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# taz.de -- Fake gegen Fake: Wie die Horst-Köhler-Satire verschwand
> Unter dubiosen Umständen wurde eine Köhler-kritische Homepage aus dem
> Netz getilgt. Nun wird aus dem Vorgang ein Kriminalfall. Die Spur führt
> ins Bundesverwaltungsamt - eine nachgeordnete Behörde des
> Innenministeriums.
Bild: Job nach dem Abgang: Satirische Altpräsidentenseite.
BERLIN taz | Die Website feierte Erfolg im Netz, dann sollte sie beseitigt
werden. Einen Tag nach dem Rücktritt von Horst Köhler aus dem
Präsidentenamt verschwand eine Köhler-kritische Website unter dubiosen
Umständen aus dem Web. Die taz hakte nach – und stieß auf eine kuriose
Geschichte, bei der die Fake-Homepage offenbar mit einem Fake bekämpft
wurde.
Das Pikante daran: Der gefakte Einschüchterungsversuch kam offenbar direkt
aus einer Bundesbehörde. Überhaupt nicht lustig aber findet das das dem
Innenministerium unterstehende Bundesverwaltungsamt. Das will jetzt
Ermittlungen aufnehmen. Aber der Reihe nach.
Auf der Seite [1][horst-koehler-consulting.de] bot vermeintlich der
Bundespräsident a.D. Horst Köhler Unternehmen Beratung auf Basis seiner
militär- und außenhandelspolitischen Kompetenzen an. Zu seinem
Kompetenzteam sollten unter anderem Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder,
verantwortlich für „Putin Relations“, Ex-Außenminister Joschka Fischer,
verantwortlich für „Green Warfare“, sowie Ex-Bundeskanzler Kohl, als „He…
of Secret Accountance“ zählen – die Seite mussten für jeden klar als Sati…
zu erkennen sein.
Die Website schaffte es auf bis zu 2.000 Klicks pro Sekunde. Doch: Nur
wenige Stunden nach Veröffentlichung verschwand sie wieder aus dem Netz.
Unter der URL war sie zwischenzeitlich nicht mehr zu finden und selbst im
Google Cache, dem Kurzzeitgedächtnis des Suchportals, war sie bereits nach
wenigen Stunden verschwunden.
Nach Recherchen der taz kam die Attacke auf die Satire-Website direkt aus
einer staatlichen Behörde: Der taz liegt eine E-Mail vor, die darauf
hindeutet, dass es ein Mitarbeiter des Bundesverwaltungsamtes selbst war,
der beim Provider auf die schnelle Sperrung gedrungen hat. Denn die Mail
stammt von einem Computer mit der IP-Adresse dieser Bundesbehörde.
In der Mail heißt es unter anderem wörtlich: „Insgesamt sind die
finanziellen Folgen für ihren Kunden der zivil- und strafrechtlichen
Verfolgung nicht zu unterschätzen und befinden sich bei ungefähr 1.000.000
Euro.“ Die Nennung einer so hohen Schadenersatzsumme wirkte sofort. Der
Provider nahm die Seite, die aufgrund der massiven Klickzahlen zeitgleich
zu Serverüberlastungen führte, zum Schutz seines Kunden zunächst vom Netz.
Außerdem verlangte der Autor des Schreibens vom Provider die
„uneingeschränkte Verschwiegenheit“. Dem Provider sei auch untersagt, dem
Homepage-Betreiber die rechtlichen Auslassungen weiterzuleiten. Wieso
Peters mit angeblichen Strafkosten von bis zu einer Million Euro rechnen
sollte, durfte der Satiriker laut dem Schreiben mit dem Absender des
Bundesverwaltungsamtes also gar nicht nachprüfen.
Das hat sich der Autor dieser Mail nicht schlecht überlegt. Denn auf
Nachfrage stellte sich nun heraus, dass das Bundesverwaltungsamt mit der
Sache nichts zu tun haben will. Ein Sprecher sagte der taz: „Bezug nehmend
auf Ihre heutige Anfrage zur 'Sperrung' der Seite
horst-koehler-consulting.de kann ich Ihnen mitteilen, dass das
Bundesverwaltungsamt keinerlei Schritte zur Sperrung der zuvor genannten
Seite veranlasst hat bzw. hieran nicht beteiligt war."
Doch es blieb nicht bloß bei einer Mail. Bereits bevor der Provider, die
Firma VC-Server mit Sitz im niedersächsischen Königslutter, die Abmahnung
erhalten hatte, rief dort ein Mann an, der erklärte, bei der
"Staatsanwaltschaft Köln" zu arbeiten. Dieser habe, so erzählt der
Provider-Geschäftsführer Marcus Hoffmann, telefonisch um persönliche
Kontaktdaten des Websitebetreibers gebeten.
Dem allerdings ging der Provider nicht auf den Leim: „Das ist ein
ungewöhnlicher Vorgang“, erklärte Hoffmann der taz. "Die Staatsanwaltschaft
meldet sich normalerweise nicht am Telefon mit solchen Anliegen, weil sie
weiß, dass diese Auskunft aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht
telefonisch zu erhalten ist."
Und in der Tat: Gegenüber der taz versichert die Staatsanwaltschaft Köln
auf keinen Fall „in irgendeiner Weise aktiv geworden zu sein“. Sie verweist
vielmehr darauf, dass die Kölner Staatsanwaltschaft keinerlei
Zuständigkeiten für die Firma mit Sitz in Niedersachsen hat.
Das Bundesverwaltungsamt erfuhr durch die taz von dem Vorgang und hat in
der Zwischenzeit den Provider um Zusendung des vermeintlichen
Mahnschreibens gebeten, um „Ermittlungen gegen den Täter“ aufnehmen zu
können.
Glaubt man den Aussagen des Bundesverwaltungsamtes, macht es den Anschein,
dass ein Staatsbediensteter auf eigene Faust und unter Ausnutzung seines
Amtes mit einem Fake gegen die gefakte Köhler-Website vorgegangen ist.
Der kleine Unterschied: Dem Studenten mit einer satirischen Idee stand in
den letzten Tagen ein vermeintlicher Staatsapparat entgegen, von dem er
nicht wissen durfte, aus welchen Gründen er gegen ihn vorgeht. Kein Wunder
also, dass nun auch das Bundesverwaltungsamt genau wissen will, wer da in
ihrem Namen abgemahnt hat.
Jean Peters, der nach teurer anwaltlicher Prüfung die Homepage wieder
online gestellt hat, fand die Sache nur bedingt witzig. Er sagte der taz am
Samstag: "Zu viel Vertrauen in die Beamten unseres Staates ist
offensichtlich schädlich."
„Wir laden unseren Köhler-Aktivisten nun herzlich dazu ein, uns eine
Benefiz-Veranstaltung zu organisieren", fügte Peters hinzu. „Denn es würde
echt nerven, unsere entstandenen Kosten jetzt noch vor Gericht einklagen zu
müssen."
4 Jun 2010
## LINKS
[1] http://www.horst-koehler-consulting.de/
## AUTOREN
Martin Kaul
## TAGS
Horst Köhler
Politik von unten
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