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# taz.de -- Menschrechtler ermordet: Kongo verliert kritische Stimme
> Floribert Chebeya, der bekannteste Menschenrechtler der Demokratischen
> Republik Kongo, wird tot aufgefunden. Zuvor war er in Kinshasa einer
> Polizei-Vorladung gefolgt.
Bild: Unter Verdacht im Mordfall Chebeya: die kongolesische Polizei.
Der international bekannteste Vorkämpfer für die Menschenrechte in der
Demokratischen Republik Kongo ist tot. Floribert Chebeya, Präsident der
Menschenrechtsorganisation "Voix de Sans-Voix" (VSV), auf deutsch "Stimme
der Stimmlosen", wurde nach Polizeiangaben am Mittwoch leblos in seinem
Auto am westlichen Rand der Hauptstadt Kinshasa gefunden. Freunde Chebeyas
gehen davon aus, dass er erschossen worden ist, möglicherweise von der
Polizei, und verlangen ebenso wie zahlreiche kongolesische Organisationen
eine unabhängige Untersuchung.
Mit Chebeya verliert die Demokratische Republik Kongo eine ihrer wenigen
unbestechlichen Stimmen, die beharrlich auf staatliche Willkür und Gewalt
und Missachtung der Menschen- und Bürgerrechte aufmerksam machen. Seit
nahezu 20 Jahren ist VSV eine der wenigen Menschenrechtsgruppen im Kongo,
die kontinuierlich arbeitet, Regime jeder Couleur zur Rechenschaft zieht
und dabei ihre parteipolitische Unabhängigkeit bewahrt. Aus ihrem Büro in
Kinshasas Stadtteil Kintambo wies VSV regelmäßig die nationale und
internationale Öffentlichkeit in Presseerklärungen auf politische Morde und
Verschwindenlassen sowie Verfolgung von Regierungsgegnern hin. Chebeyas Tod
sei "ein enormer Verlust für das kongolesische Volk", sagte gegenüber der
taz Amigo Ngonde, Präsident der mit VSV zusammenarbeitenden Organisation
"Afrikanischer Menschenrechtsverband" (Asadho) in Kinshasa.
Wie Amigo Ngonde gegenüber der taz den Hergang von Chebeyas Tod im Einklang
mit anderen Quellen berichtet, folgte der VSV-Chef am späten
Dienstagnachmittag einer Vorladung von Kongos Polizeichef, Generalinspektor
John Numbi. Die Vorladung dazu war ihm am Montag überbracht worden mit der
Ansage, den Grund dafür werde er vor Ort erfahren. Er fuhr mit seinem
Fahrer Fidèle Bazana zu Numbis Büro. Wie immer bei solch heiklen Terminen
hielt er ständig Kontakt zu seiner Frau. Per SMS teilte er ihr gegen 19 Uhr
mit, General Numbi habe nun doch keine Zeit für ihn und er werde wieder
nach Hause fahren.
Eine halbe Stunde später erhielt Chebeyas Frau eine zweite SMS, wonach er
noch bei der Universität vorbeifahren wolle. Dies war Chebeyas letztes
Lebenszeichen. Telefonisch erreichbar war er danach nicht mehr. Die
Echtheit der zweiten SMS wird von Ngonde bezweifelt, da Chebeya sie nicht
wie üblich mit seinem Namen unterzeichnet habe. Gegenüber dem
UN-Rundfunksender Radio Okapi sagte seine Ehefrau, ihr Mann habe keinen
Plan gehabt, abends noch in die Universität zu fahren. Am Mittwochmorgen
schlug VSV Alarm und erklärte, ihr Präsident und sein Fahrer seien
"verschwunden".
Am Nachmittag bestätigte Polizeigeneral Jean de Dieu Oleko den Tod
Chebeyas. Das Auto sei am Morgen bei Mitendi an einer Ausfallstraße aus
Kinshasa in südwestlicher Richtung gefunden worden, Chebeyas Körper "leblos
auf dem Rücksitz des Wagens, offenbar ohne sichtbare Zeichen von
Gewalteinwirkung". Der Fahrer sei verschwunden. Eine Untersuchung sei
eingeleitet worden. Die Regierung erklärte, sie bedauere Chebeyas Tod und
man ermittle in alle Richtungen.
Bis Donnerstagmittag war Floribert Chebeyas Leiche von der Polizei
allerdings weder freigegeben noch überhaupt zur Besichtigung zugänglich
gemacht worden. Den Kollegen des VSV-Chefs teilte die Polizei zwar mit, sie
dürften in die Leichenhalle des städtischen Krankenhauses kommen, dort aber
wurde ihnen der Zutritt von Polizisten versperrt. "Die Polizisten
betrachten die Leiche als ihr Privateigentum", sagte ein
Menschenrechtsaktivist. Genauere Angaben über die Todesursache und den
Hergang waren daher noch nicht zu machen. Die Polizei habe lediglich
bestätigt, dass Chebeya tatsächlich ermordet wurde, hieß es.
Asadho-Chef Amigo Ngonde nennt alle näheren Mutmaßungen daher
"Spekulation". Er weist jedoch darauf hin, dass Menschenrechtler in
Kinshasa gefährlich leben. "Die Verteidiger der Menschenrechte leben in
Unsicherheit", sagt er der taz. "Wir können nicht normal arbeiten. Aber die
Behörden sagen, wir arbeiten für das westliche Ausland".
Der 47jährige Floribert Chebeya wurde schon oft bedroht oder festgenommen
und war seit Jahren ständig darauf vorbereitet, im Untergrund leben zu
müssen. Zuletzt verbrachte er im März 2009 knapp eine Woche in Haft,
zusammen mit VSV-Vizepräsident Dolly Ibefo. Damals hatten
zivilgesellschaftliche Organisationen gegen den erzwungenen Rücktritt des
Parlamentspräsidenten Vital Kamerhe demonstrieren wollen, der sich mit
Staatschef Joseph Kabila überworfen hatte.
Heute ist die Stimmung in Kinshasa auch wieder angespannt, seit Rebellen im
Umfeld des in Den Haag inhaftierten Oppositionsführers Jean-Pierre Bemba
vor zwei Monaten kurzzeitig die Provinzhauptstadt Mbandaka 500 Kilometer
flußaufwärts von Kinshasa besetzten. Beobachter berichten von großem
staatlichem Misstrauen gegenüber Kinshasa-Bewohnern, die aus dieser Region
stammen und daher als verdächtig gelten. VSV hat mehrfach die Verfolgung
von Bemba-nahen Militärs durch Kongos Regierung kritisiert, Asadho
kritisierte vor wenigen Wochen "summarische Hinrichtungen" durch das
Militär in Mbandaka.
Auch im Vorfeld der pompösen Feiern zum 50. Jahrestag der kongolesischen
Unabhängigkeit am 30. Juni wolle der Staat kritische Stimmen mundtot
machen, heißt es. Am 11. Mai schossen Soldaten in Kinshasa auf einen
Protestmarsch einer christlichen Kirche, die die Freilassung dreier
festgenommener Mitglieder forderten. Es gab einen Toten und mehrere
Verletzte, und VSV sprach von "blutiger Repression". Zuletzt soll sich
Floribert Chebeya mit den inhumanen Haftbedingungen in Kinshasas
Gefängnissen beschäftigt haben.
In Deutschland war Chebeya ein geschätzter Gesprächspartner. Zuletzt warnte
er im März bei einem Besuch in Berlin vor zunehmendem Autoritarismus im
Kongo im Vorfeld der für 2011 geplanten Wahlen. Die Nachricht seiner
Ermordung erreichte Deutschland pünktlich zu einem Kurzbesuch von Kongos
Außenminister Alexis Thambwe Mwamba, der am Donnerstagfrüh die neue
Botschaft der Demokratischen Republik Kongo in Berlin eröffnete. Nach
Angaben aus dem Auswärtigen Amt forderte Bundesaußenminister Guide
Westerwelle bei einem Gespräch von seinem kongolesischen Amtskollegen eine
rückhaltlose Aufklärung des Falles. Chebeyas Tod sollte am Donnerstag auch
Thema auf der wöchentlichen Sitzung der EU-Botschafter in Kinshasa sein, wo
die europäische Politik gegenüber dem Kongo abgestimmt wird.
4 Jun 2010
## AUTOREN
Dominic Johnson
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