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# taz.de -- SCHÜSSE IN SCHÖNFLIESS: Polizist beruft sich auf Notwehr
> Beim ersten Prozesstag gegen drei Polizisten wegen Todesschüssen platzt
> das Gericht aus allen Nähten. Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe.
> Nebenklage nennt Schützen einen "Rambo-Typ"
Von einem solchen Andrang ist das kleine Landgericht Neuruppin überfordert.
Kameraleute, Journalisten, Kollegen der angeklagten Polizisten und
zahlreiche Freunde des getöteten 26-jährigen Dennis J.: So viel Plätze gibt
der Sitzungssaal nicht her. Am Ende sind es die arabischen und türkischen
Freunde des Getöteten aus Neukölln, die stehen müssen oder auf den
Fensterbänken hocken. Dementsprechend gereizt ist deren Stimmung.
Durch eine Seitentür - um sie vor der Presse und den Neuköllnern zu
schützen - kommen die drei Angeklagten herein. Der 1,90 Meter große,
durchtrainierte Mann, der Kaugummi kauend und lächelnd seine Anwalt
begrüßt, ist der 36-jährige Hauptangeklagte Reinhard R. Der Hauptkommissar
ist wegen Totschlags angeklagt. Er war derjenige, der am Silvesterabend
2008 im brandenburgischen Schönfließ sein ganzes Magazin leerfeuerte, um
den in einem gestohlenen Jaguar sitzenden J. an der Flucht zu hindern.
Seine beiden 33 und 59 Jahre alten Kollegen sind wegen Strafvereitelung
angeklagt, sie sollen falsche Angaben gemacht haben, um eine Bestrafung R.s
zu verhindern.
Dennis J. hatte in dem Jaguar auf seine Freundin gewartet, als er von den
Fahndern gestellt wurde. R. war ihm schon seit ein paar Wochen persönlich
auf der Spur, um drei Haftbefehle zu vollstrecken. Er hatte einen Tipp
bekommen, dass J. an diesem Abend in Schönfließ war. R. habe gezielt durch
die Scheibe auf der Fahrerseite des Autos auf den Oberkörper des im Wagen
sitzenden jungen Mannes geschossen, sagt der Staatsanwalt. "Um erneut die
Flucht zu verhindern", habe er den Tod des jungen Mannes billigend in Kauf
genommen. Der erste von acht Schüssen sei der tödliche gewesen.
Die Angeklagten lassen am Dienstag über ihre Anwälte Erklärungen verlesen,
in denen sie die Vorwürfe bestreiten. Er habe in Notwehr geschossen, weil
sein Leben und das seiner Kollegen in Gefahr gewesen seien, so R. Die
Mitangeklagten sagen, sie hätten von der Schussabgabe unmittelbar nichts
mitbekommen.
In der Anklage werde R. als erfahrener Fahnder beschrieben, sagen die
Anwälte von J.s Familie, die in dem Prozess als Nebenklägerin auftritt. Er
sei ein "Rambo-Typ", der von so großem Ehrgeiz beseelt gewesen sei, Dennis
J. zu stellen, dass er sogar in seiner Freizeit nach diesem gefahndet habe.
Nach der Tat habe er keinerlei Empathie mit dem Opfer gezeigt.
Am Dienstagabend begeben sich die Prozessbeteiligten zu einer
Tatortbesichtigung nach Schönfließ. Die Uhrzeit ist gewählt worden, um
ähnliche Lichtverhältnisse zu haben, wie sie an jenem Dezemberabend
herrschten. 14 Zeugen und fünf Sachverständige sind in dem bis Juni
anberaumten Prozess geladen, die Verteidiger und die Anwälte der Familie
sind sich einig, dass der Prozess durch die Gutachten entschieden wird. Die
Verteidiger haben ein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben, mit dem sie
belegen wollen, dass R. in Notwehr gehandelt hat. Der Prozess wird am 20.
Mai fortgesetzt - für diesen Termin will das Gericht Platzkarten vergeben.
4 May 2010
## AUTOREN
Plutonia Plarre
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