# taz.de -- Zensur im Fall Anat Kam: Israels jüngste Hochverräterin | |
> Israels Armee soll militante Palästinenser gezielt liquidiert und damit | |
> gegen ein Urteil des Obersten Gerichts verstoßen haben. Die Beweise | |
> hierfür lieferte Anat Kam. | |
Bild: Anat Kam vor einer richterlichen Anhörung am 29. Dezember 2009 in Tel Av… | |
JERUSALEM taz | Der 23jährigen Online-Journalistin Anat Kam droht der | |
Prozess und im schlimmsten Fall lebenslängliche Haftstrafe. Seit fünf | |
Monaten steht die Israelin wegen Verdacht der schweren Spionage und der | |
Absicht, die Sicherheit des Staates zu verletzen, unter Hausarrest in Tel | |
Aviv. Kam leistete von 2005 bis 2007 ihren Militärdienst im Büro von | |
General Jair Nawe, Chef des Zentralkommandos der Israelischen | |
Verteidigungsarmee. Nach bisherigen Ermittlungen soll sie etwa 2000 geheime | |
bis höchstgeheime Akten aus dem Büro entwendet haben. | |
Erst seit Donnerstag dürfen die israelischen Medien über den Fall, der | |
unter strenger Zensur stand, berichten, wobei die Anklageschrift nur | |
auszugsweise veröffentlicht wurde. Schon seit Tagen kochte die | |
Gerüchteküche um "den Sicherheitsfall", über den internationale Medien | |
längst berichtet hatten und über den nur die israelische Öffentlichkeit im | |
Dunkeln blieb. Bei den Akten handelt es sich offenbar um persönliche Daten | |
hoher Mitglieder des Zentralkommandos und um nachrichtendienstliche | |
Informationen. | |
Nicht auf der Nachrichten-Internetseite "Walla", für die die junge | |
Journalistin arbeitete, kamen die geheimen Informationen zum ersten Mal zur | |
Veröffentlichung, sondern in der liberalen Haaretz. Unter der Überschrift | |
"Ausverkauf", einem Wortspiel, das auch mit "Verkauf der Exekution" | |
übersetzt werden kann, fasste der Journalist Uri Blau im Herbst 2008 die | |
spektakulärsten Details aus den geheimen Akten zusammen. Darin geht es um | |
die gezielte Hinrichtung von gesuchten Terroristen, die "rückblickend auch | |
hätten verhaftet werden können". Die Armee, so resümiert der Journalist, | |
habe damit den Anweisungen des Obersten Gerichtshofs von 2006 zuwider | |
gehandelt. "Beib mir bloß weg mit dem Obersten Gerichtshof", zitiert Blau | |
den damaligen Chef des Zentralkommandos Nawe. | |
Den Veröffentlichungen in Haaretz folgend ordnete der damalige Stabschef | |
Gabi Ashkenasi nach Absprache mit Ex-Oberstaatsanwalt Menachem Masus eine | |
Untersuchung an, um die undichte Stelle ausfindig zu machen und die | |
Dokumente sicherzustellen. Auf Blau selbst, der sich momentan in London | |
aufhält, wartet in Israel eine Vorladung zum Verhör. Auf den unbefugten | |
Besitz geheimer Militärakten steht im Höchstfall 15 Jahre Haft. | |
Nach Informationen der Oberstaatsanwaltschaft hatte sich Blau im Juli | |
bereiterklärt, sämtliche Akten abzugeben, um im Gegenzug seine Quelle nicht | |
preisgeben zu müssen und selbst von einer Untersuchung verschont zu | |
bleiben. Außerdem stimmte er der Zerstörung der Festplatte seines Computers | |
zu. Blau genießt die Rückendeckung seiner Zeitung. "Sämtliche Artikel | |
wurden der Militärzensur vorgelegt", meldete Haaretz gestern, "und wurden | |
komplett zur Veröffentlichung freigegeben". | |
9 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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