# taz.de -- Parteitage von Grünen und FDP in NRW: Freud und Leid | |
> Die Grünen wittern Macht, die FDP sinkt in den Umfragen und schweigt. Die | |
> Bilanz zweier ganz gegensätzlicher Treffen vor der NRW-Wahl. | |
Bild: Selbstbwusste Inszenierung: Cem Özdemir auf dem Parteitag der Grünen am… | |
KÖLN taz | Wer zur FDP auf das Kölner Messegelände will, der muss durch | |
eine Sicherheitsschleuse wie am Flughafen. In einem fensterlosen | |
Veranstaltungssaal treffen sich die Delegierten am Wochenende zum | |
Bundesparteitag. Und die Parteiführung schweigt zu den eigenen Problemen. | |
Auf der anderen Rheinseite schimpfen die Grünen-Delegierten hingegen | |
wortreich auf die CDU-FDP-Regierungen im Bund und in Nordrhein-Westfalen. | |
Durch die Fenster der Vulkanhalle, in dem der kleine Parteitag der Grünen | |
stattfindet, scheint die Sonne. Zwei gegensätzliche Räume, die zur Stimmung | |
in den Parteien passen. | |
Die Grünen wissen sich in Einklang mit der gesellschaftlichen Mehrheit. | |
Demonstrativ erwähnt dies der Grünen-Kovorsitzende Cem Özdemir in seiner | |
Rede: 61 Prozent der Bevölkerung sagten laut Umfragen Nein zu den | |
Steuersenkungen, die die FDP vehement fordert. | |
In den Umfragen zur NRW-Landtagswahl sieht es ähnlich aus. Jüngste | |
Befragungen bescheinigen CDU und FDP derzeit keine gemeinsame | |
Regierungsmehrheit im bevölkerungsreichsten Bundesland. Allerdings ist auch | |
eine Mehrheit für Rot-Grün ungewiss. Doch zwei Wochen vor der Wahl am 9. | |
Mai hegen die Grünen die Hoffnung, bald mitzuregieren. Wenn nicht mit dem | |
Wunschpartner SPD, dann eben mit der wortreich geschmähten CDU. | |
Letzteres sprechen die Redner natürlich nicht aus, denn das könnte | |
potenzielle Wähler abschrecken. Aber in den Formulierungen scheint diese | |
sogenannte Zweitoption immer wieder durch. Beispielsweise in der Rede ihrer | |
Spitzenkandidatin in NRW, Sylvia Löhrmann. Darin fordert sie: "Keine | |
Laufzeitverlängerung für Schwarz-Gelb. In keiner Beziehung." | |
Damit meint sie zum einen den umstrittenen Bau eines Kohlekraftwerks im | |
westfälischen Datteln, den die Grünen verhindern wollen. Und zugleich das | |
Lieblingsthema der Grünen: ihr Nein zu längeren Laufzeiten von | |
Atomkraftwerken. Auch darin wissen sich die Grünen im Einklang mit der | |
gesellschaftlichen Stimmung. | |
Die gleichzeitig tagenden FDP-Delegierten wissen ebenso um diese | |
Stimmungslage - und dass diese gegen ihr Kernanliegen massiver | |
Steuersenkungen gerichtet ist. Mit großer Mehrheit stimmen die | |
FDP-Delegierten dennoch für Steuersenkungen in Höhe von 16 Milliarden Euro. | |
Ab 2012 wollen sie sie umsetzen. Ihre Regierungsbeteiligung in Düsseldorf | |
droht indes nach fünf Jahren zu enden. Ihre Reaktion darauf ist eine | |
Mischung aus Aggressivität und Schweigen. So erwähnt Parteichef Guido | |
Westerwelle in seiner fast eineinhalbstündigen Rede die Wahl in | |
Nordrhein-Westfalen mit kaum einem Wort. | |
Bezeichnenderweise erhält der angeschlagene Parteichef den stärksten | |
Applaus, als er den neuen FDP-Generalsekretär Christian Lindner lobt. Der | |
31-Jährige "ziert und schmückt" die Partei, erklärt der sichtlich | |
angespannte Westerwelle. | |
Am Tag zuvor hatte Lindner - nachdem er mit 95,6 Prozent der Stimmen | |
gewählt worden war - die Rede gehalten, die die FDPler sich von Westerwelle | |
erhofft hatten. Rhetorisch geschickt vermischte Lindner die bekannten | |
Forderungen nach Steuersenkungen mit fürsorglich klingenden Formulierungen. | |
Nach seiner Rede am Sonntag tritt Parteichef Westerwelle sich sichtlich | |
gerührt gebend an den Bühnenrand. Er dankt der Partei für die Unterstützung | |
in dieser schwierigen Zeit. | |
Vielleicht ist er tatsächlich dankbar. Denn zum ersten Mal wird ein | |
möglicher Nachfolger sichtbar: Christian Lindner. Westerwelle ist von nun | |
an ein Parteichef auf Bewährung. | |
26 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Matthias Lohre | |
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