# taz.de -- Massaker von Katyn: Putins Geste der Versöhnung | |
> Russlands Premier Putin lädt seinen polnischen Amtskollegen Tusk zu einer | |
> Gedenkfeier für die Opfer des Massakers von 1940 ein. Das könnte ein | |
> Neuanfang zwischen den beiden Staaten sein. | |
Bild: Moskau versuchte das Verbrechen den Nationalsozialisten anzulasten | |
WARSCHAU taz | "Versöhnung mit den Russen" - das erhoffen sich die meisten | |
Polen von der Gedenkfeier am Dienstag in den Wäldern von Katyn. Vor 70 | |
Jahren fand hier ein Massaker statt. Einheiten des sowjetischen | |
Geheimdienstes erschossen auf Befehl Josef Stalins über 4.000 polnische | |
Offiziere. Moskau schwieg über Jahrzehnte, versuchte das Verbrechen den | |
Nazis anzulasten. Erst 1988 gab Michail Gorbatschow zu, dass die polnischen | |
Kriegsgefangenen tatsächlich auf Befehl Stalins ermordet wurden. 1993 bat | |
Russlands Präsident Boris Jelzin die Polen sogar um Vergebung für Katyn. | |
Doch erst Premier Wladimir Putin lud nun den polnischen Premier Donald Tusk | |
zu einer gemeinsamen Gedenkfeier nach Katyn bei Smolensk ein. | |
"Kommt es zum Durchbruch?", fragte Polens größte Tageszeitung Gazeta | |
Wyborcza. Sie erinnerte daran, dass in den Wäldern von Katyn nicht nur | |
polnische Kriegsgefangene verscharrt wurden, sondern auch über 6.000 | |
sowjetische Staatsbürger, die in den Jahren der "Großen Säuberung" ermordet | |
wurden. Über diese Morde ist in Polen kaum etwas bekannt. | |
Die Gedenkfeier von Tusk und Putin könnte in beiden Ländern neues Interesse | |
am Nachbarn wecken, eine Debatte über das eigene Geschichtsbild auslösen | |
und - nach Jahrzehnten des Schweigens, der Propaganda und der Lügen - den | |
Weg zu einem Neuanfang ebenen. | |
Dies ist umso wichtiger, als Schweden und Polen die Federführung für die | |
EU-Außenpolitik der "Östlichen Partnerschaft" übernommen haben. Deren | |
Hauptziel ist es, die EU und die sechs östlichen Nachbarn Ukraine, die | |
Republik Moldau, Weißrussland, Georgien, Aserbaidschan und Armenien | |
politisch und wirtschaftlich aneinander anzunähern. Russland, das vor | |
Jahren einen eigenen EU-Russland-Partnerschaftsvertrag gefordert hatte, | |
sank im Mai 2009 zu einem "Drittstaat" herab, der zur Zusammenarbeit mit | |
der EU und der Östlichen Partnerschaft eingeladen wurde. | |
Die Taktik Moskaus, Polen zu provozieren, um das Land in die "russophobe | |
Ecke" stellen zu können, ging nicht auf. Zwar verschlechterten sich die | |
bilateralen Beziehungen mit dem Regierungsantritt der Kaczynski-Brüder in | |
Warschau dramatisch, doch als Moskau ein Importembargo für polnisches | |
Gemüse und Fleisch verhängte, stellte die EU sich hinter Warschau. | |
Wenig Verständnis weckte im Westen auch der Versuch Moskaus, Polen eine | |
Mitschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in die Schuhe zu schieben. Als | |
Andrzej Wajdas Film "Katyn" in die Kinos kam, versuchten hochrangige | |
russische Politiker die sowjetische Propaganda wiederzubeleben. Nicht der | |
russische Geheimdienst habe die polnischen Offiziere ermordet, sondern die | |
Nazis. In den EU-Mitgliedsstaaten gingen daraufhin etliche Regierungschefs | |
ostentativ in die Kinos und lobten Wajdas Film als wahrheitsgetreu. | |
Insgesamt sind bei den Katyn-Massakern zwischen 20.000 und 30.000 polnische | |
Kriegsgefangene ums Leben gekommen. Die genaue Zahl ist bis heute nicht | |
bekannt. Unter Präsident Putin wurden die Archive wieder geschlossen und | |
alle staatsanwaltlichen Ermittlungen eingestellt. | |
"Polen ist bereit für die Versöhnung", titelt das Kulturmagazin Znak. Im | |
Interview erklärt Polens früherer Außenminister Adam Daniel Rotfeld, dass | |
er zwar keinen "Durchbruch" von der Gedenkfeier in Katyn erwarte, aber doch | |
eine "neue Qualität". Russland beginne, die historischen Altlasten in | |
seinem Verhältnis zu Polen aufzuarbeiten. Das zeige auch die Tatsache, dass | |
der Kulturkanal des staatlichen Senders Rossjia den Katyn-Film Andrzej | |
Wajdas am Karfreitag zur besten Sendezeit ausstrahlte. | |
7 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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