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# taz.de -- Private Viewing mit "Polizeiruf 110"-Star: "Wer gewinnen will, muss…
> Deutschland - Serbien mit Fernsehkommissar Lars Eidinger an der Berliner
> Schaubühne. Er trötet schwarzrotgold - und mag deutschen Nationalstolz
> trotzdem nicht.
Bild: Eidinger: Die Deutschen sollten sich diesen ganzen Nationalstolz verkneif…
Die Theaterproben zum "Menschenfeind" werden unterbrochen, Deutschland
spielt, auf die Schaubühnenleute wartet der Fernseher schon im Café. Lars
Eidinger kommt kurz nach dem Anpfiff angerannt, noch im Kostüm. "Also das
ist ganz wichtig", sagt er gleich zu Anfang, "das müssen Sie schreiben: FC
Stern Marienfelde, das war mein Verein von ungefähr 11 bis 18 Jahre. Und
wir waren richtig gut, auch mehrmals Berliner Meister. Dabei hatten wir nur
einen Schotterplatz, kein Rasen oder so etwas, und auch kein Netz im Tor.
Heißt: Egal ob man getroffen hat oder nicht, man musste immer den Ball
holen."
Eidinger hat als Einziger eine Vuvuzuela dabei, in Deutschlandfarben, mit
der er sich sofort unbeliebt macht. Eine Hundebesitzerin verwehrt sich
energisch gegen jedes Getröte. Eidinger gibt nach. Vorerst. Fußball hat
immer dazugehört, klar. In der Jugend, auch später. Er hat in der
Schaubühnenmannschaft gekickt, ebenso in der Mannschaft von X-Film. Aber
nachdem er jetzt mit zunehmendem Erfolg ständig Verträge unterschreiben
muss, die ihm eine Sportart mit "Vollkontakt" verbieten, geht das
blöderweise nicht mehr. "Wenn man beim Fußball gewinnen will, muss man sich
wehtun", erklärt er. "Und ich tu mir sowieso immer weh, auch beim Theater."
Und welchen Preis fordert die Prominenz noch? Solange ihn die grobe Masse
nicht kennte, wäre alles in Ordnung. Zum Beispiel in seiner Rolle als
Kommissar beim "Polizeiruf 110", da denken die Leute: Ah, der Hamlet von
der Schaubühne spielt den Kommissar - und nicht umgekehrt. "Solange das so
bleibt, bin ich zufrieden."
Als Kommissar verkörpere er wie auch in der Hauptrolle des Kinofilms "Alle
Anderen" von Maren Ade eine andere, neue, weibliche Männlichkeit, frage ich
nach. Mich faszinieren gebrochene Männerfiguren, die Eidinger so gerne
spielt. Er ist cool, er haut auch mal zu, gleichzeitig ist er das
Lustobjekt, er zieht sich aus (nicht sie), er ist sportlich, klar hetero
und trotzdem zart. Vor allem hat er Humor.
Seine Partnerin hingegen ist Exbundeswehroffizierin, sie vertritt das
Militär und die Disziplin. Was reizt ihn an diesen anderen Männern? Ja, die
Mann-Frau-Sache, sicher. So richtig überzeugt ihn meine Interpretation
nicht. Wichtig ist ihm vielmehr, die Fehlbarkeit von Menschen zu
verkörpern. Das zähle. Der Kommissar etwa ist sympathisch und trotzdem
rassistisch, der ist einfach nicht okay. Diese Sehnsucht der Zuschauer nach
der perfekten Person zu durchbrechen, das ist das, was Eigner interessiert.
Das erste Gegentor fällt und der Einsneunzigmann haut die Tröte auf den
Tisch.
Warum eigentlich eine schwarz-rot-goldene Vuvuzuela? Ah, die ist von meiner
dreijährigen Tochter, Eidinger grinst, wird dann ernst und erzählt, wie
eben seine Tochter im Supermarkt auch die Deutschlandfahne haben wollte.
Die sie nicht gekriegt hat, "natürlich". Diese Unbedarftheit bei den
Jüngeren, aber sie ist auch ein Problem. Nein, eigentlich findet er, dass
die Deutschen sich diesen ganzen Nationalstolz verkneifen sollte. Fahnen
aus dem Fenster zu hängen: Als Deutscher sei das einfach gar keine gute
Idee.
Nicht dass er den Leuten, die das machen, Nationalismus unterstellte,
überhaupt nicht. Aber es gebe aufgrund der Geschichte eine Symbolik, der
man einfach nicht entkommt. Für sie gelte es Verantwortung zu übernehmen.
Sehr angenehm hingegen sei es, dass das Image der Deutschen im Ausland
inzwischen so viel besser ist. Dank der Popkultur, Techno, elektronischer
Musik wie von Kraftwerk, Berlin als kreative Stadt - das hat die Deutschen
beliebt gemacht. Und es entlaste, wenn man gerne sagt, dass man aus Berlin
kommt, einfach, weil man weiß, dass das ankommt.
Als der Elfmeter gegeben wird, brüllt er: "Links unten!" Aber Podolski
schießt nach rechts unten, herrje. Jetzt verlieren sie ja, sagt er, aber
bis jetzt hatte ich schon gedacht, dass die Deutschen gewinnen können.
Gerade weil sie jung sind, weil sie zusammenspielen, es keine
internationalen Stars gibt, weil Ballack nicht dabei ist. Der ist mir auch
einfach zu doof, setzt er mit leichtem Kopfschüttelnd hinzu. Die Jungs
hingegen, die sind ein Team, und ich finde sie eher sympathisch.
Vielleicht ist das die einzige Verbindung zwischen Theater und Fußball,
setzt er nach, dass es dieses Ideal gibt vom Zusammenspielen. Die Deutschen
glänzen weiter nicht, und Lars Eidinger greift zur Tröte, um die Stimmung
etwas aufzulockern.
19 Jun 2010
## AUTOREN
Ines Kappert
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