# taz.de -- Wahl des Bundespräsidenten: Was gut für Merkel ist | |
> Für Angela Merkel ist Christian Wulff eine kluge Wahl – der letzte ernst | |
> zu nehmende Rivale ist weg. Nur der Gegenkandidat Joachim Gauck könnte | |
> die Union in Erklärungsnot bringen. | |
Bild: Für Merkel ist Wulff der Richtige, für ihn aber wird es schwer werden. | |
BERLIN taz | Netter Scherz, wird sich die Kanzlerin gesagt haben. Sinngemäß | |
schrieb sie das auch in ihrer Kurzbotschaft an den SPD-Vorsitzenden. | |
"Vielen Dank für die Info", tippte Angela Merkel in ihr Mobiltelefon. Das | |
war am Mittwoch. Sigmar Gabriel hatte angefragt, ob sich die | |
Regierungsparteien den früheren Stasi-Beauftragten Joachim Gauck als | |
Konsenskandidaten vorstellen könnten. Die Koalition hätte ihn auch als | |
ihren Kandidaten präsentieren dürfen. | |
Darauf konnte Merkel nicht eingehen. Ein Parteipolitiker sollte es diesmal | |
sein, nach der Erfahrung mit dem Quereinsteiger Horst Köhler und angesichts | |
des schlechten Erscheinungsbilds der schwarz-gelben Koalition. Zu | |
verlockend war außerdem die Aussicht, den letzten ernst zu nehmenden | |
Rivalen an die Staatsspitze wegzuloben, eben Christian Wulff, den | |
niedersächsischen Ministerpräsidenten und Stellvertreter Merkels im | |
CDU-Parteivorsitz. | |
Bereits am Dienstagabend, wird aus Regierungskreisen kolportiert, habe | |
Merkel bei Wulff angefragt. Erst am Mittwoch sagte dieser zu. | |
Zwischenzeitlich feierten viele Medien schon Arbeitsministerin Ursula von | |
der Leyen als neue "Mutter der Nation", freuten sich schon auf ein | |
weibliches Duo an der Spitze der Bundesrepublik. | |
Dabei hatten Leute aus dem Merkel-Lager schon zu Wochenanfang abgewinkt. Zu | |
groß erschien die Gefahr, den Hessen Roland Koch wieder auf den Plan zu | |
rufen. Wiederholt hatte er sich selbst als einen Experten für | |
Arbeitsmarktpolitik inszeniert. Eine Vakanz im fraglichen Ressort hätte ihn | |
leicht auf den Gedanken bringen können, dass Politik am Ende doch sein | |
Leben sei. | |
Auch aus der Perspektive von der Leyens sprach wenig dafür, die Karriere | |
als aktive Politikerin nach nur sieben Jahren zu beenden und die neue Rolle | |
einer Schattenkanzlerin schon wieder aufzugeben. | |
Für Wulff ist das kein glücklicher Start. Seine Kandidatur steht nun im | |
Schatten zweier Fantasien, die er nicht erfüllen kann. Den | |
Modernisierungsanspruch, für den der Name von der Leyen steht, kann er | |
trotz jugendlicher Aura und Patchworkfamilie nicht erfüllen. Die | |
überparteiliche Ausstrahlung, das aus der Biografie erwachsene Gewicht | |
eines Joachim Gauck, fehlt ihm ebenfalls. | |
Während die sichtlich stolzen Oppositionsführer ihren Kandidaten Gauck am | |
Freitag eine Stunde lang den Berliner Journalisten präsentierten, zeigten | |
die ermatteten Koalitionsspitzen den Zögling Wulff am Donnerstagabend nur | |
für schlanke fünf Minuten auf der Fraktionsebene des Reichtagsgebäudes vor, | |
direkt unter der Reichstagskuppel. | |
Von seinem künftigen Amt sprach er in der dritten Person: "Ich denke, man | |
kann die Menschen zusammenführen." Merkel schien es noch immer nicht ganz | |
zu glauben, dass sich Wulff tatsächlich nach oben loben ließ. "Mit Blick | |
auf andere Betätigungen, die er durchaus hat, freut es mich ganz besonders, | |
dass er bereit ist, Verantwortung für unser Land zu übernehmen", sagte die | |
Kanzlerin. | |
Die Gegenkandidatur Gaucks bringt die CDU in eine schwierige kommunikative | |
Lage. Schon zu Wochenbeginn brachten konservative Medien den früheren | |
Stasi-Beauftragen als Wunschkandidaten ins Spiel. Auch frühere | |
Bürgerrechtler im Regierungslager könnten in Loyalitätskonflikte kommen. | |
Der Sachse Arnold Vaatz, Sprecher der ostdeutschen | |
CDU-Bundestagsabgeordneten, glaubt gleichwohl nicht an Abweichler aus den | |
eigenen Reihen. "Es ist eine naive und abenteuerliche Vorstellung, die | |
Bundesversammlung kippen zu können", sagte er der taz. "Ich bin | |
hundertprozentig davon überzeugt, dass die Ost-Abgeordneten ohne jeden | |
Abstrich für Wulff stimmen werden." | |
Wenn Gauck seine Kandidatur gar nicht ernst meine, fügte Vaatz hinzu, dann | |
schade er der Demokratie. Wolle er hingegen ernsthaft Präsident werden, | |
dann gehe das nicht ohne die Stimmen der Linkspartei in einem zweiten oder | |
dritten Wahlgang. "Ich bin überrascht, aber bereit hinzunehmen, dass mein | |
Freund Joachim Gauck bereit ist, sich mit den Stimmen der Linkspartei zum | |
Bundespräsidenten wählen zu lassen." | |
Anders als Vaatz wollten sich mehrere CDU-Bürgerrechtler, die nicht mehr | |
parteipolitisch aktiv sind, am Freitag auf die Anfrage der taz nicht zur | |
Frage der Bundespräsidentenwahl äußern. | |
Gauck selbst sagte am Freitag vor der Presse, er halte sehr viel von der | |
Kanzlerin und sie auch von ihm. "Jeder macht das politische Geschäft, so | |
wie er es machen kann", fügte er hinzu. Es klang, als könne er Merkels | |
Motive für die Auswahl Wulffs aus ihrer Sicht ganz gut verstehen. | |
4 Jun 2010 | |
## AUTOREN | |
Ralph Bollmann | |
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