# taz.de -- Anschlag auf Zug fordert 70 Tote: Mit dem Schnellzug in den Tod | |
> Bürgerkriegsähnliche Zustände im Osten Indiens: In einem von Maoisten | |
> kontrollierten Gebiet wurde nachts einen Schnellzug zum Entgleisen | |
> gebracht – ein Güterzug rammte ihn dann. | |
Bild: Der Zug, auf den der Anschlag verübt wurde. | |
DELHI taz | Im Zuge der bürgerkriegsähnlichen Kämpfe im Osten Indiens sind | |
erneut viele Menschen getötet worden. Mindestens 70 Reisende starben | |
Freitag früh, als eine Bombe 13 Waggons eines Schnellzuges auf dem Weg von | |
Kalkutta nach Bombay entgleisen ließ. Ungefähr 120 Menschen wurden | |
verletzt. Die von Maoisten unterstützte Rebellengruppe Volkskomitee gegen | |
Polizeigewalt (PCPA) habe sich in einem Anruf zu der Tat bekannt, hatte die | |
indische Nachrichtenagentur PTI gemeldet. | |
Im Laufe des Tages wies der Sprecher der Gruppe jedoch den Verdacht der | |
Beteiligung an dem Anschlag zurück. Die gegen die Regierung kämpfenden | |
Maoisten sind in weiten Teilen Ostindiens aktiv. Die Bombe explodierte an | |
einem Streckenteil, der durch von den Maoisten militärisch kontrolliertes | |
Gebiet führt. | |
"Die Leute weinen. Ich sehe, wie einzelne Köperteile aus den Fenstern | |
hängen", berichtete ein Augenzeuge. Die entgleisten Waggons wurden von | |
einem entgegenkommenden Güterzug gerammt. | |
Die militärischen Auseinandersetzungen zwischen Maoisten und | |
paramilitärischen Regierungseinheiten haben sich in der Vergangenheit | |
verschärft. Laut unabhängigen Beobachtern in Delhi haben die Maoisten in | |
den Bundesstaaten Westbengalen, Chhattisgarh, Jharkhand und Orissa 15.000 | |
Vollzeitkämpfer und 50.000 Dorfmilizen. Große Dschungelgebiete werden von | |
ihnen oft schon seit Jahren oder Jahrzehnten militärisch kontrolliert und | |
zum Teil auch administrativ verwaltet. | |
Im November begann die Regierung mit 200.000 Polizisten eine Offensive | |
gegen maoistisch besetzte Gebiete. Doch seit dem Frühjahr scheinen die | |
Maoisten zur Gegenoffensive auszuholen. | |
Im April verübten sie bei einem Überfall auf eine paramilitärische | |
Polizeieinheit in Chhattisgarh ihren bislang folgenreichsten Angriff: 76 | |
Polizisten wurden getötet. Bisher gehörten Angriffe auf Polizei, | |
Regierungsgebäude und staatliche Infrastruktur wie Bahnhöfe zur | |
maoistischen Strategie, nicht aber Angriffe, die viele zivile Opfer | |
fordern. | |
Doch bereits zu Monatsbeginn zerbombten Maoisten einen öffentlichen Bus, in | |
den eine große Gruppe Polizisten eingestiegen war. Dabei starben 35 | |
Menschen. Die Angriffe spielen einer Kampagne der Regierung in die Hände, | |
die jede Sympathieäußerung für die Maoisten in der Öffentlichkeit | |
kriminalisieren will. | |
Vor Kurzem kündigte das Innenministerium in Delhi an, künftig auch | |
Intellektuelle und Menschenrechtsaktivisten juristisch zu verfolgen, die | |
sich positiv über die sozialen Forderungen der Maoisten äußern. | |
Doch der Streit über den richtigen Umgang mit den Maoisten reicht bis ins | |
Regierungskabinett hinein. Innenminister Palaniappan Chidambaram beschwerte | |
sich erst kürzlich öffentlich darüber, dass er im Kampf gegen die Maoisten | |
nicht über ein "unbeschränktes Mandat" verfüge. Zuvor hatte ein Vertrauter | |
von Sonia Gandhi, Chefin der regierenden Kongresspartei, Chidambarams | |
antimaoistische Strategie als zu einseitig militärisch kritisiert. | |
29 May 2010 | |
## AUTOREN | |
Georg Blume | |
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