# taz.de -- Streit um befruchtete Eizellen: Frau darf von Totem schwanger werden | |
> Eine Klinik weigerte sich, künstlich befruchtete Eizellen an eine Witwe | |
> herauszugeben. Sie klagte. Jetzt gab ihr das Oberlandesgericht recht. | |
> Samen- und Eizelle seien bereits "innig" verbunden. | |
Bild: Ines S. freut sich über die Entscheidung des Rostocker Oberlandesgericht… | |
BERLIN taz | Ines S. darf ein Kind ihres verstorbenen Ehemannes bekommen. | |
Das Oberlandesgericht Rostock (OLG) entschied am Freitag, dass eine Klinik | |
die künstlich befruchteten Eizellen der 29-jährigen Neubrandenburgerin | |
herausgeben muss. | |
Ines S. hatte sich mit ihrem Ehemann Sandro S. für eine künstliche | |
Befruchtung in der Dietrich-Bonhoeffer-Klinik in Neubrandenburg | |
entschieden. Kurz danach war ihr Mann bei einem Motorradunfall gestorben. | |
Die Klinik weigerte sich daraufhin, die Eizellen freizugeben, und berief | |
sich auf das Embryonenschutzgesetz. Diesem zufolge ist die Befruchtung | |
einer Eizelle mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tod strafbar. | |
In erster Instanz hatte die Klinik vom Landgericht Neubrandenburg recht | |
bekommen. Dieses Urteil hebt das Rostocker Oberlandesgericht nun auf. Das | |
OLG argumentierte: Zwar sei es strafbar, eine Eizelle mit dem Samen eines | |
Mannes nach dessen Tode künstlich zu befruchten; doch im Fall der Klägerin | |
treffe dies nicht zu, der Samen sei schon vor dem Tode verwendet worden. | |
Selbst wenn sich noch kein Embryo entwickelt habe, seien männliches und | |
weibliches Erbgut bereits in einer "innigen Verbindung". Ulrike Riedel, | |
ehemalige Staatssekretärin und Mitglied des deutschen Ethikrats, begrüßte | |
das Urteil: "Ich finde das Urteil richtig. Im konkreten Fall werden keine | |
grundsätzlichen Fragen des Embryonenschutzgesetzes berührt." | |
Bei dem Rechtsstreit geht es um die Grundsatzfrage, wann eine Eizelle | |
befruchtet ist und als Embryo eingestuft wird. Das Landgericht | |
Neubrandenburg hatte 2009 entschieden, dass eine Befruchtung erst vorliegt, | |
wenn Eizelle und Spermium vollständig miteinander verschmolzen sind. Bei | |
einer künstlichen Befruchtung werden die Zellen jedoch in einem | |
Vorkernstadium eingefroren. Erst beim Auftauen verschmelzen sie | |
vollständig. "Der Gesetzgeber hat die Pflicht, die Vorschriften zu prüfen", | |
merkte das OLG aufgrund des Definitionsstreits in seiner Urteilsbegründung | |
an. Nach Einschätzung des OLG könnte die Politik zu Nachbesserungen des | |
Embryonenschutzgesetzes gezwungen sein. Die Rostocker Richter ermöglichten | |
die Revision. | |
Laut Uwe Kappich, Anwalt der Klinik, wird das Urteil zunächst geprüft: | |
"Bisher gehen wir aber nicht davon aus, dass wir weitere Rechtsmittel | |
anwenden werden." Ines S. will, sobald sie die Eizellen hat, nach Polen | |
reisen, um sie sich dort in einer Klinik einsetzen zu lassen. | |
7 May 2010 | |
## AUTOREN | |
Laurence Thio | |
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