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# taz.de -- Terminverschleppung: Und leise wächst der Gen-Mais
> Weil zwei niedersächsische Ministerien geschlampt haben, ist auf
> deutschen Feldern gentechnisch veränderter Mais ausgesät worden.
> Greenpeace vermutet hinter den Verzögerungen Kalkül.
Bild: Genmais auf einem Feld im Brandenburg: Hat auch hier Niedersachsen gepenn…
Auf deutschen Feldern wird dieses Jahr Gen-Mais wachsen, weil sich das
niedersächsische Landwirtschaftsministerium Zeit gelassen hat. Erst Ende
April, nach Ablauf der vereinbarten Fristen, hatte es dem niedersächsischen
Umweltministerium mitgeteilt, dass zwei der überprüften Maissorten
gentechnisch verunreinigt waren. Für eine Rückrufaktion war es da bereits
zu spät: Das Saatgut war verkauft und auf die Felder gebracht.
EU-weit gilt ein Reinheitsgebot für Saatgut. Deshalb überprüfen die
Bundesländer jedes Frühjahr die Qualität des Saatguts auf eventuelle
gentechnische Veränderung. Rund 400 Stichproben nehmen sie dazu insgesamt.
Bis Ende März - also noch vor der Aussaat - sollten die Ergebnisse
vorliegen, darauf haben sich die Länder geeinigt. So ist sichergestellt,
dass kontaminiertes Saatgut zurückgerufen werden kann und nicht auf die
Felder gelangt.
Werden gentechnisch verunreinigte Proben gefunden, wird der Hersteller
aufgefordert, das Saatgut vom Markt zu nehmen. Der Forderung kommen die
Unternehmen üblicherweise nach. Sie wollen damit eventuellen
Schadensersatzforderungen vorbeugen, die im Nachhinein an sie gestellt
werden könnten.
Soweit die Theorie - die Praxis in Niedersachsen sieht anders aus. Fast
vier Wochen nach Fristende, am 27. April, leitete das
Landwirtschaftsministerium die positiven Testergebnisse an das
Umweltministerium weiter. Zwei der 35 Proben waren mit dem Gen-Mais NK603
verunreinigt. Eigenen Angaben zufolge informierte das Umweltministerium
daraufhin sofort betroffene Bundesländer. Verkauft wurde das Saatgut
nämlich nicht nur in Niedersachsen. Man habe das betreffende Unternehmen
unverzüglich aufgefordert, Vertriebswege und die verkauften Mengen offen zu
legen, erklärt Stefanie Becker, Sprecherin des Umweltministeriums.
Angesichts des Zeitpunkts geht Becker allerdings davon aus, dass der
Gen-Mais bereits ausgesät wurde. Wie nun verfahren wird, ist Ländersache.
"Ob man die Äcker umbrechen lässt und umsät oder den Mais hochwachsen lässt
und dann in einer Biogasanlage vernichtet, entscheidet sich noch", sagt
Becker. Zunächst müsse die Stellungnahme des verursachenden Unternehmen
angehört werden. Die Frist dafür ist am gestrigen Freitag abgelaufen.
"Die Behörden in Niedersachsen befinden sich offensichtlich in einem
Dornröschenschlaf", sagt Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Martin
Hofstetter. Niedersachsen sei das einzige Bundesland, das keinerlei
Maßnahmen ergriffen hätte, die Aussaat von Gen-Mais zu verhindern. Er
vermutet hinter den Verzögerungen Kalkül. "So wie Niedersachsen zur
Gentechnik steht, liegt der Schluss nahe, dass hier bewusst verzögert
wurde, nach dem Motto: Ein bisschen Gentechnik schadet ja nicht", so der
Greenpeace-Experte.
Diesem Vorwurf widersprechen sowohl Umwelt-, als auch
Landwirtschaftsministerium. Umweltministeriums-Sprecherin Becker verweist
auf das Landwirtschaftsministerium, das die Ergebnisse erst Ende April
weitergab. "Wir haben ganz stringent sofort alle Maßnahmen ergriffen",
sagte sie. Der Sprecher des Landwirtschaftsministeriums, Gert Hahne, möchte
die Verzögerungen nicht erklären. "Der eine ist manchmal schneller, der
andere langsamer", sagt er.
Mitte Mai startete Greenpeace eine Umfrage, nach der 25 Sorten der über 350
getesteten kontaminiert waren. Nur in Sachsen, dem Saarland und
Mecklenburg-Vorpommern gab es kein gentechnisch verändertes Saatgut. Bis
auf Niedersachsen ergriffen aber alle Bundesländer Maßnahmen, um die
Aussaat zu verhindern. Sie veranlassten die Vernichtung oder den Rückruf
aus dem Handel.
Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium dagegen weist dem
betroffenen Unternehmen die alleinige Verantwortung zu. "Wir sind nur für
die Überprüfung zuständig. Die Reinheit des Saatguts müssen die Unternehmen
sicherstellen. Es ist schon komisch, dass nicht der Verursacher angegriffen
wird, sondern der, der die Ergebnisse übermittelt", sagt
Ministeriumssprecher Hahne.
Dass Niedersachsen einen eigenen Weg in Sachen grüner Gentechnik geht,
zeigte sich bereits vor drei Jahren. Kurz vor dem Verbot der Gen-Maissorte
MON810 hatte der Präsident der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Fritz
Stegen, auf seinem Hof in Bokel Gen-Mais aussäen lassen.
Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen (CDU) stellte sich damals
demonstrativ vor ihn - obwohl er frühzeitig von dem drohenden Verbot
gewusst haben dürfte.
In welchen Bundesländern das verunreinigte Saatgut gelandet ist und wie
groß die damit bestellten Flächen sind, dazu schweigen beide Ministerien.
Äußern wollen sie sich auch nicht zum betreffenden Saatguthersteller. Der
Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Martin Hofstetter tippt auf den
US-Konzern Pioneer. Der handelte sich zuletzt im Februar Kritik ein, weil
er in Unterfranken Gen-Mais aussähen wollte.
28 May 2010
## AUTOREN
Veronika Wawatschek
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