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# taz.de -- Umweltkatastrophe von Bhopal: Milde Urteile für Chemie-Manager
> Durch die Katastrophe von Bhopal 1984 kamen eine halbe Millionen Menschen
> zu Schaden. Doch die Verantwortlichen werden nur wegen unterlassener
> Hilfeleistung verurteilt.
Bild: Warten auf das Urteil: Überlebende der Katastrophe am Montag vor dem Ger…
DEHLI taz | Ein Gericht in Bhopal, der Hauptstadt des zentralindischen
Bundesstaats Madhya-Pradesh, hat am Montag acht Menschen wegen
unterlassener Hilfeleistung während der größten Chemiekatastrophe aller
Zeiten verurteilt. Die acht Verurteilten, denen nun Haftstrafen bis zu zwei
Jahren drohen, waren Angestellte des US-Chemiekonzerns Union Carbide, in
dessen Fabrik in Bhopal sich die Katastrophe im Dezember 1984 ereignete.
In der Pestizidfabrik des US-Konzerns waren damals aufgrund mangelnder
Sicherheitsvorkehrungen und unzureichender Wartung der Fabrikanlagen
während ihres Stillstands große Mengen des sehr giftigen Gases
Methylisocyanat freigeworden, die sich schnell über die Slums in der Nähe
der Fabrik verbreiteten. Der Stoff ist sehr reaktiv und verursacht
Verätzungen von Augen, Schleimhäuten und Lunge.
3.000 Menschen starben unmittelbar in den Tagen der Katastrophe, weitaus
mehr Opfer erlagen deren Folgen. Ihre Zahl wird auf 15.000 bis 20.000
geschätzt, sie war aber schon aufgrund der Flucht vieler Slumbewohner vor
Ort nie zuverlässig festzustellen. Regierungsangaben zufolge sollen 578.000
Personen gesundheitlich Schaden genommen haben.
Das Gerichtsurteil vom Montag stellt nach einer 25jährigen
Prozessgeschichte die erste strafrechtliche Verurteilung der
Verantwortlichen dar. Zu den Verurteilen zählt auch der damalige Fabrikchef
und Leiter der indischen Union-Carbide-Niederlassung, Keshub Mahindra, der
heute als 85-Jähriger beim indischen Großkonzern Mahindra den Ehrenvorsitz
innehat.
Nicht verurteilt wurde der damalige US-Chef von Union Carbide, Warren
Anderson, dessen Auslieferung für das Verfahren die Vereinigten Staaten nie
zuließen. Ein weiterer Angeklagter ist inzwischen verstorben.
Vertreter der Ankläger wiesen das Urteil als unzureichend zurück und
kündigten Revision an. Der Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung
würde in Indien meist nach Verkehrsunfällen gelten, betonten sie. "Die
schlimmste Industriekatastrophe der Weltgeschichte wird auf einen
Verkehrsunfall reduziert", sagte ein Vertreter der Opfer.
Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft auf unbeabsichtigte Tötung
geklagt. Doch in dem hochpolitisierten Prozess hatte der indische Oberste
Gerichtshof das Maß der Anklage zurückgestuft. Auch behaupten die Vertreter
der Opfer, dass der Untersuchungsbericht der Zentralen Indischen
Polizeibehörde von 1987 auf lückenhaften Ermittlungen beruht. "Es handelt
sich um Inkompetenz der Ermittler und der Staatsanwaltschaft", sagte der
indische Rechtsanwalt K. T. S. Tulsi nach Bekanntgabe der Urteils.
Union Carbide wurde 2001 vom US-Chemieriesen Dow Chemical geschluckt. Zuvor
hatte Union Carbide 470 Millionen Dollar Entschädigung gezahlt und das bis
heute ungereinigte Unfallgelände an die Regierung zurückgegeben. Die
Entschädigungssumme deckte nach Angaben der Opfer nicht einmal die Kosten
der Krankenbehandlungen und sei von der Regierung zum Teil veruntreut
worden.
8 Jun 2010
## AUTOREN
Georg Blume
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