# taz.de -- CDU-Rücktritte: Koch - schon fast nicht mehr da | |
> Auf dem "Hessentag" kann der scheidende hessische Ministerpräsident sich | |
> nur noch beim Thema Haushalt ereifern. Aber auch Horst Köhler bekommt | |
> sein Fett weg. | |
Bild: ...wie ein Junge auf der letzten Bank. | |
STADTALLENDORF taz | Stadtallendorf hat sich geschmückt wie zum großen | |
Dorffest. Der 50. Hessentag, 1961 zwecks Identitätsstiftung von der | |
Landesregierung ins Leben gerufen, ist Zeit und Ort für einen der letzten | |
populistischen Auftritte des Nochministerpräsidenten Roland Koch (CDU). | |
Tradition sei es geworden, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Christean | |
Wagner, sich aus Anlass des bunten Rummels in einer öffentlichen | |
Fraktionssitzung den Fragen der Bevölkerung zu stellen. Wagner verkündet | |
vollmundig: "Wir sind bereit!" | |
Die Öffentlichkeit aber ist nur spärlich gekommen und hat, | |
Horst-Köhler-Rücktritt hin, Roland-Koch-Rücktritt her, gar keine, nicht | |
eine einzige Frage. Der Ausländerbeirat dankt artig für die gute | |
Zusammenarbeit der letzten Jahre und die Feuerwehr ebenso. | |
So bleibt es Koch überlassen, trotzdem Antworten zu geben. Das beginnt er | |
mit einer Flapsigkeit darüber, dass er in seinem 11. Amtsjahr auch den 12. | |
Hessentagsumzug ohne Regen erleben und ertragen möchte. Der Rücktritt des | |
Bundespräsidenten folgt sodann. Der, so Koch, habe ihn in Berlin ereilt, | |
und zwar "überraschend": "Das hat uns alle vom Stuhl gehauen." | |
Seine kleine Ohrfeige für den geschiedenen Köhler verpackt er in indirekte | |
Form. "In so krisenhafter Zeit" einfach zu gehen sei etwas, das "auch nicht | |
hilft". Jetzt müsse das Amt, mit komfortabler Mehrheit von CDU und FDP, | |
schnell wieder neu besetzt werden. Koch selbst hatte seine | |
Rückzugsankündigung vor einer Woche damit begründet, dass in Hessen ja | |
alles stabil sei. | |
Koch wirkt während der Veranstaltung zwar nervös, aber auch gelöst, und | |
manchmal kommt er rüber, als sei er gar nicht mehr da. Dann lehnt er sich | |
zurück und streckt die Beine aus, verschränkt die Hände hinter dem Nacken | |
und wippt wie der Junge auf der letzten Bank, blättert in seinen | |
Unterlagen, liest in seinem Handy. Und bietet dabei noch einmal all jene | |
Körpersprache, an die die Hessen sich mit den Jahren so gewöhnt hatten: Den | |
Zeigefinger, der an die Nasenspitze pickt, über die Oberlippe fährt, die | |
wie zum Gebet gefalteten Hände unter dem Kinn, die verschränkten Oberarme, | |
die tippenden Füße. Sein Applaus für die Redeiträge ist fast nicht | |
vorhanden. Nur das in Tracht herbeigeeilte Hessentagspaar bekommt etwas | |
mehr Beifall und den ein oder anderen interessierten Blick. | |
Zu alter Form in freier Rede läuft der Regierungschef, der angekündigt | |
hatte, bis zum letzten Amtstag Ende August "ohne Abstriche zu führen", nur | |
auf, als er sich über die Finanzmisere des Bundes und der Länder ereifert. | |
Quintessenz der Rede ist, dass so alles aber auch gar nicht weitergehen | |
könne und dürfe. Das "öffentliche Bewusstsein" für die Notwendigkeit des | |
Sparens sei "leicht unterentwickelt". | |
Koch betont, mit Blick auf seine Kontroverse mit der Bundeskanzlerin, dass | |
auch für ihn "Bildung Priorität habe". Aber die Verschuldung sei viel zu | |
hoch. Der Bundeshaushalt werde zum Löwenanteil von den Leistungen für "den | |
Brocken Sozialpolitik" und den Zinsen aufgefressen, der Länderhaushalt für | |
Bildung und innere Sicherheit. Alles müsse auf den Prüfstand. | |
Nach seiner Rede nimmt sich Koch Auszeit für Gespräche am Rand, während die | |
Fraktion sich weiter an der Tagesordnung abarbeitet. Koch designierter | |
Nachfolger, Innenminister Volker Bouffier, bleibt im Hintergrund. Da, wo | |
Koch bisher eher tänzelte, wirkt er langsam und schwerfällig. | |
2 Jun 2010 | |
## AUTOREN | |
Heide Platen | |
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