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# taz.de -- Video der Woche: Schon mal vom Strand gefaxt?
> Videochat, Spracherkennung, Satellitennavigation: Beinahe hellseherisch
> beschrieb das US-Unternehmen AT&T vor 20 Jahren die digitale Zukunft. Nur
> in einem Punkt lag es völlig daneben.
Bild: Die digitale Zukunft von 1993: AT&T-Werbung versprach mobile Faxgeräte.
Was passiert, wenn Visionen und Geld sich treffen? Es werden Werbekampagnen
kreiert! Der US-Telefonriese AT&T zum Beispiel hatte 1993 offensichtlich
von beidem reichlich. Um die Amerikaner auf die telekommunikative Zukunft -
natürlich mit AT&T - einzustimmen, ließ man von David Fincher eine Serie
von aufwendigen Werbevideos produzieren. Fincher, der später unter anderem
mit dem Kinohit "Fight Club" berühmt werden sollte, holte sich dafür als
Sprecher auch gleich noch "Magnum"-Star Tom Selleck.
Das Besondere an den Clips: Heute, beinahe 20 Jahre später, haben sich
Ideen wie Satelliten-Navigation, Online-Shopping oder Video-Konferenzen per
Internet nicht nur verwirklicht - sie bestimmen und ordnen oft sogar den
persönlich Alltag. Die allermeisten der Fragen, die Fincher Selleck in
beinahe penetranter Weise an die Zuschauer richten ließ, würde man im Jahr
2010 nicht mehr in der Zukunftsform "Du wirst es!" (im Original: "You
will!") beantworten. Man macht es einfach.
"Hast Du schon mal ein Buch ausgeliehen, das tausende von Kilometern
entfernt steht?" Trotz der traditionsreichen Bücher-Digitalisierungs von
[1][Project Gutenberg], dürfte das virtuelle Bücherlesen 1993 nur wenigen
gelungen sein. Erst Mitte der Neunziger Jahre wurden Webseiten, damals noch
simplester Bauart, populär - dank immer besserer Daten-Autobahnen.
Onlineshops waren noch Science Fiction. Das heute weitverbreitete "Portable
Document Format", kurz PDF, war erst im Juni desselben Jahres eingeführt
worden. Doch Tom Sellecks Stimme bestärkte Technikfreunde: "You will!"
"Bist Du schon mal durchs Land gereist ohne nach dem Weg zu fragen?" Wie
war das eigentlich damals, als es nichts Besseres gab als gedruckte
Landkarten auf Papier? Als es keine Computerstimme gab, die einen auf die
richtige Abzweigung hinweist? Jeder, der auch heute noch ohne
Satelliten-Navigation im Auto lebt, weiß: Da kommt es leicht zu ungewollten
Umwegen. Erst zur Jahrtausendwende konnte das Mitte der 90er Jahre
aufgebaute Global Positioning System (GPS) auch von Privatpersonen genutzt
werden. Für Tom Selleck war das absehbar: "You will!"
"Hast Du schon mal ein Fax vom Strand aus verschickt?" Diese Vorstellung
dürfte wohl eher Geschäftsmänner als Privatleute interessiert haben. In
jedem Fall galt digitale Kommunikation von unterwegs als visionär; immerhin
waren Faxgeräte 1993 nicht nur unhandlich groß, sondern auch auf
Telefonanschlüsse angewiesen. Dass man schon 15 Jahre später nicht nur
Kurznachrichten, sondern sogar Emails, Fotos und Videos von beinahe überall
aus verschicken und empfangen kann - das konnte sich damals wohl selbst
AT&T nicht so recht vorstellen. Man ließ die Zuschauer von Tom Selleck
lediglich auf das bis dato utopische mobile Faxen einstimmen: "You will!"
"Hast Du schon mal einen Film genau zu der Zeit angeschaut, zu der Dir
danach war?" Zugegeben, Video-On-Demand war sogar vor nur rund fünf Jahren
noch eine Wunschvorstellung. Heute sind die Glasfaser-Kabel der
Telekommunikationsunternehmen dick genug für tausende von
Video-Stream-Angeboten: für die [2][Live-Streams aus dem taz-Café] etwa.
AT&T hatte allerdings eher kostenpflichtige Angebote im Sinn. Kostenlose
Mediatheken, wie sie etwa ARD und ZDF anbieten - wie hätte das bei den
damaligen Hardware- und Übertragungskosten auch bezahlbar sein sollen?
Vermutlich ohne die Antworten zu kennen, propagierte Tom Selleck
siegessicher: "You will!"
Doch in einem Punkt irrten sich Macher und Sprecher der Clips gewaltig. Am
Ende jedes Videos wird jeweils selbstbewusst verkündet, wem man diese
schöne neue Welt verdanken wird: AT&T. In der digitalen Welt von 2010 ist
das Unternehmen allerdings keiner der entscheidenden Größen mehr. Manche
Ideen sind offensichtlich so gut, dass sie sich auch unabhängig vom
Entwickler durchsetzen. Vor allem, wenn man sie nicht für sich behält.
4 Jun 2010
## LINKS
[1] http://www.gutenberg.org/wiki/Main_Page
[2] /zeitung/taznews-verlag/taz-live/
## AUTOREN
Thomas Schmid
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