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# taz.de -- Onlinespiele "Farmville" und Co: Die Bauernfänger
> Mit virtuellem Landleben und zuckersüßer Grafik ist das Onlinespiel
> "Farmville" zum Massenphänomen geworden. Und zum Riesengeschäft - trotz
> neuem Benachrichtigungssystem.
Bild: Farmville ist eine Massenbewegung, die Stadtflucht 2.0 - und vermutlich a…
Auf Franzis Bauernhof steht eine kleine Villa. Daneben, auf quadratischen
Feldern, blühen Blumen. Schafe mit Kulleraugen grasen friedlich auf einer
Wiese. Franzi kommt jeden Tag hierher, in der quietschbunten Farm steckt
viel Arbeit. Die 27-Jährige muss düngen, sähen und ernten, manchmal viermal
am Tag. Zum Glück ist es nicht weit bis zu ihrem Hof - ein paar Klicks und
ein Passwort genügen.
So wie Franzi Binder verwandeln sich im Internet Millionen Menschen jeden
Tag in begeisterte Hobbybauern. Bei Farmville, einem Onlinespiel, pflegen
sie virtuelles Gemüse und schmücken ihre Höfe mit Zierbrunnen und
Gartenzwergen. Während die Weltwirtschaft in einer der schwersten Krisen
seit Jahrzehnten steckt, ist so im Netz eine gigantische
Schrebergartenkolonie entstanden, eine heile Welt im World Wide Web.
Level 1: Feldhelfer
Letzten Sommer ging Farmville online, seitdem registrieren sich jeden Monat
tausende neuer Hobbyfarmer. Jeder bekommt am Anfang ein Stück Land, das er
bewirtschaften muss. Mittlerweile gibt es im Netz mehr Bauernhöfe als in
ganz Amerika, über 70 Millionen Menschen pflügen, sähen und ernten online.
Farmville ist eine Massenbewegung, die Stadtflucht 2.0 - und vermutlich
auch die Zukunft der Spielebranche.
Franzi hat ihren Bauernhof seit Oktober letzten Jahres. "Am Anfang habe ich
den ganzen Tag in Farmville gehangen", erzählt sie. Sie wollte schnell
vorwärtskommen, viel anbauen, viel ernten. Dafür bekommt man Geld und
Punkte, so kann man sich wieder neue Samen und Gegenstände kaufen, außerdem
rückt man langsam in den Levels nach oben.
Heute hat Franzi einen gigantischen Hof, dafür hat sie monatelang geackert,
vor allem aber hat sie genügend Menschen gefunden, die gerne neben ihr
wohnen wollen, virtuell gesehen. Denn um als Bauer voranzukommen, muss man
sich bei Farmville Nachbarn suchen - meistens sind das die Freunde aus den
Onlinenetzwerken. Wer expandieren will, muss seine Kumpel also zum
Mitmachen animieren, das Spiel setzt sich so immer weiter fort, wie ein
gigantischer Kettenbrief.
Level 20: Grüner Gigant
Weil man sie in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Myspace spielt,
heißen Spiele wie Farmville "Social Games". Wer keinen Bauernhof will, kann
sich einer Mafia-Familie anschließen oder virtuell Aquarien pflegen, es
gibt hunderte solcher Social Games - und Millionen potenzieller Spieler.
Denn jeder Teenager, der etwas auf sich hält, ist heute Mitglied bei
mindestens einem Netzwerk, allein Facebook hat nach eigenen Angaben über
400 Millionen aktive Nutzer. Eine gigantische und zahlungskräftige
Zielgruppe, die Firmen wie Farmville-Betreiber Zynga nun erstmals anzapfen.
Mit Erfolg: Die New York Times schätzt, dass der Umsatz des Unternehmens
2009 bei rund 250 Millionen Dollar lag.
In der ansonsten kränkelnden Computerspielebranche hat das ein Erdbeben
ausgelöst. Alteingesessene Hersteller wie EA Games kaufen auf einmal
Social-Games-Firmen, obwohl sie noch im letzten Jahr deren
Geschäftspraktiken misstrauisch beäugten. "Geld kaufen geht mir gegen den
Strich", sagt Franzi. Den Hof, die Tiere, die Gartenzwerge - bis jetzt hat
die 27-Jährige sich alles selbst verdient. Wer es schneller oder
komfortabler will, der kann sich für echte Dollar oder Euros Farmville-Geld
kaufen, sogenanntes FarmCash. Meistens sind das kleine Beträge, aber bei
über 230 Millionen registrierten Nutzern in allen Spielen von Zynga kommt
einiges zusammen.
Level 46: Brillanter Farmer
Darüber hinaus lassen sich Betreiber einiges einfallen, um aus den fast
immer kostenlosen Spielen Geld zu schlagen. Wer einen Hof bei Farmville
haben will, muss Zynga erlauben, auf seine Daten zuzugreifen, die die Firma
für gezielte Werbung nutzt. Außerdem bietet Farmville den Nutzern FarmCash
an, wenn sie kostenpflichtige Abos, etwa bei Weight Watchers, abschließen.
Manchmal werden Kontos versehentlich belastet. Abzocke nennen das Kritiker,
in den USA gab es deshalb bereits eine Klage gegen Facebook und Zynga.
Allerdings haben nach einer Statistik von Inside Social Games mehr als die
Hälfte der 25 größten Spiele auf Facebook seit April viele Nutzer verloren,
Farmville sogar als 12 Millionen Nutzer. Der Spieler-Rückgang könnte laut
Inside Socil Media auf eine Änderung des Benachrichtigungssystems für die
Spieler zurückzuführen sein, die Facebook Anfang März eingeführt hat.
Konnten bis dahin die Spiele mit ihren Nutzern über Benachrichtigungen,
sogenannte App-Noctifications, kommunizieren, stehen dafür nun nur noch
E-Mails zu Verfügung. Gerade aber dieser aggressive Benachrichtigungsfluss
war offenbar nötig, die im März noch bis zu 80 Millionen Farmvillenutzer
bei der Stange zu halten.
8 Jun 2010
## AUTOREN
Christoph Gurk
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