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# taz.de -- Atheisten wollen Papst verhaften: Der Staat, das ist er
> Atheisten wollen den Papst wegen der Missbrauchsfälle bei seinem Besuch
> in England im September verhaften lassen. Die Chancen dafür stehen aber
> schlecht.
Bild: Was veranstaltet Benedikt XVI. da bloß? Ein Versteckspiel vor den Atheis…
BERLIN taz | Wegen des nicht enden wollenden Missbrauchskandals in der
katholischen Kirche sehen der Wissenschaftler Richard Dawkins und der
Journalist Christopher Hitchens ihre Chance gekommen, juristisch gegen den
Papst vorzugehen und ihn auf die Anklagebank zu setzen.
Wegen "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" lassen der Oxford-Biologe und
der Publizist, beide bekennende Atheisten und Kirchenfeinde, nun eine Klage
gegen Benedikt XVI. vorbereiten. Hintergrund ist die angebliche Rolle des
Papstes bei der Vertuschung sexueller Misshandlungen in der katholischen
Kirche.
Ziel von Dawkins und Hitchens juristischem Feldzug ist es, den
Kirchenführer bei seiner Großbritannien-Visite im September festnehmen zu
lassen - genauso wie den chilenischen Diktator Augusto Pinochet. Der war
1998 für eine Operation nach London gereist, wo er überraschend wegen Mord-
und Foltervorwürfen festgenommen wurde und zwei Jahre in Haft verbrachte,
bevor man ihn zurück nach Chile überstellte.
"Wenn seine Priester mit heruntergelassener Hose entdeckt werden, macht der
Papst sich als Erstes daran, den Skandal zu vertuschen und die jungen Opfer
zum Schweigen zu verdonnern", begründet Dawkins sein Vorhaben. Die
Verheimlichung von Kindesmisshandlung sei eine Straftat, die geahndet
werden müsse.
Kann man Gottes Vertreter auf Erden einfach so vor ein irdisches Gericht
zerren? Ihn auf Gott schwören lassen, dass er die Wahrheit sage, nichts als
die Wahrheit? Kann also jeder eine Klage gegen Benedikt XVI. einreichen?
Ganz abgesehen von dem Nachweis dieser Unterstellungen - Vertuschung und
Verheimlichung -, die rechtlichen Hürden für die Zulassung einer Klage sind
sehr hoch. Das Vorhaben ist sogar aussichtslos.
Der prominente Menschenrechtsanwalt Geoffrey Robertson, der mit
Ausarbeitung einer Klageschrift beauftragt wurde, argumentiert, der Papst
könne nach dem Prinzip der Zuständigkeit eines jeden Gerichts für
schlimmste Verbrechen auch von der britischen Justiz verfolgt werden. So
wie Pinochet 1998. Benedikt XVI. sei als Oberhaupt des Vatikanstaates nicht
vor Strafverfolgung geschützt, so Robertson. Denn der Vatikan sei nicht
Mitglied der Vereinten Nationen, sei kein Staat und kein
Völkerrechtssubjekt und damit nicht Träger von völkerrechtlichen Rechten
und Pflichten.
Aber Robertsons Argumentation ist einseitig: Natürlich kann man die
Völkerrechtssubjektivität des Vatikanstaats in Frage stellen - was im
Moment auch in den USA vor Zivilgerichten getan wird. Aber der Papst
genießt eine völkerrechtliche Sonderstellung.
Der Heilige Stuhl - rechtlich identisch mit dem Papst und streng von der
Völkerrechtssubjektivität des Vatikanstaates zu trennen - ist ein
Völkerrechtssubjekt kraft Tradition, genauso wie das Internationale Komitee
des Roten Kreuzes und der Souveräne Malteserorden. Die drei sind die
einzigen nichtstaatlichen Völkerrechtssubjekte und genießen mit dieser
Sonderstellung zahlreiche Privilegien. So hat der Heilige Stuhl etwa einen
eigenen diplomatischen Dienst.
Die Völkerrechtssubjektivität des Heiligen Stuhls wurde bereits im
Mittelalter anerkannt und blieb auch nach der Auflösung des Kirchenstaates
1870 bestehen. Im Völkerrecht ist dies der derzeit einzige Fall, dass einer
natürlichen Person in ihrer amtlichen Eigenschaft Völkerrechtssubjektivität
zukommt. Damit unterscheidet sich der Papst von einem gewöhnlichen
Regierungschef, der für ein Völkerrechtssubjekt handelt, jedoch selbst
keines ist.
Dass nun Dawkins und Hitchens mit eine Klage gegen den geistlichen
Würdenträger vorgehen wollen, ist nicht ganz verwunderlich. Der
Bestsellerautor Dawkins gilt weltweit als einer der profiliertesten
Religionskritiker. Mit Büchern wie "Der Gotteswahn" will er möglichst viele
Menschen vom Atheismus überzeugen.
Im letzten Jahr wurde Dawkins Weltbild wegen seines Aktionismus vom Kölner
Erzbischof Joachim Meisner in die Nähe zur NS-Ideologie gerückt. "Ähnlich
wie einst die Nationalsozialisten im einzelnen Menschen primär nur den
Träger des Erbgutes seiner Rasse sahen, definiert auch der Vorreiter der
neuen Gottlosen, der Engländer Richard Dawkins, den Menschen als
,Verpackung der allein wichtigen Gene', deren Erhaltung der vorrangige
Zweck unseres Daseins sei", sagte der Kardinal in seiner
Allerheiligen-Predigt. Auch Hitchens ist für seinen Atheismus bekannt. 2007
veröffentlichte er das Buch "Der Herr ist kein Hirte. Wie Religion die Welt
vergiftet".
15 Apr 2010
## AUTOREN
Cigdem Akyol
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