiwillig erinnerte er damit an einen Vorfall beim HSV,
der sich vor seiner Amtszeit ereignet hatte, der aber jedem an diesem Abend
sofort einfiel: Der Kameruner Timothée Atouba war 2006 – ebenfalls von den
teuren Plätzen am Spielertunnel aus – rassistisch verunglimpft worden und
hatte den Pöblern den Stinkefinger gezeigt. „Atoubas Reaktion damals konnte
ich fast noch eher nachvollziehen“, sagte am Sonntag Ralf Bednarek, Chef
der HSV-Abteilung „Supporters“. Er wies darauf hin, dass die Beleidigungen
gegen Guerrero nicht von den viel kritisierten Ultras gekommen seien, die
auf den Stehplätzen der Nordkurve die Stimmung machen. „Das ist eher der
Schnittchenbereich.“ Unter den HSV-Fans herrscht offenbar auch alles andere
als eitel Freude, auch wenn Bednarek hinzufügte, er wolle jetzt „keinen
Klassenkampf“ anzetteln.
Das über Jahre immer wieder mit lautstarken Titelambitionen geschürte
Anspruchsdenken hat die Atmosphäre beim Hamburger SV extrem aufgeheizt.
Bemerkenswert, dass an diesem Abend der Club Auflösungserscheinungen
zeigte, der immer noch auf dem sechsten Platz rangiert und am kommenden
Donnerstag den Sprung ins Halbfinale der Europa League schaffen könnte.
Echten Grund zur Sorge hat man beim anderen HSV, in Hamburg gönnerhaft der
„kleine“ genannt, landläufig bekannt als Hannover 96. Das Team von Mirko
Slomka hatte ein sechstägiges Trainingslager in Bad Segeberg eingelegt, um
im Abstiegskampf das Ruder noch herumzureißen. „Wenn der Erfolg so ist,
machen wir auch jede Woche ein Trainingslager“, sagte Christian Schulz nach
dem Spiel. Und Torwart Florian Fromlowitz meinte gar: „Mit dem Punkt können
wir sehr gut leben.“ Dass Hannover ohne nennenswerte Offensivaktion
ausgekommen war, dass der Abstand aufs rettende Ufer gewachsen ist, dass
Offensivkraft Jiri Stajner im kommenden Spiel gegen Schalke 04 nach zwei
dummen Karten in acht Minuten fehlen wird, und dass danach Bayern München
und Bayer Leverkusen warten – all das hatten sie verdrängt.
5 Apr 2010
## AUTOREN
Jan Kahlcke
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