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# taz.de -- Champions League: Der FC Bayern München eben!
> München mogelt sich mit einem 2:3 bei Manchester United ins Halbfinale.
> "Typisch deutsch", findet Sir Alex Ferguson. Rummenigge lobt da lieber
> die Moral der Bayernspieler.
Bild: Kniefall vor dem Torschützen zum wichtigen 1:0: Ivica Olic.
MANCHESTER taz | Mythenpflege ist wichtig, gerade auf der Insel. Natürlich
ließ es sich der Stadion-DJ im Old Trafford vor Anpfiff nicht nehmen, noch
einmal die O-Töne vom Champions-League-Endspiel in Barcelona 1999
einzuspielen. 1999 ist eine Chiffre geworden, ein auf Zahlen verkürztes
Mantra: United ist der Verein, der immer wieder zurückkommt.
So war es dann auch am Mittwochabend. Nach 40 Minuten, in denen die Gäste
vom Pressing und konstanten Druck der Engländer "weggespült" wurden, wie
später Bayern-Trainer Louis van Gaal fein formulierte, hatte man die
1:2-Hinspiel-Niederlage vergessen gemacht. 3:0 führten die Red Devils, vom
Anhang gefeiert, kurz vor Halbzeit. "Who are you? Who are you?", schallte
es höhnisch von den Tribünen.
Die genaue Antwort auf diese berechtigte Frage kennen momentan vermutlich
nicht einmal die Bayern. Die Abwehrleistung in der ersten Hälfte hatte
jedenfalls mit internationalem Spitzenfußball rein gar nichts gemeinsam.
Von Hans-Jörg Butts unerklärlichem Fehler beim 0:1 von Darron Gibson bis zu
Holger Badstubers Sekundenschlaf an der Seitenlinie, der zum 3:0 durch Nani
führte, überboten die Bayern einander mit Unzulänglichkeiten in der
Defensive. Arjen Robben verkümmerte ohne Bälle an der Peripherie, der
kongeniale Kollege Franck Ribéry verweilte seltsam lustlos in seinem ganz
eigenen Spielfeld, jeweils fünf Meter vor und hinter der Mittellinie. "Wir
wollten Aggressivität und Beherrschung", erklärte van Gaal, "leider hatten
wir nur Beherrschung."
Es brauchte, wie in München vor acht Tagen, ein gestohlenes Tor eines
kroatischen Dauerläufers, um die Bayern am Leben zu halten. Der
"wunderbare, schöne Treffer von Ivica Olic" sei sehr wichtig gewesen, sagte
van Gaal, "ich wusste nun, dass wir es schaffen können." Olic aus
aussichtsarmer Position erkämpftes, mit großem Willen erzieltes 1:3 öffnete
fürwahr die Tür zu einer völlig neuen Bayern-Welt. Begünstigt durch die
Rote Karte von Rafael, schnürten sie den Gegner "mit Geduld und
Selbstvertrauen" (van Gaal) in der eigenen Hälfte ein und machten ihn mit
endlosen Passfolgen mürbe. "Das muss man erst einmal so super spielen",
freute sich hinterher Kapitän Mark van Bommel nicht zu Unrecht über so viel
Kalkül.
Robbens famoser Volley zum 2:3 - "ich weiß nicht, ob ich in meinem Leben
den Ball noch einmal so treffen werde", sagte der Niederländer zu
fortgeschrittener Stunde im Mannschaftshotel Worsley, unweit vom
Scampi-Buffet - fiel nicht unbedingt zwangsläufig, folgte aber doch der
Logik des Van-Gaalschen Prinzips in dieser Saison: Das Team werkelt einfach
so lange vor sich hin, bis einem der beiden Granden auf den Flügeln ein
stupender Einfall kommt.
Der erste Einzug ins Champions-League-Halbfinale seit dem Gewinn der
Trophäe vor neun Jahren ließ Karl-Heinz Rummenigge Parallelen erkennen.
2001 sei man nicht die beste Mannschaft Europas gewesen, sagte der
Vorstandsvorsitzende, man habe jedoch mit "Kampf und unglaublicher
Leidenschaft" reüssiert. Die große Moral der Münchner ließ sich nicht
leugnen. Dass Olic mit seiner selbstlosen Plackerei wirklich stilbildend
für diese Elf ist, ist allerdings zu bezweifeln. Auch hat sie wenig mit
Ottmar Hitzfelds kühl verteidigenden, offensiv eher limitierten CL-Siegern
zu tun. Sie ist eher ihr Gegenentwurf: eine wilde, heterogene Mischung aus
Charakteren und Stilen, ein Team der Extreme mit immensen Schwächen und dem
Hang zu sensationellen Großtaten.
"Typisch für die Deutschen", ärgerte sich Alex Ferguson nach dem Aus. Das
war kein Verweis auf die besonders in Großbritannien gefürchtete Fähigkeit
deutscher Teams, sich nie aufzugeben - der Schotte warf den Bayern vielmehr
vor, mit zynischen Reklamationen beim Schiedsrichter Rafaels Rote Karte
"erzwungen" zu haben. "Typisch für Bayern in dieser Saison" hätte dabei als
Gesamturteil besser gepasst: Wieder einmal gelang es, eine selbst
verschuldete Katastrophe in einen Triumph umzuwandeln. "Wir können immer
wieder zurückkommen", sagte Rummenigge über eine Elf, die diesmal das
bessere United war.
9 Apr 2010
## AUTOREN
Raphael Honigstein
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