# taz.de -- Südafrikas umstrittener Präsident Zuma: Ohne Wissen, ohne Macht | |
> Vollmundige Versprechen, keine Lösungen, viel Korruption - das ist die | |
> Bilanz Jacob Zumas. Vom Mandelas Traum eines demokratischen Landes ist | |
> wenig geblieben. Die WM wird daran nichts ändern. | |
Bild: Auch die WM wird aus Südafrika kein demokratisches Land machen: Präside… | |
Die Überraschung ist gelungen. Jacob Zuma taucht mit breitem Lächeln an | |
Bord der Maschine der South African Airways in Johannesburg auf. Südafrikas | |
Präsident schüttelt die Hände, die sich ihm entgegenstrecken. Er sitzt | |
eingezwängt und plaudernd mit Passagieren. Anstatt im Präsidentenjet | |
stilvoll zu Besprechungen zu fliegen, wolle er lieber dort sein, wo normale | |
Südafrikaner sind, sagt der Staatschef im Brustton der Überzeugung. Dort, | |
wo normale Südafrikaner sind, brennen zur selben Zeit Autoreifen an | |
Barrikaden. | |
Polizisten feuern in Townships Gummigeschosse auf protestierende, Steine | |
werfende Anwohner. Die warten schon lange auf ein kleines Haus und bessere | |
Infrastruktur. Es ist ein allzu häufiges Szenario in Südafrika, das beinahe | |
täglich in einer der armseligen Gemeinden aufflammt. | |
Wenn die Welt während der Fußballweltmeisterschaft zu Gast sei, wisse man | |
sich zu benehmen, verkündet Zuma, als Frager einen Imageverlust für das | |
Land fürchten. Aber Lösungen, um den armen Massen schneller zu einem | |
ordentlichen Lebensstandard zu verhelfen, bietet er nicht, und die | |
politische Misere bleibt auch während der WM sichtbar. Zumas Regierung | |
erlebt nach dessen Amtsantritt im April 2009 ein Debakel nach dem nächsten. | |
Sie ist innenpolitisch zerrüttet, ihr nächstes Ziel ist der wichtige | |
Parteikongress des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) in | |
zwei Jahren, denn dort werden die Weichen für die Wahlen 2014 gestellt, und | |
es ist nicht sicher, dass die Basis Jacob Zuma dann noch zujubelt wie Ende | |
2007, als sie den Populisten an die Stelle des ungeliebten Präsidenten | |
Thabo Mbeki hievte. | |
Zumas ANC ist aus dem Gleis geraten. "Sein Führungsmangel im Zentrum der | |
Partei und der Regierung hat den Parteibonzen auf Lokalebene freien Lauf | |
gelassen, eigenen Interessen nachzugehen", beschreibt der | |
Universitätsprofessor William Gumede die Lage des ANC. "Wir hatten vor 16 | |
Jahren bei Mandelas Amtsantritt große Hoffnung, dass die älteste | |
Befreiungsbewegung auf dem Kontinent besser regieren wird als die | |
restlichen afrikanischen Machthaber." Enttäuschung stattdessen. Der | |
Wettkampf um die Macht werde härter, zum Teil tödlich. | |
Das zeige sich auch im Kampf um Staatsgelder. "Bling culture" nennt Gumede | |
den Stil, den viele Politiker betreiben, in Anspielung auf dicke Autos, | |
Schmuck und protzige Kleidung - Statussymbole der ANC-Bonzen. Wer diesen | |
Weg wählt, schreckt vor Abkürzungen nicht zurück: Das bedeute, sich an | |
einen Paten innerhalb der Partei oder auch einen kriminellen Boss zu | |
heften. Gumede: "Der wird gelobt, auch wenn es keinen Grund gibt, und es | |
wird geschwiegen, wenn Dinge schieflaufen." | |
Einer, der nicht schweigt, ist Velinzima Vavi, der Boss des zwei Millionen | |
Mitglieder starken Gewerkschaftsdachverbands Cosatu. Aber jetzt lehnte er | |
sich offenbar zu weit aus dem Fenster: Vor wenigen Tagen drohte Vavi, aus | |
der Regierungsallianz mit dem ANC auszusteigen. Die Linken in | |
Gewerkschaften und Kommunistischer Partei, denen Zuma seinen Aufstieg | |
größtenteils zu verdanken hat, drohen öfter mit dem Bruch der gemeinsamen | |
Regierung, die ihnen zu wirtschaftsfreundlich ist. Aber Vavi wagte es | |
jetzt, hochrangige ANC-Mitglieder der Korruption zu beschuldigen. | |
Was brachte ihm das ein? Die Androhung eines Disziplinarverfahrens und | |
Angst um sein Leben. Präsident Zuma findet bisher - wie häufig in | |
brenzligen Momenten - keine klaren Worte für die Situation. Die finden | |
andere: Am Freitag erhielt Vavi einen anonymen Brief mit der Prophezeiung, | |
er werde sterben wie jüngst der stellvertretende Gesundheitsminister | |
Molefi. Der kam im April bei einem mysteriösen Autounfall ums Leben. Das | |
ist Politik im Simbabwe-Stil. | |
Kritik unerwünscht - das ist eine traurige Bilanz von Mandelas Traum eines | |
demokratischen Südafrikas. Der bedrängte Gewerkschaftsboss Vavi hat | |
Kommunikationsminister Siphiwe Nyanda beschuldigt, mehr als 50.000 Euro für | |
Unterbringung in Luxushotels auszugeben, während sein Diensthaus renoviert | |
wird. Und Vavi behauptet, Sicelo Shiceka, Minister für "kooperative | |
Regierungsführung", habe seinen Lebenslauf gefälscht und sich persönlich | |
mit Staatsgeldern bereichert. Nyanda will den Cosatu-Chef vor Gericht | |
bringen, sollte er sich nicht entschuldigen. "Ich spreche für die | |
Arbeitnehmer, sie haben ein Recht, kritisch zu sein", kontert Vavi. | |
Deutlich sanfter behandelt wird Julius Malema, ANC-Jugendliga-Präsident und | |
Aushängeschild des linken Parteiflügels, der mehrmals wegen Tiraden gegen | |
Weiße Aufsehen erregt hat. Lange Zeit sagte die Parteiführung nichts, nach | |
langen Verzögerungen gab es ein ANC-internes Disziplinarverfahren und er | |
musste sich öffentlich entschuldigen. Aber die Beziehungen des ANC zu einem | |
Teil der weißen Bevölkerung sind verdorben, weil Malema - Enfant terrible | |
und klassischer Vertreter der Schicht der ominösen ANC-Neureichen - mit | |
alten Kampfliedern wie "Töte den Buren" auf politischen Veranstaltungen | |
Stimmung machte, unter anderem ausgerechnet während der Zeit, als der Mord | |
am weißen Rechtsextremistenführer Eugene Terreblanche im April Ängste vor | |
neuen Rassenkonflikten schürte. | |
Aber auch Schwarze mögen Malema nur bedingt. Sein exklusiver Lebensstil | |
stört die Armen, für die er angeblich Stellung bezieht. Als Reaktion | |
versteckt sich Zuma hinter der gern zitierten "kollektiven Führung" des | |
ANC: Nur die könne über Malemas Schicksal entscheiden. Einen Rausschmiss | |
aus der Partei gab es nicht. Malema wird von einer Gruppe schwarzer | |
Nationalisten innerhalb der ANC-Riege unterstützt. Er sagt Dinge, die sie | |
nicht öffentlich sagen können, wollen sie im Amt bleiben. | |
Als Zuma 2007 ANC-Chef und 2009 Südafrikas Präsident wurde, trat er als | |
starker Mann mit klaren Zielen auf, aber bei parteiinternem Streit geht er | |
jetzt in Deckung. Zumal er selbst mit Skandalen von sich reden macht. Hatte | |
er sich vor wenigen Monaten für die Zeugung eines unehelichen Kindes | |
rechtfertigen müssen, soll der bekennende Polygamist nun Vater seines 21. | |
Kindes werden, während eine seiner drei Ehefrauen angeblich eine Affäre mit | |
einem Bewacher des Präsidenten hat. Die Affäre ist jetzt zur polizeilichen | |
Angelegenheit geworden, ein Krisenstab ermittelt. Der Präsident selbst | |
kommt mit Entschuldigungen für sein außereheliches Verhalten davon. | |
Zuma hatte vor Amtsantritt viele Versprechungen gemacht, die ihn nun | |
einholen. Viele schwarze Wähler sind desillusioniert, denn Armut und | |
Arbeitslosigkeit steigen, und an der sozialen Ungleichheit entscheidet sich | |
der künftige Weg des ANC. "Wissen ist Macht, aber Zuma hat weder das eine | |
noch das andere", sagt John Kane-Berman, Leiter des Instituts für | |
Rassenbeziehungen in Johannesburg. Was Zuma als Fortschritt preist, hält | |
Berman für Versagen: dass der Präsident eine Hotline für Bürger | |
eingerichtet hat, die ihm ihre Sorgen erzählen, und auf der Fehlleistungen | |
von 8.000 Gemeinderäten und Vertretern des öffentlichen Dienstes aufgedeckt | |
worden sind. | |
Dieser Regierungsstil mache Verantwortlichkeit vor Ort unmöglich, | |
Korruption sei ein natürliches Nebenprodukt. "Viele Behörden sind heute | |
wohl weniger effektiv als die einst von der Apartheidregierung in Townships | |
eingesetzten Bantu-Räte. Bei Protesten werden jetzt oft die Rücktritte von | |
Bürgermeistern und Gemeinderäten verlangt, die dort für den Erhalt des | |
Parteiwillens sorgen." Es grassiere im Land eine Revolte gegen die | |
ANC-Politik "von oben nach unten" und das Konzept des Staates als Eigentum | |
der Partei. | |
Vor wenigen Tagen rief der ANC wieder einmal eine Kampagne ins Leben, bei | |
der Parteimitglieder frühzeitig die Regierung auf soziale Probleme | |
aufmerksam machen sollen. ANC-Sprecher Jackson Mthembu räumte ein, dass die | |
Kluft zwischen dem ANC-Apparat und den ANC-regierten Gemeinden so groß ist, | |
dass politische Außenstellen ebenso überrascht werden von gewaltsamen | |
Demonstrationen wie die Regierung selbst. | |
Streiks kosten Milliarden | |
Zumas Regierung hat ein weiteres Problem: Die enorme Streikwelle im | |
Transportsektor, die das Land im Mai um Milliarden Euro brachte. Der Streik | |
ist eingestellt, aber laut einigen Gewerkschaften nicht beendet. Es handelt | |
sich möglicherweise nur um eine Auszeit während der WM. Auch die Proteste | |
in den Townships gehen weiter, und die Regierung bereitet sich sogar auf | |
erneute Übergriffe auf afrikanische Ausländer in Südafrika nach der WM vor, | |
wenn die Ernüchterung über den harten Alltag eintritt und Frustrationen und | |
nicht erfüllte Erwartungen ein Ventil suchen. | |
Dabei ist sich der Präsident seiner Unzulänglichkeiten durchaus bewusst. | |
Als letztes Jahr die Welle von Protesten in den Townships losging, räumte | |
Zuma ein, dass die ANC-Regierung oftmals kurzsichtig plane. Er besuchte | |
arme Gemeinden sowie das Township Tembisa und fand einen Draht zu den | |
unzufriedenen Menschen. Eine Stippvisite nach seinem ersten Besuch vor | |
einem halben Jahr ergab, dass unterdessen einige Häuser gebaut worden | |
waren. Zuma verspricht Kontakt mit den Massen. Er hört ihnen so zu wie den | |
Passagieren an Bord der SAA-Maschine und beteuert, er will Abhilfe | |
schaffen. | |
Aber trotz solider Zweidrittelmehrheit an der Wahlurne steckt der ANC in | |
einer tiefen Krise und braucht eine klare Vision. "Zuma hat die nicht und | |
ist schwach", sagt William Gumede und zweifelt an einer Wiederwahl. "Wir | |
brauchen eine wirkliche Spaltung der Partei, damit sich daraus ein | |
kleinerer, aber funktionierender ANC hervortut. Eine echte Partei und eine | |
ernstzunehmende Opposition." | |
7 Jun 2010 | |
## AUTOREN | |
Martina Schwikowski | |
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