# taz.de -- Militärorder fürs Westjordanland: Israel droht mit Ausweisungen | |
> Die Armee will gegen Palästinenser vorgehen, die im Westjordanland nicht | |
> offiziell gemeldet sind. Schlimmstenfalls landen sie sieben Jahre in | |
> Haft. Das betrifft vor allem Personen aus Gaza. | |
Bild: Israelisches Militär in Hebron: Steht bei dem Kontrollierten Gaza als Wo… | |
JERUSALEM taz | Die israelische Armee will unter der Bevölkerung der | |
Palästinensergebiete für "Ordnung" sorgen. Wer sich im Westjordanland | |
aufhält, obwohl er im Gazastreifen gemeldet ist, läuft im besten Fall | |
Gefahr, nach Hause geschickt zu werden. Schlimmstenfalls drohen ihm nicht | |
weniger als sieben Jahre Haft. Die militärische Anordnung tritt ab Dienstag | |
in Kraft und könnte, wie die liberale Haaretz berichtet, einige zigtausend | |
Palästinenser betreffen. Schon protestierten die Menschenrechtsorganisation | |
"HaMoked" und neun weitere Initiativen gegen die "so weitrangig | |
formulierten Anordnungen", die es "nahezu möglich machen, das gesamte | |
Westjordanland von den palästinensischen Bewohner zu räumen" | |
Zweck der Order, über die bereits vor einem halben Jahr entschieden wurde, | |
ist laut Mitteilung der Armee lediglich eine bessere Kontrolle der schon | |
vorher möglichen "Ausweisung illegaler Anwohner in Judäa und Samaria". Die | |
Anordnung betreffe ausschließlich "Personen, die sich ohne die notwendigen | |
Dokumente und Genehmigungen" im Westjordanland aufhalten. Wer offiziell | |
gemeldet ist, sei nicht betroffen. | |
Als problematisch betrachtet "HaMoked", dass die Anordnung für alle | |
Bewohner des Westjordanlands eine von Israel ausgestellte Genehmigung | |
zwingend mache. Die Order "macht alle Bewohner des Westjordanlandes zu | |
Kriminellen, die bis zu sieben Jahre ins Gefängnis gesteckt oder deportiert | |
werden können", schreiben die Menschenrechtsaktivisten. Besorgniserregend | |
sei zudem, dass die Palästinenser nicht über die Anordnung informiert | |
worden seien, was die Armee abstreitet. In einem Protestbrief an das | |
Verteidigungsministerium geben die Menschenrechtsaktivisten ihrer | |
Befürchtung Ausdruck, Israel werde auch Palästinenser, "die im Besitz | |
ausländischer Pässe sind, und deren Eheleute" ausweisen. Dazu gehörten | |
"zigtausende Personen". | |
Zu einer zweiten Gruppe gehören Palästinenser, die entweder mehrere Jahre | |
im Ausland gelebt haben oder dort geboren wurden und deshalb nicht bei den | |
Einwohnermeldeämtern registriert sind. Die dritte und vermutlich größte | |
Gruppe sind Palästinenser aus dem Gazastreifen. Studium, bessere | |
Arbeitsmöglichkeiten oder Ehen sind die häufigsten Gründe für ihren | |
Ortswechsel. Einige hundert Sicherheitsleute waren zudem im Verlauf der | |
gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Hamas vor drei Jahren aus dem | |
Gazastreifen geflohen. Israel stand den verängstigten Fatah-Angehörigen | |
damals bei der Reise vom Gazastreifen ins Westjordanland hilfreich zur | |
Seite. Seither ist die Ausreise für die Palästinenser im Gazastreifen | |
praktisch unmöglich geworden. | |
Die Fatah-Sicherheitsleute dem Feind im Gazastreifen auszuliefern, kann | |
nicht im Sinne der Führung im Westjordanland sein. Israel und die Fatah | |
kooperieren beim Kampf gegen den Terror und gegen die Hamas seit drei | |
Jahren eng miteinander. Deshalb ist kaum zu erwarten, dass die israelische | |
Armee ohne vorherige Absprache Palästinenser aus dem Westjordanland | |
evakuieren wird. Auch sind Razzien und Großfahndungen, die nötig wären, um | |
die Papiere im großen Umfang zu kontrollieren, derzeit aus politischen | |
Gründen kaum möglich. Eher könnten die als "Infiltratoren" definierten | |
Palästinenser an den Straßenkontrollpunkten abgefangen werden und in | |
Gewahrsam genommen werden. | |
Im Fall einer Abschiebung müssten die Betroffenen die Kosten für ihre Haft | |
selbst tragen. Die neue Regelung gibt der Armee grundsätzlich mehr | |
Handlungsspielraum. Wenn bislang zivile Gerichte eine Deportation | |
verhindern konnten, so ist, wie "HaMoked" befürchtet, ab sofort die Armee | |
allein befugt, über Einzelfälle zu entscheiden. | |
13 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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